Turbulente Zeiten für die österreichische Bauwirtschaft. Auf Stillstand folgte ein enormer Boom, dann die Ernüchterung. Die Branche hat zwei schwierige Jahre hinter sich. Eine Trendwende ist aber absehbar, auch wenn der echte Gamechanger noch fehlt.
Die österreichische Bauwirtschaft geht in den letzten Jahren durch ein lange nicht mehr gekanntes Wechselbad der Gefühle. Dem kurzfristigen Stillstand zu Beginn der Pandemie folgte eine enorme Boomphase, um nicht zu sagen: eine Marktüberhitzung, bevor die Branche in den Augen vieler beinahe so etwas wie eine Vollbremsung hinlegte. Hohe Energie- und Materialkosten, die allgemeine Inflation und mit ihr die stark steigenden Zinsen in Kombination mit den strengeren Kreditvergaberichtlinien führten zu einem jähen Ende der Party. Fakt ist, 2024 war bereits das zweite Krisenjahr in Folge. Und das traf die Branche noch härter als 2023. »Bei der Beschäftigung gab es 2024 die ersten spürbaren Rückgänge mit rund 10.000 Beschäftigten weniger als in den Boom-Jahren«, erklärt Michael Klien, Bau-Experte beim WIFO.
Auch die Politik hat sich nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Bei einer Umfrage des Report(+)-Schwestermagazins Bau & Immobilien Report unter 40 Geschäftsführern der Branche im Dezember waren nur knapp sieben Prozent mit dem Krisenmanagement der scheidenden Regierung zufrieden. »Die angekündigten Fördermilliarden der Politik sind nicht angekommen, zu groß war der bürokratische Aufwand«, kritisiert Johann Marchner, Geschäftsführer Wienerberger Österreich, und fasst 2024 recht deutlich zusammen. »So ein Jahr brauchen wir nicht mehr.«
Bild: »Die neue Bundesregierung muss rasch liefern: ein weiteres Jahr mit reinen Ankündigungen können wir uns nicht leisten«, sagt Johann Marchner, Wienerberger Österreich.
Trendwende absehbar
Es gibt aber auch gute Nachrichten: 2024 brachte laut WIFO eine Stabilisierung, die Rückgänge in der Produktion sind abgeebbt. »Auch die Umfrageergebnisse des WIFO-Konjunkturtests zeigen zuletzt keine weiteren Rückgänge«, so Klien. Ähnlich sieht das auch Peter Krammer, CEO Swietelsky und Vorsitzender der Vereinigung Industrieller Bauunternehmungen (VIBÖ): »Dem Infrastrukturbau ging es auch bislang sehr gut. Jetzt zeichnet sich nach dem Abwärtstrend der vergangenen Jahre aber auch im Hochbau eine Beruhigung ab.« Selbst im besonders krisengebeutelten Wohnungsneubau sind für 2025 nur mehr leichte Rückgänge zu erwarten. Die Zinssenkungen sollten die Leistbarkeit von Wohneigentum spürbar erhöhen. »In Kombination mit den gestiegenen Haushaltseinkommen haben sich die Rahmenbedingungen für die Nachfrage nach Wohnimmobilien deutlich verbessert«, ist Klien überzeugt.
Außerdem könnte das Wohnbauprogramm der Regierung ein Jahr nach der Ankündigung endlich die erhofften und längst fälligen Impulse liefern. Robert Jägersberger, Bundesinnungsmeister der Bundesinnung Bau, sieht 2025 als Jahr der Entscheidung. »Jetzt wird sich zeigen, welche Bundesländer eine aktive Wohnbaupolitik betreiben. Alle Bundesländer hatten ausreichend Zeit, ihre Wohnbauförderung auf das Bundesprogramm hin anzupassen«, stellt Jägersberger den Ländern die Rute ins Fenster.
Bild: »Wenn das Wohnbaupaket endlich auf den Baustellen ankommt und es im Bereich der Bürokratie und der Bauvorschriften eine echte Entlastung gibt, dann halte ich einen Turnaround für möglich«, sagt Robert Jägersberger, Bundesinnung Bau.
Weiter große Herausforderungen
Auch wenn der Abwärtstrend gestoppt zu sein scheint, die Herausforderungen für die Branche bleiben. Die anhaltende Schwäche der österreichischen Industrie und der gesamten Volkswirtschaft erhöhen die wirtschaftliche Unsicherheit, was für langfristige Investitionsentscheidungen grundsätzlich ungünstig ist. »Neben der allgemeinen Investitionszurückhaltung ist besonders im Bereich Industrie und Handel aufgrund der wirtschaftlichen Schwächephase mit einem Rückgang der Bauinvestitionen zu rechnen«, ist WIFO-Experte Klien überzeugt. Dazu kommen drohende Budgetkürzungen im Bund sowie die strukturellen Finanzierungsprobleme auf Gemeindeebene. Vor diesem Hintergrund ist es laut Klien mehr als unsicher, ob der Tiefbau weiterhin stimulierend für die Bauwirtschaft wirken kann. Laut Jägersberger wird es für viele Unternehmen um nichts anderes gehen als das Jahr wirtschaftlich zu überstehen und »über das Jahr hinweg genügend Auslastung mit kostendeckenden Preisen zu erlangen, um unter anderem das Stammpersonal in Beschäftigung zu halten«.
Marchner hofft, dass den Hausbau-Interessierten wieder Zuversicht vermittelt werden kann, dass Bauen bzw. Kaufen möglich ist. »Der Wunsch nach einer eigenen Immobilie ist ungebrochen«, so der Wienerberger-Chef. Im Objekt- und Hochbau gelte es, die steigenden Anforderungen an Nachhaltigkeit und CO₂-Reduktion zu erfüllen, um strengere gesetzliche Vorgaben und Kundenanforderungen zu bedienen.
Peter Krammer nimmt vor allem die Politik in die Pflicht. »Die nächste Bundesregierung trägt eine enorme Verantwortung, den Wohnungsbau zu forcieren.« Die Stagnation im Wohnbau mit der rapide sinkenden Anzahl von Baubewilligungen in den letzten Jahren, gekoppelt mit einer stetig wachsenden Bevölkerung führt zu einer Verknappung von Wohnraum und einer Verteuerung von Mieten. »Das alles ist nicht neu, wir alle wissen und spüren das«, sagt Krammer und verweist auf die langen Vorlaufzeiten am Bau. »Wohnungen die wir heute nicht bauen, fehlen in einigen Jahren. Die Effekte zeigen sich langfristig.« Zudem gefährde eine Stagnation im Wohnbau durch die enge Verzahnung der Bauwirtschaft mit anderen Wirtschaftszweigen und durch den enormen ROI, der durch Ausgaben in den Bau erzielt wird, die Gesamtwirtschaft und unzählige Arbeitsplätze auch in anderen Branchen, die über Lieferketten mit der Bauwirtschaft verknüpft sind.
Bild: »Die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung und ein eigenes Bautenministerium könnten echte Gamechanger sein«, sagt Peter Krammer, Swietelsky.
Noch kein Gamechanger
Für spürbare Erleichterung in der Branche hat das angekündigte Auslaufen der KIM-Verordnung Mitte 2025 gesorgt, die die Vergabe von Wohnkrediten deutlich erschwerte oder verunmöglichte. »Das Auslaufen der von Beginn an umstrittenen KIM-Verordnung ist überfällig, und nüchtern betrachtet erfolgt dieser Schritt mit Mitte des heurigen Jahres viel zu spät«, kritisiert Jägersberger. Der erhoffte Gamechanger für die Branche wird das Ende der Verordnung aber nicht sein. Der wäre laut den Branchenvertretern anderswo zu finden, etwa in der Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung oder einer Unterstützung der Gemeinden, wenn sie Baugrund für den sozialen Wohnbau günstig zur Verfügung stellen.
Ideen gibt es viele. Über allem steht der Wunsch der Branche nach einem eigenen Ministerium für die Bauwirtschaft. »Dort sollten alle Zuständigkeiten und Kompetenzen hinsichtlich Bauen, Wohnen und Infrastruktur angesiedelt sind, um zu einer Entbürokratisierung am Bau zu kommen und die Effizienzsteigerung zu fördern«, fordert Krammer, der in einer »starken Überregulierung am Bau sowie den komplizierten und langwierigen Genehmigungsverfahren« eine unglaubliche Belastung für die Branche sieht.