Umweltfeindlich, laut, böse: Das Kraftfahrzeug gerät zu Unrecht immer mehr in Verruf. Eine Verteidigungsrede von Rainer Sigl.
Sind Sie vielleicht auch so einer, der in heiligem Zorn auf jenes unschuldige Objekt hinhackt, das uns unser aller modernes Leben erst lebenswert gemacht hat? Einer, der voller Undank just das Ding verteufelt, das den hochtechnisierten Lifestyle zwischen Innenstadtbüro und Einfamilientraum am Waldrand erst ermöglicht hat? Einer, der in blindem Hass kurzsichtig auf unschuldige SUVs und Stadtsportgeländewagen hingeifert, nur weil die ehrliche Liebe zu diesen treuen Gefährten ihren niederen Horizont und deren Motorhaube ihre Scheitelhöhe übersteigt? Sind Sie nicht! Natürlich nicht.
Stadt der kurzen Wege
Ich stehe dazu: Autos sind das Beste. Ich schließe die Tür meines Autos hinter mir und lasse die garstige Welt draußen. Ich nehme das Lenkrad meines Schicksals selbst in die Hand, meine Zehenspitze bringt mit leichtestem Druck mächtige Power in die Welt, ich sag, wo’s langgeht, alle anderen draußen sind mir durch glänzendes Metall vom Leib gehalten: Herrlich! Ja, ich geb’s zu: Wenn die Welt da draußen eh so stressig und furchteinflößend und unsicher geworden ist, mit Krieg und Klima und Inflation und so, brauch ich dringend die tröstende Versicherung, dass ich mit meinen 390 PS und zweieinhalb Tonnen Kampfgewicht hier drin sicher bin. Wohlig warm im Winter, schön kühl im Sommer – die werden ja auch immer heißer, unerträglich! – der Ö3-Verkehrsfunk als beruhigendes Mantra im Hintergrund, ein Gefühl wie im sicheren Mutterleib.
Ja, ich geb’s zu, ich war der, der früher immer AUTO in die Schulbänke geritzt hat, ich fahr aus Prinzip auch kurze Strecken, meine Garage ist ein Liebesnest und wer uns beide trennen will, bekommt ein Problem, aber hallo.
Zum Beispiel so wie jetzt wieder: eine »Stadt der kurzen Wege«, wo ich alles in 15 Minuten zu Fuß erreichen kann, bitte, wer will so einen Wahnsinn? Denkt keiner an die Quality Time, die ich allein in meinem Auto nach der Arbeit dringend zum Runterkommen brauch? An die schönen Gespräche mit den Kindern im zähen Morgenverkehr? An das meditative Brummbrumm, wenn man entspannt um ein Uhr nachts einfach so mit 150 etwas Ausgleich und Einkehr auf der Autobahn sucht? Und überhaupt: 15 Minuten Fußweg, bin ich Olympionike oder was? Unsereins kann sich die Zeit nicht einfach so stehlen, irgendwohin, was weiß ich, zum Fitnesscenter oder zum Kardiologen, einfach so deppert in der Gegend herumzuhirschen! Eine Hochleistungsgesellschaft braucht Hochleistungstransport! Und mehr Parkplätze! Größere!
Diese Radikalinskis
Aber von mir aus, macht’s, was ihr wollt! Baut’s eure fußgängerfreundlichen Städte! Reguliert’s überall den Verkehr! Macht’s überall Fußgängerzonen! Radwege! Pop-up-irgendwas! Aber kommt’s mir dann ja nicht weinend angekrochen, wenn … wenn … also, eben: Kommt’s ja nicht!
Ich sag’s Ihnen: Das Schlimmste sind halt immer diese Radikalinskis, die glauben, dass sich alle nach ihnen richten müssen. Sowas von rücksichtslos.
(Titelbild: iStock)