Freitag, Juli 19, 2024

Die elektrisierenden Themen der Branche, Kommentare und Berichterstattung des Report in den vergangenen Jahren – in ­einem pulsierenden Energiemarkt in Österreich.

1996: Start der Öffnung

Das erste Liberalisierungspaket bringt eine teilweise Strommarktöffnung für große Kunden in mehreren Stufen. Österreich prescht mit dem Öffnen des Netzzugangs sogar vor. Haushalten und Kleinkunden bleibt das Recht auf freie Lieferantenwahl vorerst aber verwehrt.


2000: Revolution gefordert

Allgemein wird erwartet, dass mit der Vollliberalisierung des Strommarktes Marktverschiebungen gewaltiger Dimensionen eintreten werden. Es ist die Zeit der purzelnden Preise bei Industriekunden, Nachlässe von 30 bis 40 Prozent gelten als üblich.

Doch nicht bloß Gewerbekunden profitierten vom ersten Liberalisierungslüfterl. Diverse Consulter treten auf den Plan, um der politisch erstarrten und satten heimischen Stromwirtschaft auf die Sprünge zu helfen. Sie fordern eine »Kulturrevolution« Richtung Dienstleistung, der sich die Versorger nun unterziehen sollen. Sie raten zu professionellem Beschaffungs- und Kostenmanagement, zur Bildung von Allianzen, gezielter Marken-, Vertriebs-, und Produktionspolitik. Die Energieversorger buchen verunsichert Nachhilfe und versuchen, ihre Produkte nach dem Beispiel der Telekommunikation »hip« zu gestalten. Eine österreichische Stromlösung soll mittels Zusammenschlüssen am Markt die Macht der EVU gegenüber ausländischen Konkurrenten absichern. Sie wird über viele Jahre verhandelt, aber nicht umgesetzt.


1/2000: Kommentar im »Energie Report«

»Wolfgang Schüssel hat seine Partei im Griff. Außer, wenn es um die Zukunft der österreichischen Energiewirtschaft geht. Da streiten die Landes-EVU jahrelang um Fusion oder Nicht-Fusion – mit kaum noch nachvollziehbaren Argumenten. Statt der fälligen Ordnungsrufe bekommen sie Schützenhilfe von ihren Eigentümervertretern, den Landeshauptleuten. Die Bundesregierung wolle die Fusion, sagt Wirtschaftsminister Bartenstein. Einige der Landeshäuptlinge wollen sie nicht. Was Wolfgang Schüssel, Bundeskanzler und Obmann der ÖVP, die in sieben von neun Bundesländern regiert, will, ist die Frage. Hat er seine Partei im Griff, sollte ein Machtwort im Sinne des Regierungswillens kein Problem sein. Gefragt wäre es längst. Denn Etliches steht energiepolitisch an in den kommenden Jahren, allem voran die Gasmarktöffnung. Von einer großen österreichischen Gaslösung wird allethalben gemunkelt, zu sehen ist aber nichts. Natürlich sind die Manager von Ruhrgas Austria, ­Bayernwerk und EnBW Austria keine Menschenfresser. Sie wissen nur, was sie zu tun haben: ihre Unternehmen zum Erfolg führen und deren Zukunft sichern. Und sie wissen eines: Wenn sie das auch nur kurz aus dem Blick lassen, sind sie ihre Jobs los.«


2/2000: »Liberalisierung geht zu rasch«

Der damals leitende Sekretär der Metallergewerkschaft Manfred Anderle im Gespräch mit dem Report: »Wir haben in den letzten Jahren im Bereich der Energieversorger 25 Prozent der Arbeitsplätze verloren, ein Ende ist nicht in Sicht. Der natürliche Abgang ist momentan erschöpft, trotzdem versuchen die Unternehmen, weitere Jobs abzubauen. Das Hauptproblem im Sektor der Energieversorgung ist natürlich die Uneinigkeit unter den Unternehmen. Politik und Vorstände sind nicht in der Lage, den kleinen österreichischen Markt so zu fusionieren, dass man einen einheitlichen österreichischen Energiekonzern erhalten kann. Jeder glaubt, er sei der Bessere und könne den anderen schlucken oder übervorteilen. Deshalb ist die Energie Austria gescheitert. Die Frage ist, wie es weitergehen wird. Wir sehen ein entscheidendes Problem nach dem Scheitern der Fusion: Unsere Unternehmungen werden zu Übernahmekandidaten. Die ausländischen Unternehmen steigen in den interessanten österreichischen Markt ein. Dann geht die Personalreduktion noch drastischer vor sich, weil die dann das eine oder andere Unternehmen zusperren. Heißt das, die Liberalisierung geht für die Gewerkschaft zu rasch? Ja. Aber es wäre sinnlos, in Österreich langsamer vorzugehen. Denn der Takt in dieser Frage wird in Brüssel vorgegeben.«


2/2000: Österreich neu vernetzen

»Während im Westen die ETSO um einen einheitlichen Stromtransit-Tarif hadert und sich im Osten die CENTREL-Staaten auf den formellen Eintritt ins europäische Netz freuen, wird auch in Österreich am Stromnetz der Zukunft geknüpft. Ausbauprojekte im Umfang von immerhin vier Milliarden Schilling stehen allein in der Regelzone Ostösterreich an.

Vor allem zwei Vorhaben gelten als notwendig, um den österreichischen 380-kV-Leitungsring fertig zu stellen. Da ist einmal die Verbindung vom oberösterreichischen St. Peter zum Umspannwerk Tauern. Gravierende Hindernisse, etwa in Form von Volksaufständen, gab es bisher nicht. Anders beim zweiten Projekt, der 380-kV-Leitung vom Umspannwerk Südburgenland ins steirische Kainachtal. Bereits seit 15 Jahren ist die starkstromwegerechtliche Vorprüfung im Gang. In den Jahren 1986 bis 1988 führte das Wirtschaftsministerium mehrere Trassengenehmigungsverfahren durch, einen rechtsgültigen Bescheid gibt es bis heute nicht. Vor vier Jahren bescheinigte ein Gutachten des Instituts für Sozialmedizin der Uni Wien auch die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Projekts. Bisheriges Resultat der Bemühungen aus Sicht des Verbundes: Nüsse. Bis heute wurde kein einziger Baum gefällt, kein Leitungsmast errichtet.«


2001: Forschritt in der Liberalisierung

Die Regulierungsbehörde E-Control nimmt ihre Arbeit auf. Sie überwacht die Funktion des Marktes sowie Wettbewerbs- und Netzbereiche der Unternehmen der E-Wirtschaft. Die vollständige Liberalisierung des österreichischen Elektrizitätsmarktes ermöglicht jetzt allen Stromkunden die freie Wahl ihres Lieferanten. Mit dem zweiten Liberalisierungspaket wird auch die Entflechtung der Erzeugungs- und Kundenseite vom Netzteil bei den Energieversorgungsunternehmen vorangetrieben.


2/2001: »Kein Windradel auf dem Rathausplatz«

Wiens damaliger Finanzstadtrat Sepp Rieder: »Ich bin ein Befürworter der österreichischen Lösung. Die Ressourcen des Verbund mit dem Kundenstock der Wienstrom etwa zu verbinden, hätte Charme und gäbe ein geschlossenes Bild, was die Konkurrenzfähigkeit betrifft. Ich bedaure es, wenn die reelle Chance zu einer geschlossenen österreichischen Lösung vertan wird. Der Verbund zeichnet sich durch attraktive Angebote an Energie aus, Wasserspeicher und Laufkraftwerke etwa.

Er verfügt aber über keinen Kundenstock. Burgenland hat etwa fast nur ein Netz, Wien beides. Diese Elemente könnten sich gut ergänzen. Es ist immer attraktiv, eine gemeinsame Lösung zu erreichen.« Sepp Rieder zum Thema Ökostrom: »Persönlich habe ich sehr hohe Sympathien für Kleinwasserkraftwerke. Sie haben in vielen Teilen Österreichs nicht nur eine historische Bedeutung, sondern auch eine ökonomische und ökologische. Für die Großstadt Wien passen sie aber nicht. Doch funktioniert Ökostrom nur mit bewusst gesetzten Förderungsmaßnahmen. Sollen wir uns ein Windradel auf den Rathausplatz stellen, als Ganzjahres-Christbaum? Wir leben in der Großstadt, in dicht verbautem Gebiet. Ich möchte es aber nicht schlechtmachen. Auch hier würden österreichweite Strukturen vieles erleichtern – nicht aber, wenn jeder in seinem Claim sitzt und diesen verteidigt.«


5/2004: Umstrittene Reserven

Angesichts der ungewöhnlich hohen Preise – Opec-Öl notiert mit 32,50 US-Dollar pro Barrel – macht sich bei manchen Beobachtern einmal mehr Untergangsstimmung breit. Endgültig gekommen sei es nun, das Ende des billigen Öls. Oswald Brockerhoff, damaliger Chef von Shell Österreich, betont: »Alle wissen, es gibt auf absehbare Zeit Öl genug, auch wenn natürlich niemand sagen kann, wieviel tatsächlich vorhanden ist.« Für die nächsten Jahre rechnet Shell mit einem durchschnittlichen Preisniveau, das sich nicht wesentlich von den 32 Dollar unterscheidet. Keine Rede könne von 100 Dollar pro Barrel sein, realistisch seien 23 bis 27 Dollar. »Was im Falle von Naturkatastrophen oder Kriegen geschieht, können wir natürlich nicht sagen.«


11/2007 : Politik ohne Energie

Russland wird den Energiehunger Europas nicht stillen können. Die Alternativen dazu sind politisch sensibel, wirtschaftlich riskant und würden nach starker Politik verlangen. Europas Performance ist jedoch dürftig, so die Experten Karin Kneissl und Gerhard Mangott bei einem EAA-Energie-Talk. »Das politische Projekt Nabucco ist tot, das wirtschaftliche Projekt wäre machbar, wenn die Gazprom mitmacht«, meint der Uni-Professor und Russland-Experte Gerhard Mangott im Rahmen einer Podiumsdiskussion. Seiner Ansicht nach führe die Nabucco-Pipeline nicht weg von russischem Gas, sondern hin zu iranischem Erdgas. »Wir sollten alles tun, um Blockaden zu vermeiden«, warnt Mangott vor einer weiteren Isolation des Iran. Iranisches Erdgas sei eine Alternative für Europa. »Wir sollten dort intensiv investieren«, meint er.


6/2009: Energiewirtschaft braucht Partner

»Auch wenn es noch einige Jahre dauern wird, bis sich Elektromobilität zu einem Massenmarkt entwickelt, sollten Energieunternehmen bereits jetzt die Partner an sich binden, mit denen sie in Zukunft nachhaltig den Markt gestalten können«, meint Martin Handschuh von A.T. Kearney. Das Beratungsunternehmen hat Auswirkungen und Chancen der Elektromobilität für die Energiewirtschaft untersucht. Ab 2011, wenn die ersten Elektroautos in Europa in größerer Breite vermarktet und durch Subventionen verstärkt in den Markt gebracht werden, könnte der Mehrabsatz durch den steigenden Strombedarf und kerngeschäftsnahe Angebote wie den Ausbau der Ladeinfrastruktur im Jahr 2020 Umsatzpotenziale von etwa fünf Milliarden Euro ermöglichen. Durch die Ausdehnung der Geschäftsaktivitäten über das klassische Kerngeschäft hinaus, beispielsweise auf Batterieleasing, könnten Energieversorger weitere Umsatzpotenziale von etwa zwölf Milliarden Euro erschließen. »In einem mittleren Szenario gehen wir davon aus, dass bis 2020 rund 10 Prozent der neu verkauften Fahrzeuge Elektroautos und Plug-In-Hybride sein werden. Bis dahin werden rund acht Millionen Elektrofahrzeuge und Plug-In-Hybride auf Europas Straßen unterwegs sein«, sagt Co-Autor Stephan Krubasik.


1/2010: Strom mit Hirn

Noch sind gar nicht alle Möglichkeiten der Smart Grids abzuschätzen, heißt es im Report(+)Plus im Jahr 2010. Wohlklingende Zukunftsmusik ist beispielsweise die Integration von Elektrofahrzeugen in die »behirnten« Netze: »Da jedes Auto durchschnittlich 23 Stunden pro Tag unbenutzt steht, könnten die Batterien als variabler Stromspeicher genutzt werden. Das macht freilich erst dann Sinn, wenn wirklich hunderttausende Elektrofahrzeuge die neue Ära des Individualverkehrs einläuten. Ein mögliches Szenario wäre dann, dass ein Autobesitzer sich vertraglich bereit erklärt, dass seine Fahrzeugbatterie während der Nachtstunden nach Bedarf ge- und entladen werden darf. Dafür erhält er einen günstigen Stromtarif. Im Gegenzug verpflichtet sich der Energieversorger, dass die Autobatterie nicht unter ein vereinbartes Limit entladen wird. So bliebe im Notfall die kurzfristige Mobilität gewährleistet.

Ungeklärt ist noch, ob die Endverbraucher dabei mitspielen, wenn das intelligente Stromnetz darüber entscheidet, wann ihre Wärmepumpen oder Haushaltsgeräte laufen. Hier müssen Anreize über neue Tarifmodelle und Mehrwertdienste geschaffen werden. Als Vorbild kann dabei die Entwicklung des liberalisierten Mobilfunkmarktes dienen. Wenn dereinst, so will es eine Variante der Visionen, jeder digitale Stromzähler mit eigener IP-Adresse an das Internet angeschlossen ist, gilt es auch Fragen der Datensicherheit zu klären.«


5/2012: Brückenbauer, »Energie Report«

Energie ist ein Zukunftsthema, die Beratung dazu boomt. Energieberater bilden dabei die Brücke zwischen den Gewerken Bau und Haustechnik. Trotzdem klingt der Begriff Energieberatung für viele immer noch nach Esoterik. Im informierten Umfeld weiß aber inzwischen jeder, dass hinter Energieberatung unter anderem Thermografie, Bauplanoptimierung, Luftdichtheitsmessung, Wärmebrückenberechnung, Stromeinsparkonzepte und damit die Wertsteigerung der Immobilie sowie höherer Wohnkomfort stehen. Im Gebäudewesen bildet Energieberatung ein zentrales Klimaschutzthema, denn »ein Drittel der Emissionen wird dem Gebäudesektor zugerechnet. Die beiden anderen Drittel betreffen Verkehr und Industrie. Im Gebäudesektor kann einiges bewirkt werden. Es handelt sich zwar um einen trägen Hebel, der aber lange und sehr nachhaltig wirkt«, zeigt Christian Hanus, Lehrgangsleiter der Ausbildung zum Akademischen Energieberater an der Donau-Universität Krems, auf. Dabei gilt es, Gebäude differenziert zu betrachten.

Allein durch die Modernisierung des Wohn- und Büroraumes –durch Erneuerung, Tausch bzw. Ergänzung von Dämmung, Fenstern und Heizung –, sind bis zu 70 % der Raumwärmekosten einzusparen. Im Businessbereich sind unter anderem Wärmerückgewinnung, thermische Sanierungen sowie Druckluftsysteme und Beleuchtung als Bereiche mit hohem Einsparungspotenzial zu nennen. Die Revitalisierung der Haustechnik schafft weitere zehn bis 15 % Kostenreduktion.

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