Die unterhaltsamen roten Diadochenkämpfe zeigen, wie man modernes Politainment gestaltet. Warum nicht überall so? Eine Mitgliedsbefragung von Rainer Sigl.
Was für ein Erlebnis! Gestern noch jammert die halbe Welt über Politmüdigkeit, -verdrossenheit und -lethargie, raunzt von der allgemein resignativen Unlust, politische Zukunft mitzugestalten, wenn eh schon bei tiefstehender Kultursonne der Volkskanzler seinen langen Schatten vorauswirft, und dann das: Rumoren in der linken Ecke! Kampfabstimmungen! Gladiatoreneinmarsch! Dolchstöße! Dreikampf! Eine Abstimmung! Und noch eine! Alle plötzlich voller Adrenalin, blutrote Schleier vor den Augen! Eisenstadt gegen Liesing gegen Traiskirchen – das ist Brutalität, mein Lieber!
Hut ab – that’s entertainment! Die Art und Weise, wie hier der Abstiegskampf geführt wird, ist beachtlich. Mit offenem Mund, der letzte Bissen Hyperinflationsschnitzerl noch halb zerkaut in der Backe, wird man Zeuge des majestätischen Schauspiels. Dagegen kann die politische Konkurrenz mit ihren langweiligen 100 % Spitzenkandidatenunterstützung nur abstinken. Da ist es ja im Vergleich so, als hätten bei Starmania statt Publikumsvoting nur Bank, Lagerhaus und diverse Stiftungsvorstände schon per WhatsApp direkt im Finanzministerium ihre Stimmen abgegeben.
Im Publikum kommt da kaum mehr das Gefühl von Handlungsmacht auf, von Mitgestaltungslust ganz zu schweigen. Kein Wunder, dass bei der nächsten Wahl vor lauter Widerwillen gleich lieber der Presslufthammer angekreuzelt wird, der dem maroden demokratischen Gebäude endgültig den Rest gibt, weil: eh schon wurscht. Das mit dem roten Königinnenmord aus der zweiten Reihe war jetzt unterhaltungstechnisch schon ein Schritt in die richtige Richtung, aber ich würd sagen: Dieses Land braucht mehr von dieser Art mitreißender Showdemokratie. Viel mehr.
Battle Royale
Wie wär’s also, wenn man zukünftig in allen Parteien die bislang unter langweiligem Verschluss bleibenden Auseinandersetzungen zwischen, sagen wir, aufstrebenden intriganten Polit-Jünglingen und allzu koalitionären Altvorderen als fetziges Battle Royale irgendwo im Waldviertel auf der Blockheide als Paintball-Massaker inszenieren würden? Was wäre, wenn die Grabenkämpfe zwischen grünen Silberrücken und ihrer basisfeministischen LGBTQ-Parteijugend bei einem Iron-Man-Gewaltmarathon irgendwo in den unberührten Restbiotopen des Nationalparks Kalkalpen Urwald ausgetragen würden, eventuell aufbereitet im Stil des »Dschungelcamps«?
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums wankt man ohnedies seit Jahren höchst publikumswirksam zwischen »Saturday Night Fever«, Esoterikmesse und »Ring des Nibelungen« hin und her – der Markenkern »jetzt erst recht« lebt ja immerhin von der zielgruppengerechten Gedächtnisleistungsminimierung. Dass nun auch der Rest der politischen Kaste den Showfaktor dementsprechend nach oben dreht, ist längst überfällig.
Immerhin: Wenn wir den Schas schon mit unserem Steuergeld finanzieren, wollen wir auch hin und wieder ein bisschen Blut sehen. Weil, wie eh schon immer hierzulande gilt: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Man reiche das Popcorn.