Seit der hippe Bundeskanzler als Pizzabote unterwegs war, muss klar sein: Die Politik braucht mehr Bodenkontakt. Ein Aufruf von Rainer Sigl.
Da steht sie, die hehre Göttin Athene, und blickt vom Olymp des Wiener Parlaments herab auf das niedere Volk, das sich, Würmern gleich, zu ihren Füßen kräuselt – na? Sehen Sie’s? Das schiefe Bild? Exakt: Viel zu lange haben sich die Vertreter österreichischer Spitzenpolitik in die ach so lichten Höhen ihrer eigenen, abgehobenen Sphären zurückgezogen und ganz darauf vergessen, wer hier der Souverän in dieser Republik ist, nämlich: ich.
Also, ich und alle anderen auch. Ja, das Volk ist viel zu lang ignoriert worden von einer Polit-Elite, die oft genug nicht einmal gewusst hat, wie viele hundert Euro man jetzt genau beim Billa für eine Wurstsemmel liegen lassen muss. Kein Wunder, dass das vergrämte Wahlvolk, rechtschaffen aufgehetzt von Boulevard und Facebook, politikverdrossen ist – da nützen auch noch so viele Inserate nix! Insofern ist der jüngste Auftritt der Bundeskanzlers als Pizzabote das richtige Signal an die Bevölkerung: In Zeiten wie diesen – immer zuerst durch den Spion schauen, wenn’s läutet!
Aber Spaß beiseite: Es würde auch den anderen Herren und Damen aus der höchsten Politriege gut zu Gesicht stehen, wenn sie in ihrer üppig bemessenen Freizeit ein wenig näher ans stimmberechtigte Volk heranrücken würden. Wie schön wäre es etwa, wenn sich auch in anderen alltäglichen Situationen hohe Würdenträger der Republik dazu herablassen könnten, Aug in Aug mit dem kleinen Mann von der Straße zu kommunizieren, statt nur über dessen Kopf hinweg alles Mögliche zu entscheiden?
Wäre es, zum Beispiel, zu viel verlangt, dem Bundespräsidenten ein oder zwei Abende in der Woche zu verordnen, an denen er mitternachts volksnah jungen Staatsbürgern vor diversen Tanztempeln eine Tschick schnorren könnte? Würde dem Innenminister ein Zacken aus der Krone brechen, wenn er hin und wieder höchstpersönlich im Nachtbus besoffene Russentouristen auf ihre Papiere kontrollieren würde? Könnte der jugendliche Außenminister nicht als staatliche Uber-Konkurrenz das gute, alte Geilomobil wieder auspacken und samstagnachts irgendwo an der Mur-Mürz-Furche im Discotaxi Gel-Stylingtipps verteilen? Oder wie wärs, wenn der Chef der größten Oppositionspartei in einem beliebigen Coiffeurstudio beim Strähnchenfärben auch endlich einmal der lange vernachlässigten Frauenwelt dieses Landes seine Ideen näherbrächte? Wer gegen Bierzeltatmosphäre anbrüllen kann, braucht sich vor Trockenhaubenlärm auch nicht zu fürchten!
Genau dieser persönliche Kontakt könnte viel dazu beitragen, das empfindlich vergiftete Klima zwischen der hohen Politik und dem normalen Volk zu entspannen. Von Auftritten in der Gastronomie, wo Gabeln, Messer und ähnliche Stichwaffen direkt zur Hand sind, sei allerdings abgeraten. Polit-Profis wissen: Das gemeine Volk heißt nicht ohne Grund so.