2024 war ein recht erfreuliches Börsenjahr. Doch wie geht es weiter? Ansprechende Renditen scheinen auch heuer möglich. Ob US-Aktien wieder groß abräumen, ist aber fraglich.
Die Wall Street ist in Feierlaune. Der S&P 500 Index legte schon das zweite Jahr in Folge deutlich über 20 % zu. Auch der MSCI World verzeichnete ein stattliches Plus. Was das kommende Börsenjahr anbelangt, zeigen sich die wenigsten Expert*innen pessimistisch. Lediglich in einer Frage scheiden sich die Geister: Während die einen weiterhin US-Aktien den Vorzug geben, setzen andere bereits auf die Aufholjagd europäischer und asiatischer Titel.
An einer Fortsetzung des US-Höhenflugs zu zweifeln, ist aus drei Gründen durchaus berechtigt. Die großen Tech-Werte – die Magnificent Seven – trugen im ersten Halbjahr 2024 noch 60 % des Indexanstiegs von S&P bei, in der zweiten Jahreshälfte lag dieser Anteil unter 25 %. Zudem machte Fed-Chef Jerome Powell deutlich, dass die US-Leitzinsen wohl weniger schnell sinken dürften als erhofft. Als weiterer Stimmungsdämpfer könnte ausgerechnet Donald Trump fungieren, der mit seinem Wahlsieg die Euphorie an den Börsen befeuert hat. Die Wirtschaft erwartet sich deutliche Impulse, unter anderem durch Steuersenkungen und Deregulierung. Strukturelle Veränderungen könnten auch Investitionen in Technologietrends beeinflussen – und nicht zuletzt mitentscheidend sein, ob Themen wie künstliche Intelligenz, Energie-Infrastruktur, Lieferketten oder Big Data an Stellenwert verlieren.
Im Sog des Aufwinds an den Börsen zogen vorerst die Kryptowährungen mit. Bitcoin übersprang erstmals die 100.000-Dollar-Marke. Auch hier konnte Trump mit vollmundigen Ankündigungen, wie einer strategischen Bitcoin-Reserve oder Handelserleichterungen, punkten.
Rückstand verkleinern
Bleiben diese Maßnahmen mittelfristig aus, könnte die Stimmung kippen. Die Fondsgesellschaft Edmond de Rothschild kommentiert bereits jetzt lapidar: »Die Bewertungen von Aktien und Anleihen in den USA sind nicht mehr attraktiv.« Insofern stehen die Chancen der europäischen Märkte, im Windschatten der Wirtschaftsmacht zu reüssieren, gar nicht schlecht. 2024 musste Europa die größte Underperformance zum S&P seit 30 Jahren hinnehmen. Dieser Abstand lässt sich nach Ansicht der Börsenfachleute nur teilweise durch eine höhere Profitabilität der US-Unternehmen rechtfertigen. Neben einem drohenden Handelskrieg gibt es aber für europäische Aktien mit der Konjunkturflaute, den hohen Energiepreisen und dem Krieg in der Ukraine noch eine ganze Reihe von belastenden Faktoren.
China rüstet sich indessen für die erwarteten Handelszölle. Ein umfangreiches Wirtschaftsprogramm soll die Konjunktur ankurbeln. Für viele Baustellen, wie die Immobilienkrise oder den schwachen privaten Konsum, gibt es aber noch keinen Plan. Überraschend gut schloss die Börse in Shanghai angesichts dieser Probleme mit einem Jahresplus von rund 15 % ab.
Aktiver Handelsplatz
Die Wiener Börse hat sich 2024 nach dem eher verhaltenen Vorjahr merklich besser entwickelt. Die Aktienumsätze erreichten mit 64 Milliarden Euro ein Plus von rund 17 % gegenüber 2023. Ausschlaggebend für diese Entwicklung waren außerordentlich hohe Umsätze im Immobilien-Sektor in den Monaten Juni bis September. Als umsatzstärkste Aktien stachen Erste Group Bank AG, OMV AG und CA Immobilien Anlagen AG heraus.
Der ATX Total Return (inklusive Dividenden) markierte im Jahresverlauf 2024 mehrere Höchstwerte und schloss mit einem Plus von 9,84 %. Nach Kursgewinnen waren BAWAG Group AG (65,69 %), Erste Group Bank AG (60,31 %) und Addiko Bank AG (41,57 %) die Top-Performer im ATX Prime. Gemessen an Anleihen-Neunotierungen bleibt die Wiener Börse einer der aktivsten Listing-Plätze Europas. Zu den prominenten Listings zählte der Green Bond der voestalpine AG mit einem Emissionsvolumen von 500 Millionen Euro.
Mit der Implementierung des Midpoint Handels und der ganztägigen Handelbarkeit der Bundesanleihen wurden wichtige strategische Initiativen im Interesse der Marktteilnehmer*innen umgesetzt. »Die Wiedereinführung der Behaltefrist für Wertpapiere bzw. Einführung eines Vorsorgedepots stand bereits auf der Agenda der letzten Regierung«, nutzte Christoph Boschan, CEO der Wiener Börse, die Präsentation der Jahresbilanz für einen Appell an die Politik: »Der Kapitalmarkt hält viele Lösungsansätze bereit für die gegenwärtigen Herausforderungen. Jetzt ist die Zeit, mutig zu handeln und die Basis für eine wettbewerbsfähige, innovative und wohlhabende Zukunft zu schaffen.«
Der heimische Markt kann nach wie vor mit drei gewichtigen Argumenten punkten: günstige Bewertung, solide Unternehmen, Technologieführerschaft in attraktiven Nischenmärkten. Mit der CEE-Region, wo ATX-Unternehmen traditionell stark verankert sind, als kräftiges Zugpferd, bieten sich gute Wachstumschancen. Wo sich Investments besonders lohnen, hat Report(+) bei Österreichs Top-Analysten nachgefragt.
Frage: Was bringt das Börsenjahr 2025? Mein persönlicher Anlagetipp
Nikolaus Juhász, Vorstandsvorsitzender, BKS Bank
Die Fußstapfen nach zwei Jahren mit hohen Renditen sind groß. Kurzfristig scheint eine gesunde Konsolidierung überfällig. Mögliche Korrekturen angesichts sinkender Zinsen und einer sich stabilisierenden Weltkonjunktur sollten jedoch als Kaufgelegenheiten gesehen werden. Auch gibt es Stimmen die dem europäischen Markt, entgegen der aktuell angespannten geopolitischen und wirtschaftlichen Lage, ein Comeback prognostizieren. Bei einer klugen Selektion und der Nutzung von Marktchancen bieten sich Anlegern daher weiterhin attraktive Möglichkeiten. Wobei Unternehmensanleihen eine interessante Option für all jene bleiben, die eine Mischung aus Rendite und Stabilität suchen. Rohstoffe bewerten wir als neutral. Niedrigere US-Zinsen könnten Gold als sichere Anlage weiterhin attraktiv halten.
Tipp: Diversifikation heißt weiterhin das Zauberwort. Ein Investment in ein breit aufgestelltes Anlageprodukt, unter Berücksichtigung der eigenen Risikoneigung, ist nie verkehrt.
Oliver Prinz, Leiter Investment Strategy, UniCredit Bank Austria
2025 werden die Auswirkungen der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus die Weltwirtschaft prägen. Trotz der vielen Unsicherheiten sind wir vorsichtig optimistisch für die Entwicklung auf den Finanzmärkten. Nachlassende Inflationsrisiken ermöglichen es den wichtigsten Zentralbanken, ihre Geldpolitik vor dem Hintergrund eines moderaten globalen Wirtschaftswachstums zu lockern. Ein verbessertes Gewinnwachstum ebnet den Weg für interessante Renditeaussichten bei globalen Aktien, und auch die weltweiten Anleiherenditen bewegen sich weiterhin auf einem interessanten Niveau, wenngleich Kapitalmarktinvestitionen immer mit entsprechenden Risiken verbunden sind.
Tipp: Besonders erstklassige festverzinsliche Wertpapiere könnten durch ihren Diversifizierungsvorteil und stabile Ertragsaussichten überzeugen.
Friedrich Mostböck, Head of Group Research, Erste Group Bank AZ
Insgesamt gehen wir für die Finanzmärkte mit Zuversicht in das neue Jahr. Aktienmärkte befinden sich auf oder nahe von Höchstständen, dennoch gibt es vor allem in den USA noch eine solide Konjunktur. Weiter rückläufige Zinsen (USA wie Eurozone) bleiben ebenfalls ein entscheidender Faktor. Somit gehen wir von einer moderat positiven Performance aus.
Risiken und Potenzial für Volatilität bleiben bestehen. In den USA tritt eine neue Regierung unter Trump an, in Frankreich und Deutschland müssen tragfähige Regierungen gebildet werden und globale Krisenherde warten auf eine Entspannung. Im Jahr 2025 sollten die Gewinne börsennotierter Unternehmen global stärker ansteigen als 2024. Die Konsensus-Erwartung geht von einem Gewinnwachstum von + 8,3 % aus, was als Basis mit einer angemessenen Bewertung globaler Aktien für eine weitere Entwicklung durchaus attraktiv erscheint.
Tipp: Ich empfehle unseren Erste Equity Research Fund, welcher sich ausgezeichnet entwickelt hat und nach unserer »Globalen Aktienliste« gemanagt wird. Der Vorteil: Der Fonds ist je nach Zyklus regional, sektoral wie länderweise diversifiziert. Es wird also in schwachen Wirtschaftsphasen oder Krisen in defensive, dividendenstarke Werte investiert, in einem Wirtschaftsaufschwung aber in zyklische Aktien – und zwar in 50 der weltweit aktuell attraktivsten Blue Chips.
Gunter Deuber, Head of Raiffeisen Research, Raiffeisen Bank International
Das Börsenjahr 2025 wird geprägt sein von Trump 2.0, von faktischen Inhalten und erratischen Ankündigungen. Es ist allen voran die nach wie vor solide laufende US-Konjunktur, welche die Aktienmärkte hochtreibt. Die angepeilte Senkung der Körperschaftssteuer von 21 % auf 15 % sollte in Kombination mit Deregulierungsmaßnahmen und dem anhaltenden KI-Schub die Gewinndynamik Corporate Americas weiter beschleunigen. Wir erwarten eine Verbreiterung der Marktentwicklung mit einem stärkeren Fokus auf das Value-Segment. Im Einklang damit sollten auch Unternehmen aus dem amerikanischen Small- und Mid-Cap-Bereich Rückenwind erhalten.
Für Europa gestaltet sich die Lage schwieriger. Nicht nur, dass die Wachstumsaussichten deutlich verhaltener sind, lässt das »America First«-Prinzip vermuten, dass das Headline-/Newsflow-Risiko für Europas Börsen zunimmt. Allerdings sollten auch die europäischen Aktienmärkte zulegen, einige europäische Großunternehmen machen ohnehin fast 20 bis 30 % ihres Umsatzes in Nordamerika und nochmals ähnliche Werte in Asien. Ein eher rascher EZB-Zinssenkungszyklus sollte dem europäischen Immobiliensektor in die Karten spielen. Im Fixed-Income-Bereich sehen wir mit dem deutlich vorgezeichneten Zinssenkungspfad Europa als attraktiver an. Stichwort Volatilität: Diese war in den letzten zwei Jahren bei Staatsanleihen teils höher als am Aktienmarkt und dies sollte anhalten.
Tipp: Eine auf die Überhitzung folgende Abschwächung der US-Wirtschaft könnte später im Jahresverlauf für eine gedämpfte Aktienmarktentwicklung sorgen, bei Einstiegsmöglichkeiten in Bezug auf Durationsrisiken und vielleicht sogar langlaufenden US-Treasuries nahe bei oder über fünf Prozent Rendite. Kurzfristige US-Anleihen sind schon jetzt attraktiv für EUR-Investoren.
Für den Outperformer des Jahres 2024, Bitcoin, ist der Wahlsieg Trumps und die rote Welle so ziemlich die beste Ausgangslage für 2025. Diverse Sentimentindikatoren deuten noch nicht auf eine Überhitzung des Bullenmarktes hin. Die tiefhängenden Früchte sind jedoch gepflückt: Eine Spekulation auf weitere BTC-Höchststände kommt einer Wette auf die Entschlossenheit der Trump-Administration gleich. Für risikoaversere Anleger bleibt der Goldmarkt 2025 weiterhin attraktiv.
Nils Kottke, Mitglied des Vorstandes, Bankhaus Spängler
Eine zentrale Frage an den Kapitalmärkten 2025 wird sein, wie viele seiner Wahlversprechen Donald Trump umsetzt und wie viel Unruhe er damit auslöst. An den Märkten dürfte es daher nicht so ruhig zugehen wie über lange Strecken im letzten Jahr. Die Zentralbanken dürften mit weiteren Zinssenkungen unterstützen, auch wenn die Erwartungen der Marktteilnehmer*innen dahingehend mittlerweile gedämpfter sind.
Tipp: Ich empfehle auch 2025 ein ausgewogenes Portfolio. Zum einen weisen viele Anleihen attraktive Renditen auf, zum anderen eignen sich Aktien für die langfristige Kapitalvermehrung. US-Aktien im Speziellen dürften kurzfristig von der neuen US-Politik profitieren.
Erich Stadlberger, Leiter Private Banking & Asset Management, Oberbank AG
Nach zwei sehr guten Börsenjahren sehen wir auch 2025 Potenziale. In den USA läuft die Konjunktur nach wie vor sehr gut und die neue Trump Administration ist jedenfalls stark auf Wirtschaftswachstum ausgerichtet. Große Transformationsprozesse, die gleichzeitig stattfinden, werden auch Chancen bringen. Die ökologische Transformation bleibt dynamisch, die technologische Transformation in Form weiterer Digitalisierungsschübe und KI läuft auf Hochtouren. Dies trifft alle Branchen und Unternehmen auf globaler Ebene.
Tipp: Eine breite globale Aufstellung mit einem Schwerpunkt in den USA an den Börsen. Wer noch langfristig attraktive Zinsen im Euro sucht, sollte sich diese jetzt sichern.