Sonntag, Juni 30, 2024

Die gute Nachricht: Wir stehen endlich nicht mehr am Rand eines Abgrunds. Die schlechte: Da oben war’s eventuell doch besser.

Eine Resignation von Rainer Sigl.

Man muss auch das Positive sehen. Ja, in den USA wurde ein Präsident gewählt, der die den gesamten Planeten zerstörende Klimakatastrophe als Verschwörungstheorie betrachtet. Gut, die Briten haben sich mit todesverachtendem Humor aus dem größten europäischen Friedensprojekt der Neuzeit gesprengt. Und ja, auf dem Kontinent schüttelt nächstes Jahr womöglich eine ultrarechte französische Präsidentin freudestrahlend den autokratischen Staatschefs Ungarns, Polens und Russlands warm die Hände, während am Bosporus eine schicke islamische Präsidialdiktatur samt Todesstrafe für Opposition und Journalisten eingerichtet wird. Und okay, mal ehrlich, wer dann in unserem Operettenstaat Präsident ist, ist dann auch schon wurscht.

Aber wie gesagt: das Positive sehen! Und wenn man schaut, wie sich die Nationalisten aller Länder freudestrahlend nach ihren jeweiligen Wahlsiegen liebevoll gegenseitig gratulieren – da wird einem schon warm ums Herz bei so viel Solidarität! Wie sich die Chefs von Parteien, die sich verbissen ausschließlich das Wohl des eigenen Volkes auf die knatternden Fahnen schreiben, dazu gratulieren, dass im Nachbarland just genau dieselbe Agenda Zugewinne verzeichnet – wer sich so für einen anderen freut, kann kein schlechter Mensch sein.  

Und überhaupt: Es menschelt wieder mehr. Ja, in den Facebook-Freundeskreisen gutmütig ihr Weltbild teilender Politikerdarsteller herrscht ein unfassbares Zusammengehörigkeitsgefühl, ein Erlebnis von Gemeinschaft und Freude am Zusammenhalt, von dem etwa, was weiß ich, die Mitglieder der Aum-Sekte nur träumen durften. Hier ist niemandem Menschliches fremd, hier scherzt man, versteht Spaß und informiert sich vertraulich über all das, was die gleichgeschalteten Massenmedien der linkslinkslinken Feminazi-Gutmenschen-Tyrannei nur allzugern mit Mitteln der stalinistischen Zensur sowie schnöden Fakten unterdrücken wollen. Ist es nicht auch ein Hoffnungsschimmer, dass sich so doch Menschen für Politik und – in weiterer Folge, Fitness ist ja immer gut – wohl auch für kräftigende und den Volkskörper stärkende Wehrsportübungen in unserer schönen Heimat motivieren lassen?

Auch wie überall der optimistische Glaube daran wächst, dass ein Wandel möglich ist, dass Veränderungen nötig sind, macht das Leben in diesen Zeiten so aufregend und inspirierend wie schon lange nicht. Denn mal ehrlich: Empfinden Sie es nicht auch irgendwie als erfrischende Verlockung, Ihr Haus, in dem grässliche Unordnung herrscht, einfach so, mit einem Lachen auf den Lippen, mit einem feschen Kanister Benzin einfach abzufackeln? Ihr Auto, das ständig zickt, mit einem beherzten Freudenschrei bei 160 Sachen gegen den Brückenpfeiler zu rammen? Sich so richtig fest selbst in die Fresse zu schlagen, um’s denen da oben mal endlich zu zeigen? Hauptsache, es passiert etwas. Weil: So kann’s nicht weitergehen. Und irgendwann kehren sie sicher zurück, die goldenen Zeiten der Vergangenheit. Weil: Schön war’s damals. Nach dem Krieg.

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