Ressourcenoptimierung, die Reduktion von CO2, Kreislaufwirtschaft und grüne Baustoffe finden sich immer öfter in den Richtlinien von Baustoffhersteller*innen. Es gilt nun, diese am Bau einzusetzen.
Nachhaltig zu bauen bedeutet nicht nur den Einsatz natürlicher Baustoffe, sondern auch die Einsparung und Wiederverwendung von Baustoffen. Mehr zirkuläres und weniger lineares Wirtschaften sind eine Voraussetzung für eine nachhaltige Lebens- und Produktionsweise unter Netto-Null-Bedingungen, heißt es im kürzlich erschienenen »Circularity Gap Report 2024«. Die globale Zirkularitätsrate für Baurecycling ist laut Alois Fürnkranz, Vorstand im Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe VOEB, allerdings noch im Aufbau. Der Sektor habe bereits wichtige regulatorische Impulse erhalten, etwa durch die EU-Abfallrahmenrichtlinie. »Derzeit liegt die Zirkularität im Bauwesen in Europa bei etwa 30 Prozent, Ziel bis 2040 sind 50.« Eine höhere Quote scheitert u. a. noch an fehlender Infrastruktur, fehlenden wirtschaftlichen Anreizen, regulatorischen Barrieren, mangelndem Fachwissen und logistischen Herausforderungen. Ein Steigen erwartet Fürnkranz durch das Deponieverbot für Baurestmassen, das ab 2025 gilt, sowie durch das verpflichtende Gipsrecycling ab 2026.
Neue Wege
Neben Kreislaufwirtschaft und Energieverbrauch spielen bei der Nachhaltigkeit von Gebäuden ökologische Baustoffe eine große Rolle. Hier kommen Umweltproduktdeklarationen, EPDs, zum Tragen. Sie stellen Akteur*innen und Entscheidungsträger*innen umweltrelevante Informationen und Daten über den gesamten Lebenszyklus eines Bauprodukts zur Verfügung. »Bis 2040 müssen für alle Baustoffe EPD-Daten der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen«, informiert Sarah Richter, Geschäftsführerin von Bau-EPD. Das werde laut Richter in einem Stufenplan realisiert, beginnend mit den massiven Baustoffen. Die Erstellung einer EPD erfordert dabei eine komplette Ökobilanzierung, mehr als 30 Parameter werden unter die Lupe genommen. Dass der Einsatz nachhaltiger Baustoffe allein durch EPDs gefördert wird, glaubt Richter weniger.
Die Taxonomieverordnung und andere Vorgaben des Green Deal seien wesentlichere Treiber. EPDs werden jedoch für dies alles die notwendige Grundlage bilden »EPDs sind ein künftiges Must-have der Bauwirtschaft«, betont auch Florian Gschösser von der Universität Innsbruck, der im Auftrag der VÖZ ein neues EPD-Rechentool erstellt hat, mit dem nun alle österreichischen Hersteller die Werte für unterschiedliche Zementsorten in ihrem Portfolio erheben und vergleichen können.
Baustoff Holz
Holz bietet durch seine kaskadische Nutzung und verschiedene hergestellte Werkstoffe eine hohe Anzahl unterschiedlichster Nutzungsszenarien: vom Bausektor bis zur Pharmabranche. Im modernen Holzbau wird vieles im Werk vorgefertigt und unterschiedliches Material miteinander verbunden. »Wir designen diese Verbundwerkstoffe intelligenter, so dass sie immer wiederverwendet werden können«, informiert Martin Riegler über die Arbeit am Kompetenzzentrum Holz. Das Forschungsprojekt Sink.Carbon hat etwa zum Ziel, Holzhybrid-Bauelemente so lange wie möglich im stofflichen Kreislauf zu halten. Dazu wurde ein Demonstrator gebaut, der die Wiederverwendung und das Recycling von Holzbauelementen zeigt.
Die Universität für Bodenkultur hat eine industriell vorgefertigte und geklebte Holz-Beton-Verbunddecke entwickelt. »Fugen, die mit unserem neuen High-Tech-Klebstoff aus Epoxidharz verklebt sind, lassen sich wieder sauber trennen, die Zerkleinerung der Betonplatte entfällt«, informiert Univ.-Prof. Benjamin Kromoser, Leiter des Instituts für Hochbau, Holzbau und kreislaufgerechtes Bauen. Durch den Klebeverbund dieser Materialien in der Fuge werde auch eine hohe Tragfähigkeit und eine verbesserte Steifigkeit sowie geringere Durchbiegung des gesamten Elements im Vergleich zu punktuellen Befestigungen erzielt.
Massiv bauen
»Unsere Initiative ›Beton hoch 30‹ zielt darauf ab, bis 2030 den Recyclinganteil in bestimmten Produktgruppen um 30 % zu steigern, den Einsatz von CO2-reduzierten Bindemitteln zu erhöhen sowie Transportkosten um 30 % zu reduzieren«, informiert Michael Wardian, Geschäftsführer der Kirchdorfer Gruppe. Parallel dazu setze man auf Maßnahmen wie die Einführung der Ausbrandstrecke im Zementwerk und den Einsatz gröberer Ersatzbrennstoffe. Zudem forscht Kirchdorfer an innovativen Materialien wie Holz-Beton-Verbundstoffen oder Ultra-Hochleistungsbeton und Faserbeton mit alternativen Materialien. Rohrdorfer möchte bis 2026 bei den Zementen in der Klinkerproduktion 30 Prozent des eingesetzten Kalksteins und Mergels durch Alternativen wie Bauschutt, Schlacken und Verbrennungsaschen ersetzen. Höhere biogene Anteile in den Brennstoffen und die Nutzung von Wasserstoff sollen den Ausstoß zukünftig weiter senken. Eine CO2-Reduktion wird schon jetzt durch den Klimabeton erzielt. Weiters wird mit dem R-Beton ein Beton mit Recycling-Gesteinskörnung produziert.
»Klima R-Beton ist die Kombination der beiden Materialien«, erklärt Martin Billes, Geschäftsführer Baustofftechnik und Leiter Industrieentsorgung und -verwertung Umwelttechnik. Zufrieden zeigt er sich mit der künftigen europäischen Betonnorm EN 206 und den geplanten GWR-Klassen, die zu einer einheitlichen Deklaration der derzeit am Markt befindlichen CO2-reduzierten Betone führen.
Einen Erfolg verzeichnet Wopfinger. »Wir haben eine erste Gruppe ausgewählter Beton- und Kieswerke CSC-zertifizieren lassen und als einziger Transportbetonhersteller in Österreich das CSC Gold-Zertifikat inkl. R-Modul Level 4 erreicht«, berichtet der kaufmännische Geschäftsführer Wolfgang Moser. Bei Baumit ist Recyclingbeton ein wichtiges Thema. »Go2morrow steht für unsere Produkte, die aus Recyclingmaterialien bestehen und damit Ressourcen und CO2 einsparen«, betont Geschäftsführer Georg Bursik. Rund um das Thema EPD sieht er derzeit einen extremen Mehraufwand und keinen Nutzen für die Konsument*innen.
Auf Aluminium und Stahl vertrauen
Mit seinen Partnerunternehmen Schüco und Jansen verfolgt AluKönigStahl seit langem das Prinzip Cradle-to-Cradle. »Dabei wird der Fokus auf die Wiederverwendung hochwertiger Materialien wie Aluminium gelegt, die seit jeher recycelt werden – aus technischer, wirtschaftlicher und ökologischer Notwendigkeit«, erklärt Thomas Glanzer, Head of Business Development & Sustainability. Mit über 80 zertifizierten Systemen hat sich Schüco als Vorreiter in der Branche etabliert. Projekte wie das PEMA 3, das nach dem LEED-Gold-Standard für ressourcenschonendes und nachhaltiges Bauen ausgezeichnet wurde, verdeutlichen diesen Anspruch eindrucksvoll. Mit Carbon Control bieten AluKönigStahl und Schüco zudem ein praxisnahes Werkzeug, um klimagerechte Gebäudehüllen zu berechnen und umzusetzen. Dieses Tool hilft, den CO₂-Fußabdruck von Gebäuden zu minimieren.
Nachhaltig mit Ziegel
Nachhaltig unterwegs ist auch Wienerberger. Als wichtigstes Projekt nennt Mario Kubista, Produktmanager Wall, den zu 100 Prozent elektrisch betriebenen Ziegelofen im Werk Uttendorf. »Damit reduzieren wir die CO2-Emissionen um bis zu 90 Prozent.« Geschont werden auch Ressourcen. Aus rund einer Tonne Aushubmaterial der U2-Baustelle beim Notausstieg Quellenstraße wurden 1.000 Miniziegel gefertigt. Diese Miniziegel sind Vorbote für eine weit größere Aktion mit den Wiener Linien. »Aus dem Aushub einer U2/U5-Erweiterung soll der Ton gesiebt, von den Baurestmassen getrennt und 2025 in unsere Produktion integriert werden.« .
Dämmen mit Zukunft
»Aktuell stehen wir bei einem Sekundärrohstoff-Anteil von 30 Prozent und mit 2028 streben wir 50 an, betont Roland Hebbel, Geschäftsführer von Steinbacher Dämmstoffe und verweist v.a. auf den EPS-Recyclingservice EPSolutely zur Rückholung von Dämmplattenverschnitten und EPS-Dämmstoffe mit Umweltzeichen. Seine Forderung: »Kreislauffähige Dämmstoffe müssen von Behörden und Förderstellen den nachwachsenden gleichgestellt werden.«
Bild: »2026 soll eine Abfallende-Verordnung für Bodenaushub in Kraft treten«, informiert Alois Fürnkranz, Verband österreichischer Entsorgungsbetriebe VOEB. Expert*innen gehen davon aus, dass 95 Prozent des Bodenaushubs nicht kontaminiert sind und bei ausreichender Aufbereitung für Betonherstellung, Künettenfüllmaterial, Schüttmaterial etc. verwendet werden können.
Hintergrund: Forschungsprojekte
Die österreichische Zementindustrie forscht zur Erreichung der Ziele der CO2-Roadmap der VÖZ intensiv an vielen Themen, wie der Verwendung bereits entsäuerter Rohstoffe für die Klinkerherstellung, der Absenkung des Klinkerfaktors im Zement, der Entwicklung neuer Zumahlstoffe wie getemperten Tonen sowie der Karbonatisierung. »Erfreulich ist, dass die neuen CO2-reduzierten CEM II/C-Zemente im Schnitt bei 350 kg CO2eq pro Tonne Zement liegen«, betont Sebastian Spaun, Geschäftsführer der VÖZ.
Hintergrund: Über 800 EPDs
Mapei stellt für über 800 seiner Produkte schon heute EPDs (Environmental Product Declarations) zur Verfügung. Neue Produkte kommen laufend hinzu. Betrachtet wird hierbei unter anderem der CO2-Fußabdruck. Dieser gibt Aufschluss darüber, wie viel Kohlendioxid entlang des gesamten Produktlebenszyklus in die Atmosphäre ausgestoßen wird. Zum Produktlebenszyklus zählt die Rohstoffbeschaffung, die Produktion, die Verarbeitung und die Entsorgung des Produktes. Aber auch andere Einflüsse wie der Wasserverbrauch oder der Einsatz fossiler Ressourcen werden eruiert. Mapei legt großen Wert darauf, die CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus der Produkte zu reduzieren, von den Formulierungen über die Gebinde und Produktionsprozesse bis zum Transport. Was nicht verhindert werden kann, wird von Mapei durch den Erwerb zertifizierter CO2-Gutschriften kompensiert. Die Kompensation erfolgt nach einer einfachen Gleichung. Nachdem die CO2-Menge anhand der Ökobilanz berechnet wurde, muss sie nur noch mit der verkauften Menge in Tonnen multipliziert werden. Sobald diese Zahl berechnet ist, kompensiert Mapei die Emissionen durch den Kauf zertifizierter CO2-Gutschriften. Neben EPDs verfügen Mapei Produkte über zahlreiche weitere Zertifikate, wie zum Beispiel den Blauen Engel, den Emicode EC1 oder den Emicode EC 1 Plus. Mithilfe der Online-Produktbibliothek unter www.mapei.at kann ganz einfach und schnell nachgesehen werden, für welche Mapei Produkte eine EPD bzw. andere Zertifikate vorliegen.
Recyclingbeton beim Wiener U-Bahn-Bau
Beim Ausbau der U2 in Wien wird im Rahmen des Forschungsprojekts »Green Infrastructures« der Österreichischen Bautechnik Vereinigung ÖBV und der Forschungsförderungsgesellschaft FFG der Einsatz des Recyclingbetons getestet.
Bild: Beim Ausbau der U2 wird eine Teil der Innenschale eines Notausstiegs mit Recyclingbeton und innovativer mineralischer Bewehrung hergestellt.
»Ziel des Forschungsprojekts ist es, einen Teil der Innenschale des künftigen Notausstiegs der Linie U2 am Quellenplatz mit Recyclingbeton und reduzierter innovativer Bewehrung herzustellen«, erklärt Professor Konrad Bergmeister, Leiter des Instituts für Konstruktiven Ingenieurbau an der BOKU. Zu Testzwecken wird in ca. 25 Meter Tiefe ein Probefeld von ca. 112 Kubikmeter mit einer Schachtinnenschale aus Recyclingbeton errichtet und auf Einflüsse wie Frost, Wasserdruck und chemische Angriffe geprobt. Das Ergebnis soll eine Innenschale aus Recyclingbeton sein, die dieselbe Qualität aufweist wie der herkömmliche Beton. Das Recyclingmaterial wird direkt an der Baustelle, etwa von Hilfskonstruktionen, entnommen, gebrochen, gesiebt, gewaschen und wiederaufbereitet. Als Bewehrung kommt Basalt zum Einsatz, ein mineralischer Baustoff, der bei einem Drittel des Gewichts dreimal so stark wie Stahl ist und als mineralischer Baustoff einfach wiederverwertbar ist.
Die Wiederaufbereitung erfolgt bei Wopfinger Transportbeton, um das ganze Potenzial von Recyclingbeton zu heben, soll es in Zukunft aber auch lokale Aufbereitungsanlagen geben. Der Einsatz des Recyclingsbetons wird auf der Baustelle laufend evaluiert, die Ziele werden besprochen und gegebenenfalls angepasst. Sollten gewisse Ziele nicht erreicht werden, wird verpresst und verdichtet, um die nötigen Qualitäten zu erreichen. Geht es nach Bergmeister soll es künftig auch möglich sein, mit 100 Prozent Recyclingbeton arbeiten zu können. »Damit würden Dichte und Festigkeit deutlich steigen«, so der BOKU-Experte. Dazu müssten aber die rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden, um etwa Haftungsfragen zu klären. Sebastian Spaun, Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie und Vorstandsmitglied von Beton Dialog Österreich, gibt zu bedenken, dass nicht überall genug Recyclingmaterial zur Verfügung steht. Deshalb brauche es regionale Regelungen.
CSC-Zertifizierungen für österreichische Zement- und Betonwerke
Bild: Wopfinger Transportbeton und Holcim Österreich dürfen sich über CSC-Zertifizierungen freuen.
Das Concrete Sustainability Council (CSC) hat ein globales Zertifizierungssystem für Beton-, Zement- und Gesteinskörnungshersteller eingeführt. Unternehmen, die ökologisch, sozial und ökonomisch verantwortlich handeln, werden mit diesem Zertifikat ausgezeichnet. Wopfinger Transportbeton darf sich über ein Zertifikat in Gold freuen. »Unsere langjährigen Anstrengungen haben sich ausgezahlt, und wir sind stolz darauf, das CSC-Gold-Zertifikat als einer der ersten Transportbetonhersteller in Österreich erhalten zu haben und somit für unsere Kund*innen und Partner*innen nachhaltiges Bauen vereinfachen zu können«, so Wolfgang Moser, kaufmännischer Geschäftsführer Wopfinger Transportbeton. Ein Zertifikat in Platin gab es für die beiden österreichischen Holcim Zementwerke Mannersdorf und Retznei.
»Mein Dank gilt dem gesamten Holcim Team in Österreich, das täglich Nachhaltigkeit in allen Bereichen lebt und so die Voraussetzungen für diese ausgezeichnete Bewertung unserer Geschäftstätigkeit geschaffen hat «, so Haimo Primas, CEO Holcim Österreich.Das CSC-Zertifikat gibt mit seinem klaren Bewertungskatalog wichtige Orientierung bei zunehmend komplexer werdenden Bewertungssystemen für Nachhaltigkeit. Die erzielte Punktzahl kann direkt in die Gebäudebewertung übernommen werden. Das Zertifikat wird von den wichtigsten Gebäudezertifizierungssystemen im deutschsprachigen Raum, darunter ÖGNI, BREEAM, LEED und andere, anerkannt.
Der CSC-Standard bewertet die Nachhaltigkeit in der Wertschöpfungskette von Zement, Beton und der Rohstoffindustrie. Das ganzheitlich ausgerichtete Zertifizierungssystem baut auf der Evaluierung von Management, Umwelt, Sozialem, Ökonomie sowie der Lieferkette auf. Von CO2 über Governance bis hin zu Mitarbeiter*innen und Produktinnovation prüft und bewertet die Zertifizierungsstelle den gesamten Produktions- und Managementprozess.