Freitag, Jänner 24, 2025
Optimismus trotz harter Realität
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Der Immobilienmarkt scheint die Talsohle durchschritten zu haben. Es mehren sich die Anzeichen einer – zumindest leichten – Entspannung. Welche Assetklassen den Turnaround als erste schaffen und warum sich gerade jetzt das eine oder andere Window of Opportunity auftut. Eine Marktanalyse.

Text: Walter Senk

Unabhängig von der Innenpolitik wird die geopolitische Lage die Wirtschaft generell beeinflussen und damit auch den Immobilienmarkt. »Unter diesen Vorzeichen sind allerdings 2025 für die Immobilienbranche mehr Herausforderungen als Chancen ersichtlich«, meint Wolfgang Fessl, geschäftsführender Gesellschafter von Reinberg&Partner. Dabei war das Jahr 2024 schon eine Herausforderung, oder wie Gerald Beck, Geschäftsführer von ARE/BIG die vergangenen zwölf Monate zusammenfasst: »Harte Zeiten für den Immobilienmarkt – ein Mordskater nach einer langen Party.« Zahlreiche Bauträger wurden auf dem falschen Fuß erwischt beziehungsweise hatten sich verkalkuliert. Das betraf und betrifft auch einige langjährige Marktteilnehmer, die sich von der Dynamik der stets steigenden Preise mitreißen ließen. Mit Umstrukturierungen der Kredite und neuen Finanzierungen versuchte man zu retten, was zu retten war. Es gab zwar gelungene Umstrukturierungen, von denen Christoph Schäffer, Geschäftsführer von CARSO Invest&Consulting selbst einige begleitet hat, »aber ich fürchte, dass die Gleichung nicht ganz aufgeht und noch einige Bauträger zum Insolvenzrichter gehen müssen.« Birgit Kraml, Rechtsanwältin bei DLA Piper Weiss-Tessbach gibt ihm recht: »Der Fokus auf notleidende Developer wird rechtlich auch 2025 herausfordernd.«
Vor einem Jahr hat man in der Branche gehofft, »dass 2024 alles wieder gut wird und wir spätestens 2025 wieder voll durchstarten«, sagt Anton Bondi: »Die Realität hat uns allerdings eingeholt.« Der Geschäftsführer von Bondi Consult sieht weiterhin ein schwieriges Marktumfeld: »Die kumulierenden Krisen in der Industrie und die grundsätzlich pessimistische Einstellung der Wirtschaft wird sich noch in das Jahr 2025 hineinziehen.« Dennoch ist Anton Bondi optimistisch, dass 2025 das Jahr sein wird, in dem sich die gesamte Wirtschaft wieder beruhigen und erholen wird.

Gefragte Assetklassen
»Alle Assetklassen, für die es einen fundamentalen Bedarf gibt und die operativ gut funktionieren, sind gefragt«, fasst Franz Pöltl, geschäftsführender Gesellschafter der EHL Investment Consulting den Gewerbeimmobilienmarkt zusammen: »Jedes Produkt, das Cash Flow liefert, hat einen Vorteil, und da findet man auch die Investoren.« Wiewohl es weniger Interessenten gibt als in der Vergangenheit, weil auch die Finanzierungsquellen schwerer verfügbar sind. Daher gilt das Motto »Cash is King« – eigenkapitalstarke Investoren und alternative Finanzierungspartner, wie Family Offices und Real Estate Private Equity, werden im Vorteil sein gegenüber institutionellen, risikoaversen Investoren. »Von den Preisen, wie wir sie bis Februar 2022 hatten, von denen müssen wir uns verabschieden«, so Pöltl.
 
Hoffnung auf neue Projekte
Stefan Wernhart, Geschäftsführer EHL Gewerbeimmobilien, stellt fest, dass »sich die Stimmung aufhellt – es zeigt sich das Interesse, sich mit neuen Gewerbeprojekten auseinanderzusetzen.« Sein Kollege Franz Pöltl erwartet daher für 2025 Konstellationen, »in denen wieder Projekte auf die Beine gestellt werden können. Es gibt Anlass zur Hoffnung, dass wir eine Situation erleben, bei denen die Exits wieder funktionieren.« Die Anzeichen mehren sich, dass sich wieder Businesspläne für Projekte aufsetzen lassen, die sich am Markt zu vernünftigen Preisen positionieren lassen – sowohl bei Miete als auch bei Kauf. Hürden gibt es aber weiterhin, meint Michael Schmidt, Geschäftsführer der 3SI, über das Geschäft der Projektentwickler: »Ich habe mit einem schnelleren Rückgang der Baukosten gerechnet. Zwar gibt es leichte Entspannungen, aber die hohen Baukosten sind nach wie vor eine Herausforderung für die gesamte Branche.«
 
Window of Opportunity
»Die sinkenden Zinsen und der Wegfall der KIM-Verordnung versprechen – gerade auch auf psychologischer Ebene – mehr Dynamik und Entscheidungsfreude«, meint Johannes Endl, Vorstand der ÖRAG über den Wohnungsmarkt. Für diejenigen, die sich derzeit mit oder ohne Finanzierung einen Kauf leisten können, für die bietet sich bis Mitte des Jahres noch ein »Window of Opportunity«, auf einem entspannten Markt Eigentum zu erwerben. Es ist zu erwarten, dass ab Juni durch die Lockerung der KIM-Verordnung wieder mehr Käuferinnen und Käufer Eigentumswohnungen suchen werden. »Die Eigennutzer zeigen sich wieder in Kauflaune«, stellt Martina Hirsch, Geschäftsführerin der sREAL fest. Diese Entwicklung hat mit einem Gewöhnungseffekt zu tun: einerseits haben die Suchenden die höheren Zinsen akzeptiert, andererseits zeigt sich immer klarer, dass die Preise nicht mehr sinken werden. Die kommende Knappheit wird immer mehr Menschen bewusst, und es gibt seit dem Herbst 2024 nicht nur eine gestiegene Nachfrage, sondern auch tatsächlich mehr Verkäufe.
 
Sorgenkind Wohnungsmarkt
Auf dem Wohnungsmarkt wird man sich wohl »in den kommenden zwei, drei Jahren auf schwere Zeiten einstellen müssen«, erklärt Gerald Gollenz, Obmann des Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Österreich: »Unsere nicht gerade optimistischen Prognosen sind leider weit übertroffen worden.« Gollenz bezieht sich mit seiner Aussage auf den Neubaubericht der WKO, in dem prognostiziert wurde, dass die Neubauzahlen in den kommenden Jahren einbrechen werden. Laut aktuellen Zahlen waren im Jahr 2024 österreichweit rund 42.600 Wohnungen geplant, tatsächlich wurden nur 37.000 fertiggestellt; 2025 sind es nur noch 28.000 und 2026 muss mit nur 13.000 Wohnungen gerechnet werden.
 
Chancen nutzen
Vor zwei Jahren hat die BUWOG auf Grund der angespannten Lage einen Baustopp ausgerufen. »Die Zeit wurde aber genutzt, um sich mit der Weiterentwicklung der Projekte zu befassen«, blickt Geschäftsführer Kevin Töpfer zurück. Jetzt bringt das Unternehmen erstmals wieder neue Wohnprojekte in Bau. Die Investitionsoffensive umfasst insgesamt rund 229 Millionen Euro und sorgt bis Sommer 2025 für den Baustart für drei Projekte mit über 1.000 Wohnungen. Töpfer: »Auch wenn die Rahmenbedingungen noch nicht optimal sind, so haben sie sich doch verbessert.«
Johannes Endl, Vorstand der ÖRAG zitiert Henry Ford mit Blick auf 2025: »›Ob du denkst, du kannst es, oder du kannst es nicht: du wirst in jedem Fall Recht behalten.‹ Daran versuche ich mich zu halten.«
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