Die ganze Welt schreit nach IT-Expert*innen. Die EU schaffte es im Jahr 2020 gerade einmal auf 18 % Frauen unter den IT-Fachkräften. Warum ist das so und was braucht es, um ein ausgewogeneres Bild zu schaffen? Ein Gastkommentar von Vera Reichlin-Meldegg, Global Marketing Director bei Nagarro
Mein persönliches Highlight des Jahres? Ein Roundtable über Gender Equality mit erfahrenen Frauen aus der IT-Wirtschaft: Catharina Tunberg (CTO bei ASSA ABLOY), Marybeth Westmoreland (VP bei Amazon) und Shalini Sarin (Co-founder von Elektromobilitat). Alle drei sagten keine zwei Tage nach meiner Anfrage zu. Unentgeltlich und voller Euphorie für die Sache. Was bei mir hängen geblieben ist: Frauen brauchen Mut, Role-Models und die Rückenstärkung der Führungskräfte, und zwar männlicher ebenso wie weiblicher.
Sei die eine Verbündete
Nach meiner Erfahrung ist beim gegenseitigen Support von Frauen untereinander noch Luft nach oben. Ein Beispiel: Ein Meeting, wenige Frauen, viele Männer. Es gibt nichts Leichteres, als der anderen Frau bei ihrer Wortmeldung den Rücken zu stärken, darauf aufmerksam zu machen, wenn der Lösungsvorschlag eines Kollegen bereits von einer Kollegin eingebracht wurde. Das mag feministisch klingen, ist aber humanistisch gemeint. Nur gemeinsam können wir Stärke zeigen und gleichzeitig das Vertrauen in unser eigenes Know-how festigen. Fakt ist, dass der Token Effekt auch in der IT-Frauenquote zuschlägt. Programme und Angebote von Unternehmen gibt es. Offensichtlich geht es eher um Gender Equality im Arbeitsalltag.
Wozu das alles?
Vielleicht liegt es daran, dass Frauen glauben, sie hätten keine Karrierechance in der IKT-Branche? Das ist nicht der Fall. Bei Nagarro haben wir ein globales Förderprogramm, wo primär Frauen für ein Jahr Teil des Senior Managements werden, mitsamt aller Informationen. Sie erhalten dabei Inspiration und Mentorship für ihre eigene Karriere und können bei unternehmenskritischen Entscheidungen mitdiskutieren. Als globales Managementteam haben wir uns einen 30%-igen Frauenanteil in allen Führungsfunktionen bis 2023 zum Ziel gesetzt. Das ist noch nicht 50:50, aber immerhin weit besser als manch andere Unternehmen. Unsere »Nagarrians« sind außerdem eingeladen, in fachbezogenen Projekt-Circles mitzuarbeiten, um Wissen zu vertiefen und sich einzubringen. Wir haben festgestellt, dass gemischte Teams wesentlich dynamischer und ideenreicher sind. Da wir Digitalisierungslösungen für alle Lebensbereiche entwickeln, sind Frauen eine große User-Gruppe für alles, was hier entsteht!
Was ich in Indien gelernt habe
Die 18 % Frauenanteil in der IT, welche Eurostat für den EU-Raum anführt, sind überraschend, da viel zu wenig. Bei Nagarro in Österreich haben wir deutlich mehr und auch während meiner Zeit bei Nagarro in Indien konnte ich mich von großartigen, bestens ausgebildeten IT-Expertinnen überzeugen, die anspruchsvolle Digitalisierungsprojekte umsetzen und große Teams leiten. Bei einem indischen Recruiting-Schwerpunkt ist es uns gelungen, in einem Durchgang 7.000 weibliche Bewerberinnen zu motivieren. 140 Studienabgängerinnen gingen an nur einem Tag an den Jobstart, was eine spürbare Dynamik im Unternehmen auslöste. Es ist also möglich, Frauen zu mobilisieren.
Auch eine Recruiting-Kampagne auf LinkedIn war ein voller Erfolg: Wir waren mit zehn verschiedenen Designs am Start und jenes, das am meisten polarisierte (»Yes, we are biased!«), war genau das, was bei Weitem die meisten Bewerberinnen ansprach. Ein klares Signal, worum es den Frauen geht: In diesem Unternehmen werdet ihr gefördert und gehört! Diese Botschaft versuche ich täglich ganz real zu senden, denn ich arbeite sehr gerne mit Frauen zusammen – sie bekommen von mir einen Vertrauensvorschuss.