Dienstag, Juli 16, 2024
Einrichtungsexzesse sind passé
Oliver Bertram ist Geschäftsführer von teamgnesda.

Büros müssen funktionale und soziale Erwartungen erfüllen. Rutsche und Bällebad haben ausgedient, meint Oliver Bertram, Geschäftsführer von teamgnesda.

Viele Unternehmen holen ihre Mitarbeiter*innen aus dem Homeoffice wieder ins Büro zurück. Welchen Mehrwert müssen sie bieten, damit das gelingt?

Oliver Bertram: Der größte Magnet ist der soziale Zusammenhalt: Ganz wichtig sind deshalb Bereiche für informelle Treffen. Wir sprechen hier nicht von übermäßig luxuriösen oder ungewöhnlichen Einrichtungen, sondern einer gut gestalteten, funktionalen Umgebung, die die sozialen Bedürfnisse der Menschen berücksichtigt.

Wie verändert sich die Flächennutzung?

Bertram: Die Anzahl der Schreibtische wird reduziert. Einige unserer Kunden haben bereits auf 20 bis 30 % der Plätze gesenkt. Die Hälfte der Schreibtische ist fast immer möglich. Das bedeutet aber nicht, dass auch die Fläche des Büros halbiert wird. Die Kompensation findet über unterschiedliche Arbeitsmöglichkeiten statt. Wer mag, kann sich auf die Couch setzen oder in einen anderen Bereich zurückziehen – dafür gibt man das exklusive Recht auf einen eigenen Schreibtisch auf.

Geteilte Schreibtische sind vielfach bereits Realität. Aber wird das von den Beschäftigten auch geschätzt?

Bertram: Es gibt Themen, die sehr kontrovers diskutiert werden – dazu gehört Sharing. In einer Umfrage für unseren jährlichen Office-Report stellten wir Folgendes fest: Unternehmen, die auf geteilte Arbeitsplätze setzen, haben eine größere Akzeptanz als andere, allerdings nur, wenn man die Mitarbeiter*innen nicht dazu zwingt. Eine individuelle Lösung führt zur höchsten Zufriedenheit.

Sind bunte Wohlfühllandschaften mit Rutsche und Bällebad noch gefragt?

Bertram: Die Mitarbeiter*innen kommen aus zwei Gründen ins Büro: Sie wollen ihre Arbeit erledigen und Menschen treffen. Die Räume können ruhig phantasievoll gestaltet sein. Aber funktionsfreie Spielumgebungen braucht man nicht mehr. Wir haben vor 2020 teilweise mit Bühnenbildnern zusammengearbeitet und richtige Kulissen für den Eskapismus aus der Arbeitswelt geschaffen. Solche Einrichtungsexzesse sind passé und darüber bin auch ganz froh.

Ist »New Work« ein Trend, der bald wieder vorbei ist?

Bertram: Der Begriff ist praktisch seit 20 Jahren »neu«. Es gibt trotzdem viele Unternehmen, die damit überhaupt noch nicht in Berührung kamen. Sie arbeiten heute noch in Situationen, die bekanntlich für weniger Zufriedenheit und geringere Produktivität sorgen sowie Hürden für Mitarbeiter*innen schaffen, die neu ins Unternehmen kommen. Einzelbüros sind der Tod für junge Menschen – so verliert man eine ganze Generation.

Wie werden wir in zehn Jahren arbeiten? Werden sich die Raumkonzepte noch einmal radikal ändern?

Bertram: Unser Konzept »Betriebssystem Büro« betrachtet alle Aspekte, wie man ein Büro betreibt, um den besten Output zu erzielen. Bei vielen Unternehmen reicht es, in einzelnen Punkten nachzubessern, denn vieles ist bereits da. Wo ich aber noch nicht die geringste Einschätzung wage, ist, wie stark die Nutzung von KI unser Arbeitsumfeld verändern wird. Vermutlich werden wir in den nächsten Jahren gravierendste Auswirkungen bei den Tätigkeitsfeldern mit Bildschirmarbeit sehen. Viele Aufgaben, die wir bisher am Computer manuell erledigen, werden durch KI obsolet, z. B. das Eintragen von Daten in Excel-Tabellen. Meine Hoffnung ist, dass wir uns dafür wieder mehr mit Menschen beschäftigen und gemeinschaftlich Lösungen suchen.

Werden Büros jemals aussterben?

Bertram: Nein, ein Büro ist ein Ort der Zusammenarbeit zwischen Menschen. Es wird wieder individualisierter und persönlicher. Möglicherweise haben wir dann noch mehr Spaß beim Arbeiten!

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