Vor uns liegt die ungewisse Zukunft – hinter uns eine glorreiche Vergangenheit. Ein wehmütiger Rückblick von Rainer Sigl.
20 Jahre Report Verlag, das ist schon ein Anlass, nostalgisch zu werden. Und ja, auch wenn in der wunderbaren Welt der Wirtschaft stetig nach vorne geblickt wird, ist es doch auch einmal an der Zeit, sich umzudrehen und innezuhalten, und siehe da: Früher war alles besser. Ich mein, wissen Sie’s noch? Als wir höchstens zwei-, dreimal am Tag durch unser Drehscheibentelefon beim Meditieren über unseren Aufgabenbereich gestört wurden? Ja, damals, bevor uns Handy, SMS, Chat, Videokonferenzen und Satans grausamste Erfindung, das unheilige Email, mit Arbeitsaufforderungen, Besprechungserinnerungen, Doodles, Nachfragen, PR-Aussendungen, Newslettern und gampigen Anfragen russischer Katalogbräute überhäuft haben – und das schon vorm zweiten Kaffee!
Und es gab ein Privatleben, das noch den Namen verdiente! Ja, wenn man zum Beispiel unbedingt Fußball schauen musste, konnte man daheim immer was von wichtigen Überstunden erzählen und im Büro auch am Samstag am tragbaren Röhrenfernseher... – versuchen Sie das mal heute, wo Sie sogar am Häusl mit Arbeits-Emails behelligt werden und bei jedem Kindergeburtstag nebenbei Arbeitstelefonate anklopfen! Und, war man damals weniger produktiv? Hm? Ja, okay, war man, aber das war auch wurscht, weil da hatte man wenigstens die Aussicht auf eine rechtschaffene Frühpensionierung mit 54 Jahren!
Und dieser dauernde Zwang zur Selbstoptimierung heutzutage! Wo einen die Praktikanten schon komisch anschauen, wenn man nicht am firmeneigenen Iron Man teilnehmen will und statt Tofu-Sojabohnen-Ciabatta eine Leberkässemmel isst – früher haben wir im Büro geraucht, zum zweiten Frühstück in der Kantine Bier getrunken und zum Sport sind wir ins Wettbüro am Eck gewandert! Aber wenn man den jungen Akademikerpraktikanten das erzählt, schauen die gleich ganz komisch und posten kichernd irgendwas auf Twitter, also wirklich, früher, da hatten die Jungen auch einfach mehr Respekt. Es ist so!
Gut, ich mein, ja, es war nicht alles super. Nicht alles. Geb ich zu. Die Behördenwege. Dieses Herumtelefonieren mit Kunden. Geschäftsanfragen per Brief! Die mickrige Auswahl in den Geschäften! Und mein erstes Handy, also ich hab das ja nach wie vor in Gebrauch, damit die schwere Balkontür nicht immer zufällt. Aber wenn ich mir dann Fotos anschaue von früher, eingeklebt, im Album, dann muss ich schon wehmütig feststellen, dass früher halt schon einfach fast alles besser war. Schaun Sie sich das hier mal an: ich! Ich mein, der Vergleich zu jetzt beweist doch schon alles, oder? Die vierzig Kilo mehr auf den Rippen heute – Frustspeck! Die Glatze – vom Haareausreißen! Und erst das Cholesterin!
Ich sag Ihnen: Das kommt nur von diesem verdammten Tofu. Wenn das so weitergeht, sehe ich für die nächsten 20 Jahre schwarz.