Standorte stärken und mit neuen Technologien durchstarten, trotz getrübter Wirtschaftslage: Was für eine antizyklische Strategie spricht und in welchen Zukunftsfeldern sich Investitionen lohnen.
Dem aktuellen WKÖ-Wirtschaftsbarometer zufolge wollen lediglich zwölf Prozent der befragten Unternehmer*innen ihre Investitionsvolumina in den nächsten zwölf Monaten anheben, rund die Hälfte sieht keine Veränderung. Bei jenen Unternehmen, die investieren möchten, dominieren mit 51 Prozent Ersatzinvestitionen, die lediglich der Erhaltung der betrieblichen Leistungsfähigkeit dienen – also etwa dem Austausch einer defekten Maschine oder eines alten Fahrzeugs. Immer weniger Unternehmen planen Neuinvestitionen, die jedoch wesentlich für die künftige Wettbewerbsfähigkeit und die Sicherung der Arbeitsplätze wären: Nur noch rund ein Viertel hat solche auf der Agenda, um 23 Prozentpunkte weniger als vor den Krisen im Sommer 2019. Der Anteil jener Betriebe, die überhaupt keine Investitionen planen, fällt mit 26 Prozent ebenso hoch aus. Vor allem kleine Unternehmen stehen auf der Investitionsbremse – 40 Prozent werden in den nächsten Monaten nicht investieren.
Österreich wird damit heuer in der EU zum Schlusslicht bei der Investitionsentwicklung. In keinem anderen Mitgliedsstaat verschlechterte sich die Investitionstätigkeit 2024 wie hierzulande. Während die Bruttoanlageinvestitionen im EU-Durchschnitt um 0,3 Prozent steigen (Spitzenreiter: Rumänien mit plus 6,8 %), sinken sie in Österreich um 2,2 Prozent.
Ein Grund für die in der gesamten EU eher gedämpften Investitionstätigkeiten sind die gestiegenen Kreditzinsen, wovon aber alle Länder der Eurozone in ähnlichem Ausmaß betroffen sind. In Österreich kommt noch die immense Auftragsschwäche in der Industrie dazu – Anzeichen für positive Konjunkturimpulse lassen weiter auf sich warten.
Der starke Anstieg der Lohnstückkosten sowie die überdurchschnittlichen Energiepreise in Österreich belasten die Wachstumsperspektive und Investitionsfreude der Unternehmen. Investitionen, die heute nicht getätigt werden, könnten sich jedoch in naher Zukunft als Wettbewerbsnachteile auswirken. Insbesondere stehen umfassende Aufgaben wie die digitale Transformation und die grüne Wende an, die erhebliche finanzielle Mittel erfordern.
Vieles richtig gemacht
Etliche Unternehmen haben dennoch ihre Vorhaben zur Gänze ad acta gelegt oder machen deren Umsetzung von der Geschäftsentwicklung der kommenden Monate abhängig. Das überrascht auf den ersten Blick, denn laut »Austrian Business Check« des KSV1870 stehen die österreichischen Betriebe grundsätzlich gut da: 42 Prozent der Unternehmen sehen seit 2021 eine positive Entwicklung ihres Eigenkapitals, bei weiteren 37 Prozent blieb die Situation konstant. »Viele Unternehmen haben zuletzt vieles richtig gemacht. Angesichts der steten Implosionsgefahr aufgrund zahlreicher externer Gefahren ist das keine Selbstverständlichkeit und zeugt von einer bestehenden Widerstandsfähigkeit«, erklärt Gerhard Wagner, Geschäftsführer der KSV1870 Information GmbH.
Die wirtschaftliche Ungewissheit wirkt sich auch auf den heimischen Kreditmarkt aus. Bereits seit zwei Jahren sinkt die Nachfrage nach Unternehmenskrediten laut Oesterreichischer Nationalbank (OeNB) kontinuierlich. Die Risikoeinschätzung der Banken hinsichtlich der allgemeinen Wirtschaftslage und der Kreditwürdigkeit der Unternehmen hat sich 2024 nach und nach verschlechtert. Die Banken haben ihre Angebotspolitik für Unternehmenskredite seit dem zweiten Quartal 2022 umfassend verschärft. Das zeigt sich auch bei den abgelehnten Kreditanträgen; bei kleinen und mittleren Unternehmen stieg die Ablehnungsrate zudem stärker als bei großen Unternehmen.
Vor zwei Jahren stuften in der KSV1870-Umfrage 52 Prozent der Befragten die Kreditaufnahme als »sehr schwierig« bzw. »schwierig« ein, heuer waren es bereits 66 Prozent. Wachstumsimpulse für die österreichische Wirtschaft aus der unternehmerischen Investitionstätigkeit fehlen somit – das spiegelt sich auch in den Prognosen der OeNB und der Wirtschaftsforschungsinstitute wider.
Sofort durchstarten können
Großteils erfolgen Investitionen von Unternehmen anlassbezogen. Stehen ein neues Projekt oder eine Akquisition bevor, entscheiden Kreditinstitute über deren Finanzierung auf Basis des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres und der mittelfristigen Planung. Ein negativer Trend, Umsatzwachstum ohne entsprechendes Rentabilitätswachstum oder Neuinvestitionen mit schwierigen Anlaufzeiten reduzieren die Bonität und verteuern die Finanzierung. Am günstigsten ist die Kapitalaufnahme immer dann, wenn die Mittel nicht sofort benötigt werden.
Deshalb empfehlen Expert*innen, antizyklisch zu investieren, um sofort durchstarten zu können, wenn die Konjunktur wieder anzieht. Besonders lohnt sich das in den Bereichen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Für die grüne und digitale Transformation stellen die Bundesregierung und die Bundesländer Förderungen und geförderte Finanzierungslösungen zur Verfügung, die eine Umsetzung der Maßnahmen erleichtern – insbesondere wenn die Aussicht auf einen Bankkredit getrübt ist.
Aber auch die Banken differenzieren ihre Konditionen zunehmend nach Nachhaltigkeitskriterien: Unternehmen, die in hohem Maß zum Klimawandel beitragen, müssen mit ungünstigeren Kreditbedingungen rechnen, während Unternehmen für »grüne« Investitionen mit besseren Konditionen belohnt werden.
Obwohl die eigenen Geschäfte derzeit meist noch recht gut laufen, zeigt sich ein großer Teil der Unternehmen hinsichtlich einer gesamtwirtschaftlichen Erholung inzwischen wenig optimistisch. Füllen sich die Auftragsbücher für das kommende Jahr nicht zusehends, wird auch die Bereitschaft für zusätzliche Ausgaben gering bleiben. »Das sind keine guten Vorzeichen. Wirtschaftlicher Aufschwung ist nur durch spürbaren Investitionswillen möglich. Fehlt dieser, bleibt nur der wenig zufriedenstellende Status quo erhalten«, nimmt Harald Breit, CEO von Deloitte Österreich, die künftige Regierung in die Pflicht. »Genau hier muss die Politik ansetzen und ein Umfeld schaffen, das Investitionswillen und Risikobereitschaft begünstigt. Vor allem die Aussicht auf monatelange Koalitionsverhandlungen und damit wirtschaftspolitischen Stillstand bereiten den Wirtschaftstreibenden allerdings Sorgenfalten.«
Nachgefragt: »Die europäische Industrie befindet sich auf Talfahrt«
Sparen oder investieren? Für Andreas Mörk, Geschäftsführer der Bundessparte Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich, steht die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auf dem Spiel.
Die Investitionstätigkeit der österreichischen Unternehmen geht deutlich zurück. Was sind die Gründe dafür?
Andreas Mörk: Ein aktuelles Meinungsbild von ca. 130 Mitgliedsunternehmen des Fachverbandes Metalltechnische Industrie (FMTI) zeigt: Jedes zweite befragte Unternehmen gibt an, dass es konkrete Pläne oder Überlegungen zu Standortverlagerungen gibt bzw. diese bereits durchgeführt wurden. Diese Produktionsverlagerungen bedeuten leider sowohl Arbeitsplätze, die dadurch in Österreich verloren gehen, wie auch Investitionen, die nicht hierzulande sondern anderswo getätigt werden.
Was bedeutet das für die internationale Wettbewerbsfähigkeit?
Mörk: Der massive Nachfragerückgang nach Industrieerzeugnissen, stark gesunkene Verkaufspreise und andere negative Faktoren (zu hohe Kosten, überschießende Auflagen) treffen den produzierenden Bereich in Österreich genauso wie etwa in Deutschland und Italien besonders hart. Sie schicken die europäische Industrie auf Talfahrt. Werden standortpolitische Hausaufgaben nicht erledigt, dann wird die Deindustrialisierung vom politischen Schlagwort zur bitteren Realität. Die Notwendigkeiten liegen auf dem Tisch.
Muss die künftige Regierung angesichts der Staatsverschuldung auch bei öffentlichen Investitionen sparen oder ist jetzt der falsche Zeitpunkt dafür?
Mörk: Der Investitionsfreibetrag in Österreich, der zehn Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten für nach dem 31. Dezember 2022 angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter beträgt, bringt für den öffentlichen Haushalt einen hohen Return on Invest. Das gilt auch für die Forschungsförderung. Genauso kurz wie klar: Von Einsparungen in diesen Bereichen ist daher abzuraten. Es wird allerdings durchaus Bereiche der öffentlichen Verwaltung geben, wo man effizienter finanzieren kann als bisher.
Trends: KI, KI und noch mehr KI
Fünf Schlüsseltechnologien werden im kommenden Jahr einen neuen Reifegrad erreichen – alle angetrieben vom Überthema Künstliche Intelligenz. Weltweit richten Führungskräfte und Risikokapitalgeber laut einer Capgemini-Umfrage, die auf der Fachmesse CES im Jänner 2025 präsentiert wird, darauf ihren Fokus. Die Entwicklungen in praktisch allen Wirtschaftssparten sind davon betroffen, wie Martina Sennebogen, Vorstandsvorsitzende bei Capgemini Österreich, betont: »2025 werden KI und generative KI einen großen Einfluss auf die Agenden der Unternehmen und auch auf viele angrenzende Technologiebereiche wie Robotik, Lieferketten oder den Energiemix von morgen haben.«
1. Generative KI
KI-Systeme entwickeln sich von Copiloten für isolierte Aufgaben zu spezialisierten, vernetzten Agenten. Dank der zunehmenden Fähigkeiten des logischen Denkens in GenKI-Modellen arbeiten diese autonomer und liefern zuverlässigere, evidenzbasierte Ergebnisse. Sie werden zum Beispiel in der Lage sein, Aufgaben wie Lieferketten und vorausschauende Wartung ohne ständige menschliche Aufsicht zu bewältigen. Der nächste Schritt ist die Entwicklung eines Superagenten, der mehrere KI-Systeme koordiniert und ihre Interaktionen auch in unvorhergesehenen Situationen optimiert. Diese Fortschritte schaffen ein neues Niveau an Komplexität und Genauigkeit.
2. Cybersicherheit
KI-gestützte Cyberangriffe werden immer ausgefeilter, KI ermöglicht aber auch fortschrittlichere Abwehrmechanismen. Erneut werden vermehrt Investitionen in die Endpunkt- und Netzwerksicherheit sowie in die KI-gestützte Bedrohungserkennung getätigt. Mit Blick in die Zukunft beschäftigen sich Unternehmen bereits mit verbesserten Verschlüsselungsalgorithmen, insbesondere der Post-Quanten-Kryptographie, um Schutz vor der nächsten erwarteten Störung zu erlangen: der Bedrohung durch Quantencomputer.
3. Robotik
War die Robotik früher von fest programmierten, aufgabenspezifischen Maschinen dominiert, treibt heute GenKI die Entwicklung autonom agierender Roboter voran, die sich an verschiedene Szenarien anpassen und kontinuierlich von ihrer Umgebung lernen können. Fortschritte in der Verarbeitung natürlicher Sprache und der maschinellen Bildverarbeitung ermöglicht Robotern, komplexere Aufgaben zu übernehmen. KI-gesteuerte Roboter werden zu Schlüsselkomponenten intelligenter, vernetzter Systeme, die industrielle Prozesse neu definieren.
4. Atomenergie
Angetrieben durch den enormen Energiebedarf von KI und anderen energieintensiven Technologien rückt das Thema Nuklearenergie auf der Agenda weiter nach oben. Small Modular Reactors (SMR) sollen saubere, zuverlässige und kontrollierbare Energie liefern, bei deren Produktion deutlich weniger Atommüll als bei Leichtwasserreaktoren anfällt. Umfangreiche Investitionen in die Reaktortechnologie beschleunigen diese Innovation.
5. Lieferketten
Schlüsseltechnologien wie KI, Daten, Blockchain, IoT und die Konnektivität mit terrestrischen Satellitennetzen spielen bereits eine strategische Rolle bei der Verbesserung der Kosteneffizienz, Widerstandsfähigkeit, Agilität, Zirkularität und Nachhaltigkeit von Lieferketten. Für Unternehmen ist dies von entscheidender Bedeutung, um ihre gesamten Lieferketten weltweit kontrollieren zu können. Neue Regularien wie der digitale Produktpass der EU werden Unternehmen dazu verpflichten, den ökologischen Fußabdruck ihrer Produkte zu verfolgen und offenzulegen.