Remote Work ist gekommen, um zu bleiben. Das ist so gut wie fix. Aber welches Neuland tut sich dabei auf, wie gestaltet sich der Arbeitsmodus und welche Rolle spielt die persönliche Begegnung?
Ein Gastkommentar von Iris Bergmann, HR-Lead bei Nagarro
Der tägliche Morgengang zum Computer, 7 Uhr erstes Meeting mit Asien, 20 Uhr Team-Meetup, weil ein Kollege an einem Projekt in den USA arbeitet. Selbstbewusst platzieren wir uns im legeren Hoodie, räumen die Katze vom Tisch. Zwei Monitore und trotzdem nicht genug Platz für alle Anwendungen. Willkommen im Raumschiff Homeoffice. Oder war das früher auch schon so?
Was ist wirklich neu?
Versuch einer Erinnerung: Durchgetaktete Arbeitstage sind mir nicht neu. Bei Nagarro arbeiten wir in flachen Hierarchien, genießen ein großes Maß an Selbstbestimmung, können uns bei Interesse in viele Themen und Projekt »Circles« einbringen. Da galoppieren auch ohne Pandemie schnell die Stunden davon. Das remote Arbeiten waren wir ebenfalls gewohnt, die Infrastruktur für globale Teamarbeit vorhanden. Was allerdings eine neue Dimension erreichte, waren nach meiner Beobachtung die Mitarbeiterveranstaltungen: Statt Get-together im Büro, den geschätzten Townhall-Meetings, einer mehr als wunderbaren Cafeteria, reihten sich plötzlich Online-Sessions aneinander. Wenn schon, denn schon – aus fünf Personen wurden schnell 30 Teilnehmer, schließlich kommt es online auf die Anzahl nicht an. Oder vielleicht doch?
Vernetztes Arbeiten
Ergiebige Frontalvorträge mit vielen Teilnehmern erschwerten es zunehmend, die Leute bei Laune zu halten, geschweige denn, einen persönlichen Draht zu pflegen. In der Folge schnellte die Anzahl der Parallel-Diskussionen im Chat hoch. Es war an der Zeit, die Meeting-Settings und Policies mit den People-Guides neu zu diskutieren und geeignete Formate zu schaffen.
Heute arbeiten wir mit Break-out-Rooms, bauen interaktive Sessions mit Umfragen und Miro Boards ein, schalten die Kameras an, damit die Sensorik nicht auf der Strecke bleibt. Jedes Team definierte neue Regelwerke für Abstimmungen und Dialog im kleineren Rahmen. Vertrieb und Delivery Management treffen einander zu »Kamin-Gesprächen« mit der Geschäftsführung. Man tauscht in »gemütlicher Atmosphäre« – einem eigens geschaffenen Raum – Fragen und News aus, bekommt die volle Aufmerksamkeit und Wertschätzung des Managements. Womit wir bei der wichtigen Frage von Teamspirit und Leadership wären.
Agilität im Generationenwechsel
Wer agil organisiert ist, genießt die Vorteile der schnellen Anpassung und kurzer Wege. Für uns war Business Agility zweifelsfrei der Schlüssel in der Krise. Mindset und Praktiken entsprechen dem Zeitgeist. Für die junge Generation ist Homeoffice selbstverständlich, trotzdem darf man meines Erachtens den Face-to-face-Anteil nicht verlieren. Menschen lernen durchs Beobachten, sowohl technisch als auch sozial. Der Umgang mit Kunden und Kollegen, Diplomatie und Problemlösungskompetenz, unmittelbare Reaktionen aus dem Umfeld – das alles ist nicht in einem Webtraining vermittelbar. Jemand mit Berufserfahrung greift im Online-Modus auf erlebte Erfahrung zu. Wer jung im Berufsleben ist, hat noch keine Ahnung, wie er oder sie ankommt. Diese Chance müssen wir der nächsten Generation geben. Denn was uns Menschen von der Technologie unterscheidet ist: Geschichte schreiben wir gemeinsam, nicht einsam vor dem Monitor.