Donnerstag, November 21, 2024
KMU und EPU verlieren

Auch wenn es der Softwarebranche etwas besser geht – viele kleine IT-Betriebe sind in ihrer Existenz bedroht. Im politischen Krisenmanagement summieren sich derweil Fehlentscheidungen und Versäumnisse, kritisiert Peter Lieber, Präsident des VÖSI und des Gewerbevereins.

Die Coronakrise hat die Digitalisierung befeuert und trotzdem war 2020 mit Sicherheit kein Jubeljahr für die heimische IT- und Softwarebranche. Profitiert haben vor allem Konzerne und Großbetriebe – EPU sind von der Coronakrise hingegen schwer getroffen. Der heimische IT- und Software-Sektor besteht zu rund zwei Drittel aus Ein-Personen-Unternehmen, die vom Projektgeschäft oder Outsourcing leben, das coronabedingt in Branchen wie dem Tourismus, im Gastro- und Event-Bereich völlig zum Erliegen gekommen ist. Das Projektgeschäft lebt aber von enger persönlicher Zusammenarbeit, von realen Treffen und ständigem Austausch. EPU sind die Ersten, die in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Aufträge verlieren. Wir rechnen damit, dass aufgrund der Coronakrise im schlimmsten Fall ein Viertel bis zu einem Drittel der Kleinstfirmen pleitegehen könnte.

Auch bei einigen großen IT-Anbietern kam es zum Stillstand oder finanziellen Durststrecken: Projekte wurden aufgeschoben, Neuaufträge haben sich verzögert. Hinzu kommt, dass IT eine supportende, unterstützende Branche ist: Geht es der Wirtschaft schlecht, verliert auch die IT-Branche ihre Kunden.
Nach dem Rekordjahr 2019, in dem die größten 1.000 heimischen IKT-Unternehmen mit knapp 93.000 Mitarbeitern rund 26,4 Milliarden Euro erwirtschaftet haben, rechnet der Verband Österreichischer Software Industrie für 2020 trotz der problematischen Situation bei EPU und KMU mit einem positiven Ergebnis: Insgesamt zählt die heimische Software-Industrie zu den Gewinnern der Coronakrise. Die Homeoffice-Umstellung und auch die staatliche Investitionsprämie in der Höhe von 14 Prozent haben für einen Digitalisierungsschub gesorgt und werden der Branche 2020 insgesamt einen Mehrumsatz von sieben bis acht Prozent bescheren. Wir hoffen auf eine Entspannung der Situation – vieles, was aufgeschoben wurde, muss jetzt in den Unternehmen dringend nachgeholt werden. Insbesondere weiß ich aus vielen Gesprächen, dass bei der raschen Umstellung auf Homeoffice und Remote-Work die IT-Security vielfach vernachlässigt worden ist. Weitere Themen, die 2021 eine große Rolle spielen werden, sind die Cloud-Umstellung, die Automatisierung und Prozess-Optimierung, der Einsatz von künstlicher Intelligenz, IoT und Data Analytics sowie E-Commerce

Kritik an Krisenmanagement
War das politische Krisenmanagement in den ersten Monaten der Krise sicher gut,  so summieren sich jetzt einige Fehlentscheidungen und Versäumnisse der letzten Wochen – insbesondere die Hü-Hott-Politik der Regierung sorgte auch in der IT-Branche für zunehmende Verärgerung. Mit ständig neuen, nicht nachvollziehbaren und teilweise widersprüchlichen Verordnungen und Maßnahmen ist niemandem geholfen – das schadet der Demokratie, der Gesellschaft und der Wirtschaft. Wir brauchen jetzt mehr Transparenz, klare Kommunikation mit bewältigbaren, verständlichen Maßnahmen und eine Planungssicherheit über längere Intervalle. Es gilt, einen vierten Lockdown zu verhindern. Die Corona-Hilfen der Regierung halte ich zwar grundsätzlich für richtig gesetzt. Allerdings war die Antragsstellung alles andere als einfach, die Abwicklung der Hilfszahlungen hat vielfach einfach zu lange gedauert. Ich kritisiere auch die Behandlung der EPU und Kleinbetriebe – und zwar nicht nur im IT-Sektor. Sie haben nur 500 bis 1.000 Euro aus dem Härtefallfonds bekommen. Gerade Klein- und Kleinstunternehmen sollten aber in Krisenzeiten mehr und vor allem schneller unterstützt werden.



Über den Autor
Peter Lieber ist IT-Unternehmer, Präsident des Verbands Österreichischer Software ­Industrie (VÖSI) und Präsident des Österreichischen Gewerbevereins.

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