Faul am Strand liegen war gestern – die Zukunft der Arbeit sieht anders aus.
Mein Chef hat Weitblick. Kein Trend, der an ihm vorbeigeht, keine Innovation, die er auslässt. Die neue Arbeitswelt hat es ihm besonders angetan, seit er uns in der Firma per Video bequem vom Pool aus seiner Villa wohlwollend im Auge behalten kann. Vorbei die Zeiten, in denen die unsinnige Trennung von produktivem Arbeitsleben und sinnlos verplemperter Freizeit an den Umsätzen nagten – und auch die archaische Unsitte, fünf wertvolle Wochen Arbeits- und Lebenszeit an irgendwelchen überfüllten Stränden zu verschleudern, ist gottlob bald Geschichte. Das klingt jetzt auf den ersten Blick vielleicht hart, aber ja, mich zumindest hat der Mann, der meine Miete zahlt, vollends überzeugt, seit er mir das Ganze gestern abend um halb elf per Videokonferenz – ich wollte gerade ins Bett gehen, aber wenn der Chef anruft, eh klar – mal genauer erklärt hat.
Statt zum Beispiel sträflich träge irgendwo unter Palmen dahinzustagnieren, meinte er, mache es das Wunder der Telekommunikation ja zum Klacks, auch im Urlaub per Laptop die eine oder andere Arbeitswoche mitzuerledigen – das sei wohl für das Privileg, monatlich mehr oder weniger problemlos großzügig Geld überwiesen zu bekommen, nicht zu viel verlangt. »Workation«, die smarte Verbindung der Wörter »work« und »vacation«, sei der absolut passende, sexy Name für dieses Phänomen, dem mehr und mehr fitte, ehrgeizige und sexuell attraktive Menschen in aller Welt geradezu enthusiastisch verfallen würden: Man ist im Urlaub, trägt aber selbstlos und mit Freude auch in dieser ehemals schändlich vergammelten Zeit etwas zum Wohl des Unternehmens bei.
Und noch auf eine andere Variante kam die Rede – die »Staycation«, bei der man Urlaub nimmt, aber gar nicht mehr fortfahren muss – und mal ehrlich: wenn ich deutsche Touristen sehen will, geh ich zum Stephansplatz, aber echt – und stattdessen die eigene Stadt wie ein Tourist neu und aufregend erleben kann!
Nur für das dritte Modell, das mein Chef mir da voller Begeisterung besonders ans Herz gelegt hat, gibt es noch kein angemessen hippes Wort, das die erotische Ausstrahlung des Konzepts so richtig rüberbringt. Am besten, futuristischsten und flexibelsten wäre es nämlich, so meinte er gestern ganz aufgeregt, während hinter ihm am Strand die Cocktailgläser leise klirrten, wenn man die beiden Konzepte irgendwie miteinander verbinden könnte – also seinen Urlaub aufzubrauchen, in der eigenen Stadt zu bleiben und zugleich arbeiten zu gehen.
Wie ich der Irmi, meiner Frau, ganz begeistert davon erzählt hab, dann später, so um halb eins, halb zwei, hat sie’s, glaub ich, nicht so ganz verstanden. Aber egal: Die drei Wochen auf Mallorca hab ich jetzt auf jeden Fall mal storniert. Der Sommer kann kommen!