Der traurige Zustand der Welt wäre leichter ertrag- und vermittelbar, wenn er packender präsentiert würde. Ein Serienmarathon von Rainer Sigl.
Wissen Sie, ich schau keine Nachrichten mehr. Viel zu deprimierend. Eine Krise jagt die nächste, Klimakollaps, Krieg, Horrorpreise, Pandemie, mal ehrlich, man müsste pausenlos einen Nervenzusammenbruch haben, wenn man das alles konsumiert. Stattdessen schau ich Serien und sonstige Unterhaltung. Ja, ist auch komisch, so ganz abgekoppelt von der echten Welt. Deshalb meine Idee: Wenn man nur die Realität ein bissl cleverer verpacken würd, wär’s mit der Welt- und Politikverdrossenheit schnell vorbei. Präsidentenwahl in Österreich zum Beispiel – Zeit im Bild, Runder Tisch, Elefantenrunde: turbogähn! Warum peppt man das nicht ein bisserl auf?
Mir hätt’ zum Beispiel ein »Liebesg’schichten & Heiratssachen«-Special super getaugt. Das ist der Alex »Sascha«, 70+, Exiltiroler in Wien – Hobbys: Rauchen, Tapetentür saugen, Angeloben. Schnitt auf Kitschengerl, Einspieler: »Ich würd so gerne noch einmal«. Danach der kernige Tassilo (»Am liebsten schreibe ich Fantasy-Romane«), der knorrige Heini (»Bei einem Wähler sind mir die Schuhe am wichtigsten«), der Dings (»Hab mich 1988 beim Schnitzelessen mit der Gabel im Gesicht verletzt«) und dann noch der fesche Doktor für die Jugend (»Kein Bier vor vier … Prozent«). ORF: Call me!
Am Rand des Abgrunds
Überhaupt: Innenpolitik. Spätestens seit der dänischen Kultserie »Borgen« wissen wir, wie Polit-TV gehen könnte. Nah dran an den Figuren: mit dem Kanzler zuhause, Gattin, Kinder, Wega-Beamte, gerade noch Party, Sekt, Veltliner, Schnaps, dann BÄM: eine Krise! Schnelle Schnitte, harte Entscheidungen, ungeschickt ausgeparkt, wurscht, ein Love-Plot: der Gust und die Sigrid – hat’s da gefunkt, was passiert, will they or won’t they, gefolgt von Nebenhandlungen bei der Opposition: schlimmer Verdacht – wurde Herbert heimlich geimpft oder haut nur das Entwurmungsmittel so rein? Cliffhanger, Parallelschnitte wie bei »24«, Thomas Schmid kehrt als Kronzeuge zurück, der Exkanzler leidet unter seinem neuen, exzentrischen Milliardärs-Chef und so weiter und so fort. Sie sehen, das wäre spannend, so kriegt man die Leute wieder an die Geräte! Arbeitstitel »Land der Hämmer«.
Aber auch: Was fürs Herz. »Pam’s Anatomy«, ja, Fiktion, durchaus, aber halt inspired by true events: Die fesche junge Klinikchefin, bemüht, die Situation ist schwierig, dann zwei mächtige Oberärzte, formal unter ihr, aber in der Realität: na servas! Eine Komödie der Irrungen, mit tragikomischem Unterton vielleicht … Oder: Histotainment-Sitcom: »Jessas, da Kreisky« … ein hintergründiger OMV-Spionage-Thriller-Event »Nabucco muss sterben« … eine animierte Serie im Stil von »South Park« über die Junge ÖVP … ein »Universum«-Spezial über grüne Basisdemokrat*innen … Ulrich Seidl verfilmt das Leben von HC Strache … und, und, und. Sie merken schon: Eigentlich hätte das alles großes Potenzial.
Am bombastischsten wär’ aber eine Fantasy-Prestige-Serie über eine mystische magische Welt, in der ein dunkles Böses aus den Tiefen der Erde gepumpt wird und dort langsam, aber sicher die ganze Welt vergiftet, bis alles am Rand des Abgrunds steht. Aber nein: zu unrealistisch.
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