Freitag, November 22, 2024

Vom Klimagipfel in Kopenhagen bleibt nicht viel übrig. Nachdem sich die Staaten zu keinen verbindlichen Emissionszielen durchringen konnten, wird auf lokaler und regionaler Ebene versucht, den verfahrenen ­Karren wieder flott zu bekommen.

Befürchtet haben es viele, das Nicht-Ergebnis hat dann dennoch für große Enttäuschung gesorgt: Der UN-Weltklimagipfel von Kopenhagen hat außer einer unverbindlichen Absichtserklärung und einer Finanzierungszusage an die Entwicklungsländer nicht viel gebracht. Anstatt wie geplant eine Nachfolgevereinbarung für das Kyoto-Protokoll zu beschließen, das die CO2-Emissionen der Staaten vertraglich bindend festlegt, werden die Industriestaaten ebenso wie die Entwicklungsländer bis Anfang Februar ihre Emissionsziele bis zum Jahr 2020 bekanntgeben.
Das Ziel, die globalen Emissionen zu reduzieren und die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, wie es in der Vereinbarung heißt, gab es schon vor Beginn der Tagung. Überprüft werden kann es nicht. Vor allem China, aber auch Indien hatte sich mit Erfolg gegen internationale Kontrollen quergelegt. Dementsprechend lobte das offizielle China das Ergebnis der Konferenz als »Neuanfang«. Denn es wurde lediglich festgelegt, dass Schwellenländer ihre Maßnahmen alle zwei Jahre überprüfen und die Ergebnisse an die UNO weiterleiten. Dafür bekommen sie in den nächsten drei Jahren insgesamt 30 Milliarden US-Dollar von den Industriestaaten, um damit den Klimaschutz voranzubringen und Klimafolgen zu bekämpfen. Ab 2020 sollen dann jährlich 100 Millionen fließen.

Berlakovich: »Klimaschutz für politisches Spiel missbraucht.«>> Ablenkungsmanöver <<
Heftig kritisiert wird das Gipfelergebnis von den Umweltschutzorganisationen. Global 2000 nimmt vor allem die Industrieländer aufs Korn. Diese hätten mit der Forderung an China und Indien nach verbindlichen Emissionsbeschränkungen lediglich versucht, die Schuld für das Scheitern auf diese Länder überzuwälzen und von den eigenen ungenügenden Vorschlägen abzulenken, meint Manuel Graf, der Klimasprecher von Global 2000. Dabei sei von den Industriestaaten nicht berücksichtigt worden, dass mit der Auslagerung der Produktion in andere Länder, nicht zuletzt nach China, auch der Ausstoß von Treibhausgasen ausgelagert werde. Dieser verschwinde aus der CO2-Bilanz von EU-Staaten wie Österreich, so Global 2000. Soja, an Österreichs Rinder verfüttert, belaste nicht die österreichische, sondern die brasilianische Klimabilanz. Die Berechnungen der Pro-Kopf-Emissionen in den Industriestaaten seien somit nicht zutreffend, die durch Österreich verursachten Emissionen um etwa 30 Prozent höher, als es in den offiziellen Statistiken dokumentiert werde, kritisiert die Umweltorganisation.
Global 2000 beruft sich dabei auf eine OECD-Studie, die auf der Basis von Input-Output Modellen zeigt, dass die CO2-Emissionen der OECD Staaten, berechnet nach dem Konsum im Jahr 2000, insgesamt um 61,1 Prozent höher waren, als die auf herkömmliche Weise ermittelten Emissionen. Umgekehrt belege eine 2009 erschienen Studie der Universität Cambridge, dass rund 30 Prozent des Anstiegs der chinesischen Treibhausgasemissionen durch westlichen Konsum mitverantwortet werden, während das Bevölkerungswachstum in China gerade nur ein Prozent ausmacht. Deshalb seien die Industriestaaten gefordert, so die Umweltschützer. Österreichs Pro-Kopf-Emissionen seien immer noch doppelt so hoch wie die von China, mindestens sieben Mal höher als die in Indien und fast zehn Mal so hoch wie die in der Sub-Sahara Afrikas.

Ochsner: »Energierecycling mit Wärmepumpe reduziert CO2-Ausstoß.«>> Krise der Politik <<
»Eine beschämende Niederlage« nennt auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace die Konferenz von Kopenhagen. Die Umweltorganisation schiebt die Schuld da­ran vor allem den USA und der EU zu. Dass selbst der von den USA vorgelegte Minimalkonsens nicht beschlossen, sondern nur zur Kenntnis genommen wurde, sei auch ein Zeichen einer immer größer werdenden Krise der Politik. »Menschen sterben, ganze Landstriche werden unbewohnbar, die Wissenschaft warnt ohne Ende, und die Politik blamiert sich mit wertlosen Scheinabkommen dennoch bis auf die Knochen«, lautet die dramatische Conclusio des Greenpeace-Konferenzteilnehmern Bernhard Obermayr.
Die Hoffnung auf eine verbindliche Festlegung von Einsparungszielen wurde einmal mehr enttäuscht. Die österreichischen Parteien sind sich ausnahmsweise einig in ihrer Kritik. »Nach den enttäuschenden Ergebnissen der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen ist klar, dass die nächste Klimakonferenz in Mexiko 2010 die letzte Chance sein wird, ein effektives Kyoto-Nachfolgeabkommen zu realisieren und damit eine lebenswerte Zukunft auf unserem Planeten zu sichern«, meint etwa Petra Bayr, SPÖ-Bereichssprecherin für Umwelt und globale Entwicklung. »Dazu bedarf es ernsthafter Verhandlungen statt Zockerei und Verzögerungstaktiken – die Verantwortung dafür tragen alle Staaten gleichermaßen.« Von einer »Bankrotterklärung der Staats- und Regierungschefs« sprechen die Grünen. Die EU habe ihre weltweite Führungsrolle beim Klimaschutz in Kopenhagen aufgegeben, so Umweltsprecherin Christiane Brunner. Anstatt eine Reduktion der CO2-Emissionen bis 2020 um 30 Prozent fix zuzusagen und damit dem Gipfel einen Impuls zu geben, sei die EU mit der Zusage von 20 Prozent umgefallen und uneinig und gespalten aufgetreten. FPÖ-Umweltsprecher Norbert Hofer beschuldigt die USA, »nicht bereit zu sein, einen gleichwertigen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten«.

Kritik der Umweltorganisationen: »Politik blamiert sich mit Scheinabkommen.« >> Schwarzer Tag für Klima <<
Nicht einmal die handelnden Personen trauen sich, die sonst üblichen Positivmeldungen abzugeben. EU-Kommissionspräsident Barroso sprach vorsichtig von einem »ersten Schritt, dem noch viele folgen müssen«. Auch der österreichische Umweltminister Nikolaus Berlakovich übte harsche Kritik am Ausgang des UNO-Gipfels. Es sei »ein schwarzer Tag für den Klimaschutz«, meinte er. Viele Länder hätten den Klimaschutz für ihr politisches Spiel missbraucht. Nun sei die UNO gefordert, Vertrauen zwischen den Staaten aufzubauen. Die Aufforderung, weiterzumachen, sei ein schwaches Resultat, kritisierte Berlakovich.
Gerichtet ist diese Kritik unter anderem an die Internationale Energieagentur (IEA). Diese hatte das Ergebnis der Klimakonferenz als »Leitlinie für den nächsten Schritt in Richtung rechtlich verbindlicher Übereinkunft zum Klimawandel« begrüßt. Die Übereinkunft würde ein klares Ziel zur Reduktion der Erderwärmung auf zwei Grad und zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes vorgeben, meint die IEA.
Allerdings, so räumt auch die IEA ein, zeigen die Verpflichtungen der Staaten zur Eindämmung ihrer Emissionen, dass das 2-Grad-Ziel nicht erreicht werden könne. Sie hat deshalb in ihrem World Energy Outlook 2009 Richtlinien zur Erreichung dieses Ziels vorgegeben, die sie im ersten Halbjahr 2010 mit den Staaten evaluieren möchte. Die Energieagentur werde in den Bereichen Energieeffizienz, in der Forschung sowie beim CO2-Emissionshandel eng mit den Staaten zusammenarbeiten, verspricht die IEA. Da hat sie sich einiges vorgenommen. Denn die angebotenen Reduktionsziele der einzelnen Staaten liegen global aufsummiert zwischen sechs und 14 Prozent. Tatsächlich ist eine Reduktion der CO2-Emissionen in den Industrienationen von 40 Prozent bis 2020 erforderlich, um eine Erwärmung der Atmosphäre um mehr als zwei Grad zu verhindern. Das Freikaufen von Emissionsreduktionen durch Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern wird deshalb von Umweltorganisationen und Politikern als fragwürdig kritisiert.

 Bayr, SPÖ: »Mexiko die letzte Chance auf Kyoto-Nachfolgeprotokoll.« >> Regionale Selbsthilfe <<
Das vage Ergebnis, das die Staaten in Kopenhagen erzielt haben, hat nun die Regionen auf den Plan gerufen. »Nun müssen die Gebietskörperschaften selbst auf internationaler Ebene aktiv werden, um die in Kopenhagen getroffene Vereinbarung in die Wirklichkeit umzusetzen«, meint Luc Van den Brande, Präsident des Ausschusses der Regionen der EU. Anfang 2010 werde der Bürgermeisterkonvent der EU eine offizielle Vereinbarung mit der US-Bürgermeisterkonferenz unterzeichnen, um im Rahmen »grüner« Partnerschaftsprogramme zwischen Städten der USA und Europas bewährte Praktiken auszutauschen. Die Vize-Präsidentin der US-Bürgermeisterkonferenz Elizabeth Kautz sagte zu, im US-Senat für eine internationale Klimavereinbarung Stimmung zu machen.
Wie es auf nationaler Ebene funktionieren könnte, einen entscheidenden Beitrag zur Reduktion der CO2-Emissionen zu leisten, versucht der österreichische Bundesverband WärmePumpe Austria aufzuzeigen. Karl Ochsner, Obmann des Verbandes, will zur Selbsthilfe greifen: In Österreich gäbe es die Chance, durch den Einsatz der vorhandenen Technologien die Emissionsreduktion mithilfe von Energierecycling zu schaffen, ist Ochsner überzeugt.
Im Bereich Abwasser könne die Wärmeenergie von städtischen Abwässern durch Wärmepumpen dazu genutzt werden, um zehn Prozent des globalen Raumwärmebedarfs abzudecken. Bei der Abwärme könnte enormes Einsparungspotenzial lukriert werden, indem Gewerbe- und Industriebetriebe ihre enormen Mengen an Niedertemperaturabwärme, die sie an die Umwelt abgeben, durch Wärmepumpen nutzbar machen. Und beim Neubau und der Sanierung von Ein- und Mehrfamilienhäusern biete sich die Nutzung von Umgebungswärme als kostenfreie, überall verfügbare CO2-freie Energiequelle an, so Ochsner. In Summe könnten in Österreich bis zum Jahr 2020 durch diese Maßnahmen 45 Petajoule (PJ) Energie durch Wärmepumpen nutzbar gemacht werden und damit 2,3 Millionen Tonnen an CO2 eingespart werden, ist sich der Verbandsobmann sicher.
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Ö-Ziel verfehlt
2008 emittierte Österreich insgesamt 86,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. »Vom angestrebten Kyoto-Ziel liegt Österreich damit in absoluten Zahlen 17,9 Millionen Tonnen entfernt. Im Vergleich zum Jahr 2007 ist das zwar ein leichter Abwärtstrend, Kyoto erreicht man aber nicht«, kommentierte Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) die Treibhausgasbilanz. Rechne man den Zukauf von Verschmutzungsrechten und Maßnahmen wie Aufforstungen ab, bleibe ein Loch von 6,9 Millionen Tonnen zur Zielerreichung. Kritik der Umweltorganisationen an der Klimapolitik der Regierung lässt nicht auf sich warten: »Blamabel« nennt die Bilanz Greenpeace. Da sich die EU bereits in der Kyoto-Phase befindet, koste jede überschüssige Tonne CO2 Geld, so die Organisation. Dieser Zukauf von Verschmutzungsrechten sei der falsche Weg, kritisiert Global 2000: Wenig Klimaschutz werde mit viel Steuergeld erkauft, ohne langfristige Wirkung und ohne dass Österreich vom Zukunftsmarkt Klimaschutz profitiere.

26.01.2010

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