Mittwoch, Juli 17, 2024
Qualplakat
Foto: Thinkstock

Auch dieses Jahr lässt Plakatkunst altbekannter – und neuer – Künstler Österreich zur Freiluftbühne für avancierte Gegenwartskunst werden. Ein Rundgang von Rainer Sigl.

Landauf, landab stellen wieder Gegenwartskünstler auf unzähligen Plakatwänden ihre Werke großflächig zur Schau. Nach der letztjährigen, überraschend zur Ganzjahresschau ausgedehnten Kunstaktion »bpw16« hatten Skeptiker schon Bedenken zur Sprache gebracht, dass heuer kein großes Festival avancierter öffentlicher Kunst auf dem Kalender stehen sollte, doch es kam zum Glück anders. Die Ausstellungsdauer ist auch diesmal wieder beeindruckend: Seit Frühsommer zieren die Kunstwerke bereits den öffentlichen Raum und konnten so das Menetekel eines langweiligen, plakatfreien Sommers mit beeindruckender Macht gerade noch abwehren.

Bei den größeren Ausstellern fällt vor allem eine Künstlergruppe auf: Verschwunden ist der seit Jahren auftretende Künstlerbund ÖVP, stattdessen hat sich das Kollektiv heuer dazu entschlossen, unter neuem Pseudonym an die Öffentlichkeit zu treten. Passend dazu das neue Sujet: ein bartloser Jüngling, sphinxenhaft und adonesk zugleich, eine Abkehr von den anspruchsvolleren Themen, hin zur Feier der Oberfläche und des Neubeginns, dem bekanntlich immer ein Zauber innewohnt. »Zeit für Neues« »Es ist Zeit« – so glatt und doch subtil erinnern die Künstler in ihren Werken wohl auch daran, dass Unschuld und Unverbrauchtheit stets mit einem Mangel an Tiefe einhergehen. Eine hintergründige Volte aufs Vanitas-Motiv, ein Memento mori der eigenen Geschichte? Man weiß es nicht.

Klassisch an große politische Ikonen wie Uncle Sam angelegt hingegen die Gruppe SPÖ: Ein Mann mittleren Alters, ein halbes Lächeln, stechender Blick,umgeben von Menschen, den Zeigefinger drohend auf den Betrachter gerichtet, ein provokanter, mehrdeutiger Slogan: Sofort erkennt man den Verweis auf Fürstendarstellungen der Renaissance und des Barock, gebrochen von postmodernem Ringen nach Orientierung.

Eine seltsame Phase ihres Oeuvres hat hingegen offensichtlich die Künstlerburschenschaft FPÖ erreicht: Dasselbe altbekannte, diesmal auffallend mit Photoshop verfremdete Sujet, doch nirgends der altbekannte Wortwitz, kein dadaesker Reim, zurückhaltende grafische Gestaltung, die von der vom Frühwerk bekannten Anlehnung an naive Kunst fast gänzlich abgeht. Man vermeint, eine Sinnkrise zu spüren, das Abhandenkommen altbewährter Themen, ohne zugleich eine neue Vision schon gefunden zu haben – ein Spätwerk, das ratlos macht.

Die kleineren Aussteller setzen, wie die bekannten Herausforderer der grünen Künstlerbasisgruppe, auf altbekannten, etwas laschen Symbolismus – Kinder, Tiere, kaputte Regenschirme –, die Gruppe offen kommerzieller Kunstmarktbelieferer NEOS hingegen lässt den Betrachter dank Spiegelschrift die Horrorvision erleben, im Allibert manisch grinsende Fremde zu erblicken – Shock Art at its best.

Im Oktober sind wir wieder aufgefordert, beim Voting unsere Stimme zur Wahl des überzeugendsten Beitrags abzugeben. Beeindruckend, dass sich der Kunststaat Österreich auch dieses Jahr wieder sein Bekenntnis zur schönen Muse etwas kosten lässt.

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