Durch die Möglichkeit, ortsunabhängig und ohne feste Strukturen zu arbeiten, rücken Arbeitsmodelle in den Fokus, die nicht in allen Unternehmen geschätzt werden. Für HR-Expert*innen überwiegen jedoch die Vorteile bei weitem.
Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben – so lautete die Parole, die im Zuge der Coronapandemie wie ein Mantra quer durch die Wirtschaft verkündet wurde. Inzwischen ist in vielen Unternehmen Ernüchterung eingekehrt. Während Arbeitgeber danach trachten, ihre Mitarbeiter*innen wieder in den Betrieb zu holen, möchten diese das Arbeiten zu Hause nicht mehr missen. Um künftig Arbeitskräfte anwerben und diese auch halten zu können, kann es sich jedoch kein Unternehmen mehr leisten, auf flexible Arbeitsmodelle zu verzichten. Homeoffice zählt dabei bereits zu jenen Möglichkeiten, die von Bewerber*innen vorausgesetzt werden. Die Viertagewoche hat hingegen das Potenzial eines echten Wettbewerbsvorteils.
Grund für Jobwechsel
Österreich ist kein Homeoffice-Land. Wunsch und Wirklichkeit klaffen in diesem Bereich weit auseinander, wie eine aktuelle Umfrage von XING mit dem Meinungsforschungsinstitut forsa aufzeigt. Lediglich ein Drittel der österreichischen Arbeitsnehmer*innen hat die Möglichkeit, zumindest teilweise zu Hause zu arbeiten. Rund ein Viertel davon gibt an, dass diese Option in den letzten Monaten eingeschränkt wurde. Für 13 Prozent der Befragten herrscht bereits wieder eine generelle Anwesenheitspflicht im Unternehmen.
»Angesichts der angespannten Situation am Arbeitsmarkt und dem nach wie vor herrschenden Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel ist das das falsche Signal«, meint Sandra Bascha, Leitung Kommunikation und New-Work-Expertin bei XING (Bild oben). »Homeoffice-Angebote machen Unternehmen attraktiver und sind Argumente für starke Standorte – vor allem in den Regionen.« Für mehr als 40 Prozent der Befragten zählt Homeoffice zu den drei wichtigsten Kriterien bei der Wahl eines neuen Arbeitgebers. Für rund ein Fünftel jener Beschäftigten, die aktuell keine Möglichkeit für Remote Work haben, wäre die Option darauf ein Grund für einen Jobwechsel.
In Deutschland ist Homeoffice noch viel stärker verankert. Laut einer Umfrage des Instituts YouGov im Auftrag des Automobilzulieferers Continental würde knapp die Hälfte der befragten Büroangestellten kündigen, sollte ihr Arbeitgeber die Möglichkeit zu mobiler Arbeit und Homeoffice abschaffen oder einschränken. »Viele Beschäftigte haben während der Pandemie die Vorteile des flexiblen Arbeitens kennen- und schätzen gelernt – und sind nun nicht mehr bereit, darauf zu verzichten«, bestätigt Ariane Reinhart, Vorständin für Personal und Nachhaltigkeit bei Continental. Der Konzern hat bereits 2016 weltweit flexible Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten eingeführt. In der Praxis habe sich ein hybrides Arbeitsmodell, und zwar ein Mix aus mobilem Arbeiten und Präsenz in etwa im Verhältnis 40:60, bewährt, so Reinhart.
Bild: »Auch bei den Mitarbeiter*innen besteht grundsätzlich der Wunsch nach Präsenz im Betrieb – nur eben nicht stur an einer festen Zahl von Tagen pro Woche«, sagt Ariane Reinhart, Continental.
Trotzdem produktiv
Tatsächlich fehlt in kaum einem Stelleninserat inzwischen der Hinweis auf die Möglichkeit zu Homeoffice – auch wenn es sich oft nur um eine Option für einen Tag in der Woche handelt und es einige Vorgesetzte gar nicht so gerne sehen, wenn dieser wirklich in Anspruch genommen wird. HR-Verantwortliche und Führungskräfte, die für eine Studie von marketagent im Auftrag von PwC Österreich befragt wurden, bewerteten die beiden gängigsten Arbeitsmodelle – Homeoffice und Gleitzeit – weitgehend positiv: Nur 13 Prozent gingen davon aus, dass Mitarbeitende dadurch weniger produktiv seien und lediglich ein knappes Viertel (24 %) war der Meinung, dass Kreativität und Emotionalität im Homeoffice verloren gehen würden.
Auch Sabbaticals bzw. Langzeiturlaube (52 %) sind in der Arbeitswelt angekommen. Weniger umgesetzt werden derzeit noch Jahresarbeitszeitkonten, durch die in arbeitsintensiven Phasen mehr und in ruhigeren Phasen weniger gearbeitet werden kann (24 %) sowie Job-Sharing (23 %) und Workation-Angebote (22 %). »Nicht jedes Arbeitsmodell ist für jede Branche geeignet«, erklärt Johanna Schaller, Senior Managerin Workforce Transformation bei PwC Österreich.
In Österreich zeigt sich gleichzeitig eine Tendenz zu reduzierter Arbeitszeit. Eine Erhebung der IMC Krems University of Applied Sciences unterstreicht die hohe Popularität einer verkürzten Arbeitswoche unter Arbeitnehmer*innen. In 263 persönlichen Interviews sahen 49 Prozent der Befragten in einer Reduzierung der Arbeitszeit auf vier Tage mehr Vor- als Nachteile – eine bessere Work-Life-Balance ist für 60 Prozent das stärkste Motiv, wenngleich Stress an den verbleibenden Arbeitstagen und mögliche Einkommenseinbußen befürchtet werden.
KI als Chance
Gerade für jüngere Arbeitnehmer*innen spielt Flexibilität eine große Rolle. Bietet ein Unternehmen diesbezüglich keine Gestaltungsmöglichkeiten, sinkt die Attraktivität für Nachwuchstalente beträchtlich. Doch bei kaum einem Thema fällt die Meinung so unterschiedlich aus wie bei der Viertagewoche. 62 Prozent der Studienteilnehmer*innen sind überzeugt, dass sich die Viertagewoche als Wettbewerbsvorteil durchsetzen wird. Hier stechen vor allem jene Arbeitnehmer*innen, die keine Personalverantwortung haben und zur Generation der 18- bis 38-Jährigen zählen, mit jeweils 74 Prozent Zustimmung hervor. »Bei der Umsetzung einer Viertagewoche ist häufig mit Widerstand vom Management zu rechnen. Viele sehen aber auch die Vorteile, wie höhere Mitarbeiterzufriedenheit oder weniger Krankenstandstage«, sagt Schaller. »Tendenziell wird der Trend, dass Arbeitszeiten nach unten reguliert werden, fortgeführt. Das wird in Zukunft durch den Einsatz von KI immer leichter möglich sein, indem die Digitalisierung repetitive Arbeiten abnimmt und Arbeitnehmer*innen Zeit spart.«
So steht die Mehrheit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz durchaus positiv gegenüber. Mehr als drei Viertel der Befragten begrüßen die Einführung von KI am Arbeitsplatz. »Es gilt dieses positive Momentum und die Neugier der Mitarbeiter*innen zu nutzen«, erläutert PwC-Expertin Schaller. »Damit die neuen Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben, jedoch auch wirklich sinnvoll und effizient eingesetzt werden, müssen Unternehmen ihre Mitarbeitenden entsprechend schulen. Investments in Digitalisierungs- und KI-Schulungen sind daher unerlässlich, um den Anschluss nicht zu verlieren und langfristig erfolgreich zu bleiben.«