Toxische Social-Media-Monokulturen und SEO-Durchseuchung haben das einst vital wuchernde Internet vielfach fast unbenutzbar gemacht. Ein Ansatz aus der Ökologie könnte Abhilfe schaffen.
Meta, Twitter, TikTok: voll mit Werbung, Manipulation und algorithmischer Aufregungsmaximierung. Google und Amazon: Suchergebnisse begraben unter Sponsorentreffern und Abzocke. Das Internet: im vorläufigen Endstadium eines Vorgangs, den der amerikanische Netzaktivist Cory Doctorow plakativ »enshittification« genannt hat. Plattformen, die einst das Wohl der Nutzer*innen als Ziel hatten, haben diese gewachsene Anwenderbasis zuerst an ihre Anzeigenkunden verkauft und im Anschluss dann auch diese mit allen möglichen Mitteln so lange um jeden Cent der Werbeetats ausgepresst, bis von ihrer einstmaligen Attraktivität nichts mehr übrig geblieben ist. Und abseits von ihnen: nichts.
»Too big to care« seien die Plattform-Monopolisten inzwischen, so Doctorow – Alternativen zur Google-Suche, zu Amazon, Meta, X oder anderen »walled gardens«, die beim Auspressen ihrer in Datensilos gefangenen Nutzerschaft immer weniger Skrupel kennen, gibt es kaum. Was tun?
Von der Monokultur zurück in den Dschungel
Maria Farrell und Robin Berjon haben darauf eine Antwort. Die Tech-Expert*innen haben in einem Artikel für das Noema Magazine die Metapher vom Internet als wucherndem Wald beim Wort genommen und dessen Krise mit jener der großen agrarischen Monokulturen parallel gesetzt. Kein schlechter Gedanke: Immerhin lassen sich aus der Geschichte der misslungenen Forstwirtschaft durchaus Lehren für eine sinnvolle Umgestaltung der technischen Welt ziehen.
Die Abholzung der europäischen Urwälder im späten 18. Jahrhundert und deren Wiederaufforstung mit schnell wachsenden Monokulturen brachte einigen, meist adeligen Waldbesitzern Unsummen ein – allerdings nur kurzfristig, und zu einem hohen Preis. Die neuen, in Reih und Glied angepflanzten Nutzwälder laugten in wenigen Generationen die Böden aus, Schädlinge vernichteten riesige Gebiete, die ihnen ohne natürliche Abwehrkräfte durchmischter Ökosysteme nichts entgegenzusetzen hatten. Komplexe System »einfacher« machen zu wollen, zerstört diese, so die Lehre daraus. Der Weg zurück ist schwer, aber lohnend.
Diversität statt geschlossener Datensilos
Bezogen auf das Internet hieße das: Neben den gewaltigen »data-extraction engines«, deren Zweck es einzig und allein ist, für einige wenige Profit zu generieren, braucht es eine neu zu schaffende Diversität. Dafür braucht es Antikartellgesetze ebenso wie das längst überfällige Zerschlagen großer Tech-Monopolisten; aber es braucht auch die Öffnung streng abgeschirmter Datensilos, in denen die Nutzer*innen von X, Meta & Co die längste Zeit ohne Wahl- und Wechselfreiheit (mitsamt ihren Daten und Verbindungen!) eingesperrt waren.
Interoperabilität und Transparenz, so die Autor*innen, seien die nächsten Schritte in Richtung eines Internets, das weniger nach Plantage und wieder mehr nach Dschungel aussieht. Immerhin sei das Internet immer noch »die Infrastruktur aller Infrastrukturen«, in der Wissen organisiert, gesammelt und aufgebaut wird. Umso entscheidender, diese Infrastruktur nicht in den Händen einiger weniger zu belassen.