Bau ist nicht gleich Bau, vor allem was Automatisierung und Robotics betrifft. Im modularen Hausbau sind sie bereits Teil des täglichen Geschäfts, auf der Baustelle beginnt ihr Einsatz erst.
»Von der Planungsphase, die Jahre dauern kann, bis zur jahrzehntelangen Nutzungsdauer sind Bauprojekte stark von den Interessen einer Vielzahl von Stakeholdern geprägt. Das erschwert technologische Innovationen«, betont Univ.-Prof. Katharina Klemt-Albert, Direktorin des Instituts für Baumanagement, Digitales Bauen und Robotik im Bauwesen an der RWTH Aachen University. Anwendungsfelder für Automatisierung und Robotik gebe es aber ausreichend. »Wir forschen an einer breiten Palette von Anwendungen, die Potenzial für signifikante Effizienzsteigerungen aufweisen, darunter die Inspektion und prädiktive Instandhaltung mit vierbeinigen Robotern, die Digitalisierung der Steuerung und Sensorik großer Baumaschinen sowie die additive Fertigung von Bauteilen und Gebäuden mit nachhaltigen Materialien«, berichtet Klemt-Albert und nennt auch BIM als digitales Hilfsinstrument. BIM ermöglicht, Bauprojekte transparenter zu planen und gezielt Materialien und Prozesse zu vergleichen, um Einsparpotenziale zu identifizieren.
Bild: »Je autonomer Roboter arbeiten, umso höher fällt der Informationsbedarf aus. Sie benötigen detaillierte Baupläne, Sicherheitsprotokolle, spezifische Arbeitsanweisungen«, betont Katharina Klemt-Albert (RWTH Aachen).
Stufen der Automatisierung
Im Bauwesen gibt es verschiedene Stufen von Automatisierung/Robotics, die in der industriellen Vorfertigung laut Karina Breitwieser, Projektleiterin bei Digital Findet Stadt, einen ersten Markt haben. Konzepte wie »Robot as a Service« und die vollständige Integration des Prozesses von der Planung bis zur Fertigstellung eröffnen neue Perspektiven. Am Bau selbst stecken bis auf den Bereich der Baumaschinen Automatisierung und Robotik noch in den Kinderschuhen.
»Baustellen bieten schlichtweg keine perfekten Bedingungen für Automatisierung«, erklärt Alois Buchstab, Baurobotik-Experte bei KUKA, die Hauptursache und verweist auf wechselhaftes Wetter, fehlenden Strom sowie Sicherheitsvorkehrungen und Bedienbarkeit. Fachkräftemangel, Kostendruck und steigende Anforderungen in Sachen Nachhaltigkeit bedingen aber das langsame Umdenken, Beispiele für Robotics und Automatisierung gibt es bereits. »Aufgaben, die hohe Präzision erfordern, sind ideale Anwendungsbereiche für robotergestützte Systeme«, informiert Breitwieser.
Ziegelroboter WLTR
Nach drei Jahren Entwicklungszeit hat Wienerberger Österreich den Ziegelroboter WLTR präsentiert, der bei der Errichtung langer Ziegelwände in Industriebauten und Mehrfamilienhäusern zum Einsatz kommen soll. Ausgestattet ist er mit modernster Sensortechnologie, die eine präzise Platzierung der Ziegelsteine sicherstellt und gleichzeitig Sicherheit und Effizienz auf der Baustelle gewährleistet. Für die robotergerechte Handhabung wurde der »Robot Ready«-Porotherm-Ziegel entwickelt, der über zwei spezielle Rillen an den Wandseiten verfügt. WLTR kann Ziegelmauern bis 3,25 Meter Höhe errichten, mit einer Leistung von durchschnittlich fünf bis sechs Quadratmetern pro Stunde. Lediglich die erste Ziegelreihe sowie die Ecken mauern weiterhin die menschlichen Kolleg*innen, kontrolliert wird per Computer.
Bild: Der Roboter WLTR von Wienerberger automatisiert den Prozess des Ziegellegens.
»Der Mauerwerksroboter generiert zudem umfangreiche Metadaten, die eine hohe Bauqualität und eine umfassende Dokumentation sicherstellen. Wir sehen großes Potenzial in Automatisierung, Vorfertigung und Robotik, um Bauvorhaben schneller und günstiger zu realisieren«, betont Country Managing Director Johann Marchner. Noch in diesem Jahr will Wienerberger die erste Testbaustelle in Niederösterreich umsetzen. Danach stehen die aktuell sieben Roboter als Mietobjekte bereit.
Robotics-Kollegen
Laut David Scherrer, Area Sales Manager bei Universal Robots (UR), entwickelt sich die Technologie rasant, immer mehr Einsatzbereiche können erschlossen werden. Roboter können abreißen, aufmessen, mauern, bohren und schweißen, Pflaster verlegen, Wände und Decken verputzen oder streichen. Drohnen helfen mit Luftaufnahmen den Baufortschritt zu kontrollieren, 3D-Drucker fertigen komplette Häuser. Auch kollaborierende Roboter, Cobots, werden eingesetzt, sie lassen sich schnell umrüsten und können an unterschiedlichen Einsatzorten angewendet werden. Damit eignen sie sich besonders für Materialhandling, Holz- und Metallbearbeitung, Palettieren, Schweißarbeiten, Maschinenbeschickung, Bohren, Schleifen, Schneiden und Lackieren. »Durch die Integration von KI-gestützten Technologien, über das UR+-Ökosystem und das Tool-Kit AI Accelerator können Cobots auch komplexere Aufgaben übernehmen, wie das Scannen von Baustellen, die Qualitätssicherung oder das maschinelle Lernen neuer Arbeitsabläufe«, ergänzt Scherrer.
An der Universität Kassel haben Forscher ein innovatives Verfahren entwickelt, bei dem ABB-Roboter stabile Konstruktionen aus Furnierholz wickeln. Die Deckenelemente und Stützpfeiler werden dabei computergesteuert mithilfe von Robotern angefertigt und wiegen nur Bruchteile von Konstruktionen aus Vollholz oder Beton. Das Roboterinstallationssystem »Schindler’s Robotic Installation System for Elevators« vertraut ebenso auf einen Industrieroboter von ABB. »Aktuell nutzen nur wenige Bauunternehmen Automatisierungslösungen. Vor diesem Hintergrund bietet sich uns enormes Potenzial, die Branche grundlegend zu verändern«, heißt es aus der ABB-Chefetage. Industrieroboter können auch die Holzbaubranche, die bislang selten auf automatisierte Prozesse gesetzt hat, mit ihren Vorteilen überzeugen. Der fischer BauBot übernimmt zum Beispiel Bohrlocherstellungen und die Installation von Befestigung. Er kann wie auch der Roboterhund »Spot« von Boston Dynamics Treppen steigen und bewältigt unwegsames Gelände.
Bild: Mithilfe von Drohnen werden Brücken- und Straßenbauwerke überprüft, Dächer inspiziert, Gelände- und Beweisaufnahmen gemacht und Vermessungsaufgaben unterstützt.
Katharina Klemt-Albert informiert über das ähnliche Projekt »RoboTUNN«, einen vierbeinigen Roboter zur Inspektion von Tunnelbauwerken. Auf Präzisionsmessinstrumente spezialisiert ist Leica Geosystems. Aibot Drohnen schaffen hochpräzise Luftbilder wie auch Vermessungsdaten, die es ermöglichen, den Baufortschritt in Echtzeit zu überwachen und zu dokumentieren. Im Portfolio des Wiener Unternehmens, seit 2005 Teil von Hexagon, finden sich auch 3D-Druck-Roboter und Laserscanner zur Erstellung detaillierter 3D-Modelle bestehender Bauwerke.
Automatisierte Planung
Digitale Lösungen tragen also erheblich zur Prozessoptimierung auf Baustellen und zur Gebäudeautomation bei – die Planung muss angepasst werden. »Tools wie RobotStudio von ABB bieten die präzise Planung und Simulation von Produktionsprozessen«, so Bernhard Putz, Leiter Robotics Vertrieb. Dadurch können Stillstandszeiten im Betrieb zur Nachjustierung minimiert und potenzielle Fehler bereits in der Entwurfsphase korrigiert werden. KI wird den Fortschritt der Automatisierung weiter vorantreiben. Das Hardware- und Software-Toolkit »AI Accelerator« von Universal Robots unterstützt bereits KI-basierte Anwendungen.
Bau-Zukunft
Die Zukunft der Automatisierung und Robotik im Bauwesen ist vielversprechend – darüber ist sich die Baubranche einig. Besonders für kleinere Bauunternehmen bieten solche Innovationen die Chance, wettbewerbsfähig zu bleiben und gleichzeitig moderne Bauanforderungen zu erfüllen. »Der klassische Mauerstein hat etwa Maße, um händisch getragen und gesetzt werden zu können. Wenn wir dies von einem Roboter erledigen lassen, sind ganz andere Abmessungen und andere Montageverfahren denkbar«, betont Klemt-Albert.
Bild: ABB-Roboter setzen in der Werkhalle Betonbewehrungen und Holzkonstruktionen zusammen.