Der Kampf um Arbeitsplätze wird immer härter geführt. Gut, dass sich heute Vollprofis ums Personal kümmern.
Ein Rekrutierungsgespräch von Rainer Sigl
Grüß Sie, nur hereinspaziert! Mei, das wär aber nicht nötig gewesen. Das ist sehr lieb, und noch dazu ein so ein edler Tropfen! Stellen S’ ihn bitte dort drüben ab, gleich zu den anderen? Dankeschön. So! Am besten wir fangen gleich an mit Ihrem Lebenslauf, also, ganz ehrlich, ich muss Ihnen sagen: Hm! Hm! Naja! Nun gut! Auweia! Also da seh ich schon einige Probleme, nicht! Zum Beispiel hier, da ist eine zweimonatige Lücke zwischen der Matura und Studienbeginn … oder hier, da klafft ein gähnendes Loch von drei Wochen zwischen den beiden Praktika und der Fortbildung … und hier unten springt mir förmlich dieses eine Wochenende im März 2012 ins Auge, wo ich Sie nirgends zuordnen kann … wie bitte? Da waren Sie krank? Schauen Sie, im Vertrauen, das ist jetzt für Sie strategisch gar nicht gut, dass Sie mir das sagen, schließlich wollen wir uns ja hier am liebsten kerngesunde Aktivmenschen ins Boot holen, haha! Und auch bei der Ausbildung sehe ich offen gestanden ein paar Baustellen, mein Lieber! Jaja, summa cum laude sub auspiciis pipapo – aber mir fehlt da ein bisschen die Leidenschaft, das gewisse Ich-weiß-nicht-was! Ich mein, wenn Sie jetzt während des Studiums nebenbei, was weiß ich, Vollzeit in berufsrelevanten Gebieten gearbeitet hätten und ... wie bitte? Na, gerade weil Sie das unter Mindeststudiendauer geschafft haben, wär das doch kein so großes Ding gewesen, die paar Semester hält das ein junger Mensch mit Ambition schon aus! Ich muss mich schon wundern, wie Sie dann nach Promotion überhaupt diese zwölf Praktika bekommen haben, aber naja: Damals, vor drei Jahren, waren die Standards noch im Keller! Und die Auslandserfahrung, also DAS fällt Ihnen halt jetzt auf den Kopf, dass Sie nur in London, Moskau und Tokio waren. Ich sag’s immer wieder, wenn man da aus purer Bequemlichkeit die Zügel schleifen lässt … eieiei! Weil mit der Berufserfahrung, also, mein Lieber, da hapert’s leider dann doch auch gewaltig. Ja, ich sag Ihnen das jetzt so direkt, weil zu uns immer wieder Leute wie Sie kommen, mit 24 knapp an der Vermittelbarkeitsgrenze, ein paar Diplome in der Hand, ein schwaches Dutzend Praktikumszeugnisse – das ist schon forsch! Glauben Sie, wir haben hier endlos Zeit, Ihnen und anderen Ahnungslosen da von der Pike auf alles … jetzt weinen S’ doch nicht … Herrschaftszeiten, und empfindlich auch noch! Ist doch nicht so schlimm! Es gibt ja auch noch andere Sachen im Leben! Was weiß ich, die Kunst, die Natur, die Liebe … ich zum Beispiel hab mit der Irmi die liebste Frau und mit ihrem Papa zugleich den besten Chef der Welt bekommen! Man sieht: Dem Tüchtigen gehorcht das Glück! Also: Machen Sie sich nix draus, wenn Sie, wie’s offen gesagt aussieht, keinen Job bekommen. Kopf hoch: Dann ärgern Sie sich wenigstens nicht, dass Sie einmal keine Pension kriegen. Der Nächste!