Die Experimentierphase in Sachen KI ist vorbei, meint Rüdiger Linhart, Berufsgruppensprecher IT der UBIT Wien in der Wirtschaftskammer. Er betont die Notwendigkeit des Aufbaus der fachlichen Kompetenz in Unternehmen auch aufgrund gesetzlicher Anforderungen.
Mit Februar treten bereits erste Maßnahmen des AI Acts in Kraft - so auch die Verpflichtung, eine entsprechende Kompetenz bei der Nutzung von KI vorzuweisen. Was kommt hier auf Österreichs Unternehmen zu?
Rüdiger Linhart: Ab Februar wird es für Unternehmen ernst, jetzt ist die Experimentierphase offiziell vorbei. Unternehmen, die KI betreiben oder benutzen, müssen ihre Mitarbeitenden schulen und Kompetenz in diesem Bereich nachweisen können. Ab August drohen bei Verstößen Sanktionen. Letzten Sommer haben noch weniger als 15 Prozent aller Unternehmen angegeben, Künstliche Intelligenz zu nutzen. Jetzt scheint das Thema bei vielen angekommen zu sein, aber nicht jedes Unternehmen ist sich der Verpflichtung bewusst. Aber wenn wir ehrlich sind, gibt es kaum Betriebe, die das Thema nicht betrifft. Spätestens mit ChatGPT hat KI ein Verbreitungsmoment erreicht, das globale Wirksamkeit entfaltet hat.
Österreichs Unternehmen müssen sich also nicht nur mit den regulatorischen Anforderungen auseinandersetzen, sondern auch sicherstellen, dass sie über die notwendige KI-Kompetenz verfügen. Es gibt ein großes Schulungsangebot, aber auch die Beratung durch IT-Spezialisten kann genutzt werden. Diese können dabei unterstützen, internes Know-how aufzubauen, aber auch Prozesse oder sogenannte KI-Richtlinien zu implementieren.
Wie wirken sich globale Entwicklungen auf Österreich oder Europa aus?
Linhart: Wir stehen ganz klar an einem Wendepunkt: Allein die USA investiert 500 Milliarden Dollar in KI-Entwicklung, Infrastruktur und Fachkräfte. Zuletzt hat die Einführung des chinesischem KI-Chatbots DeepSeek global große Wellen geschlagen und zu erheblichen Turbulenzen an den globalen Finanzmärkten geführt. Europa setzt auf abgestimmte Regeln und einheitliche Vorgehensweisen – das halte ich persönlich auch für wichtig und richtig. Es liegt jetzt an uns allen, Rahmenbedingungen zu gestalten und zu entscheiden, wie unsere Wirtschaft, auch unser Alltag in Zukunft aussehen sollen. Und dieses Feld dürfen wir nicht den USA und China alleine überlassen. Daher heißt es jetzt Kompetenzen aufbauen, forschen und fördern. Wer jetzt zögert, läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren – nicht nur im internationalen Wettbewerb, sondern auch am eigenen Markt.
Wie schätzen Sie das Risiko mangelnder KI-Kompetenz für Österreichs Unternehmen ein?
Linhart: KI bedeutet eine zunehmende Technologieabhängigkeit, daher ist Kompetenz in diesem Bereich wichtiger denn je. Künstliche Intelligenz wird künftig in nahezu allen Bereichen von Geschäftsprozessen, Kundeninteraktion und Entscheidungsfindung eine Rolle spielen. Das Risiko, das mit fehlender KI-Kompetenz oder zumindest einem nicht ausreichenden Bewusstsein dafür einhergeht, ist da und wächst. Das zeigt auch der aktuelle Allianz Risk Barometer. Auch heuer liegt das Risiko von Cyber-Attacken auf Platz eins. Mit zunehmendem Einsatz von KI gehe ich davon aus, dass dieses noch weiter ansteigen wird.
Ein Risikofaktor ist der Umgang mit sensiblen Daten. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie verstehen, wie KI-Modelle trainiert werden, welche Daten genutzt werden und wie sich dies auf den Datenschutz auswirkt. Ein falsch trainiertes KI-System kann nicht nur zu wirtschaftlichen Verlusten führen, sondern auch zu Datenschutzverletzungen. Auch von KI-Modellen erfundene oder fehlerhafte Informationen können problematisch sein, wenn Unternehmen darauf basierend Entscheidungen treffen.
Ab August kommen zusätzlich Sanktionen ins Spiel – das heißt, fehlendes Know-how wird nicht nur wirtschaftlich zum Risiko, sondern auch regulatorisch zum Problem. Wie hieß es schon im römischen Recht: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Fehlende Schulungen könnten beispielsweise als Verletzung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht gemäß § 1313a ABGB gewertet werden, was zu Haftungsansprüchen führen kann. Bei der Nutzung verbotener KI-Systeme wird aktuell sogar von Strafen bis zu 35 Millionen Euro oder bis zu sieben Prozent des weltweiten Vorjahresumsatzes gesprochen.
Welchen Handlungsbedarf gibt es von politischer Seite?
Linhart: Die neue Bundesregierung muss das Thema Künstliche Intelligenz sehr weit oben auf ihre To Do-Liste schreiben. Denn kaum ein Thema wirkt so sehr in alle Wirtschafts- und Lebensbereiche hinein, wie dieses. Neben regulatorischen Vorgaben braucht es auch gezielte Förderungen für Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich. Denn hier geht es um unsere Fachkräfte der Zukunft und damit um den Wirtschaftsstandort an sich. Unternehmen müssen die Möglichkeit haben, ihre Mitarbeiter schnell und praxisnah zu qualifizieren. Denn KI ist längst kein nerdiges Nice-to-have-Feature mehr oder ein kurzfristiger Hype – sie entscheidet über unsere wirtschaftliche Zukunft.