Die Stadt der Zukunft beginnt bei ihren Gebäuden. Smart Buildings folgen dabei denselben Determinanten – vernetzt, intelligent, nachhaltig und sicher.
Lampen, die sich per Bewegungsmelder oder Sprachkommando einschalten, ferngesteuerte Waschmaschinen und Heizungen – das alles bringt viel Komfort ins Zuhause. Aber smarte Haushaltsgeräte machen aus Gebäuden noch lange keine Smart Buildings. Intelligente Gebäude der Zukunft sind zwar mit digitalen Lösungen ausgestattet, aber erst wenn diese von Unternehmen und öffentlichen Trägern für die Steuerung zentraler Prozesse genutzt werden können, ist energieeffizientes Wirtschaften möglich.
Ein Smart Building beginnt schon beim Bau, um den Anforderungen der CO2-Reduktion gerecht zu werden. Umweltfreundliche Baustoffe, etwa klinkerreduzierter Beton, und digital unterstützte Planungssysteme können den Bauprozess effizienter und nachhaltiger gestalten.
Die FH Salzburg startete im April 2021 am Standort Kuchl mit dem Bau des Twin²Sim, einem multifunktionalen Versuchsgebäude, das vom Studiengang Smart Building konzipiert wurde. Das Projekt soll für die ganzheitliche Untersuchung komplexer Gebäudehüllen und Gebäudetechnik genutzt werden. »Mit Twin²Sim können wir neue Erkenntnisse gewinnen, wie Gebäudetechnik, Bauteile, Raum und Mensch zusammenwirken und innovative Bauteile entwickeln und erproben. Die Einrichtung soll für und mit der Wirtschaft neue Erkenntnisse, Lösungen und Produkte ermöglichen«, erklärt Projektleiter Michael Grobbauer. »Ziel ist die Verringerung des Energiebedarfs in Gebäuden und klimaneutrale Bauten bei hoher Behaglichkeit und Usability zu verwirklichen.« Mit einem Investitionsvolumen von 2,2 Millionen Euro zählt Twin²Sim zu den größten Forschungsvorhaben in der 25-jährigen Geschichte der FH Salzburg und zeigt den hohen Stellenwert dieses Themas.
Die CA Immo errichtet in Berlin unweit des Potsdamer Platzes ein voll digitalisiertes Bürogebäude und setzt damit die Konzernstrategie der »Smart Commercial Buildings« fort. Das »Grasblau« genannte Gebäude kann durch den Einsatz von digitaler Sensorik und vernetzten Systemen deutlich energieeffizienter betrieben werden als herkömmliche Gebäude. Der Nachhaltigkeit wurde bereits in der Planungsphase höchste Bedeutung beigemessen. So kommen bei der Realisierung nur Materialien zum Einsatz, die das Grasblau als sehr schadstoffarmes Gebäude einstufen; im Sinne eines Ressourcenkreislaufs wird auf den Einsatz von Verbundstoffen verzichtet. Mittels Anschluss an das bestehende Fernwärmenetz, modernster Heiz- und Kühltechnik, der Rückgewinnung von Energie sowie durch den optimierten Betrieb können die Referenzwerte für den Primärenergieverbrauch deutlich unterschritten werden.
»Smart Commercial Buildings gehört die Zukunft. Nur wenn wir im Betrieb von Immobilien konsequent die Möglichkeiten digitaler Bausteine nutzen, können wir die notwendigen Energieeinsparungen zum Erreichen der Klimaschutzziele umsetzen. Aber auch, wenn es um das Thema Gesundheit und Sicherheit geht – gerade auch vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen mit der Corona-Pandemie –, führt kein Weg an der Nutzung von intelligenten Sensoren in den Mietflächen vorbei«, ist Sonja Bischoff, Leiterin CA Immo Berlin, überzeugt.
Sicherheitsrisiko
Smarte Technologien können aber auch in älteren Gebäuden kostensparend integriert werden. Moderne Sensortechnik ist dank Narrowband-IoT flächendeckend einsetzbar: Aufzüge melden selbstständig einen Fehlerstatus, die Parkgarage zeigt die Belegung an und in den Büros wird das Raumklima je nach Tageszeit, Wetter und Anzahl der anwesenden Mitarbeiter*innen angepasst.
Auch bei der Energieversorgung liegt der Fokus auf Nachhaltigkeit. In einem durchschnittlichen Gebäude wird rund die Hälfte der Energie verschwendet: Wir beheizen und beleuchten Räume, die nicht genutzt werden. Durch digitale Lösungen ist es möglich, den ökologischen Fußabdruck um bis zu 80 Prozent zu verringern.
Smart-Home-Systeme regeln und optimieren den Strom- und Gasverbrauch sowie Lüftung und Beschattung. Die Daten werden über eine webbasierte Oberfläche visualisiert, so bleiben Betriebskosten, Wartungsbedarf oder auffällige Veränderungen stets im Blick. Vernetzte Wasser-, Gas- und Stromzähler vereinfachen den Energieversorgern die Ablesung und sparen Personalkosten. Schäden an den Leitungen werden zudem entdeckt, bevor sich etwa ein hoher Wasserverbrauch auf die Rechnung niederschlägt. Die Müllabfuhr kann ihre Routen nach Bedarf planen und nur dort leeren, wo die Tonnen wirklich voll sind.
Mit der Vernetzung steigen freilich auch die Sicherheitsanforderungen. Ein Bürogebäude mit tausenden vernetzten Geräten und Sensoren bietet ungleich mehr Angriffspunkte für Cyberkriminelle. Das Gebäudemanagement muss deshalb auch über ein umfassendes Sicherheitskonzept verfügen – zumal sich die Vernetzung häufig noch viel weiter erstreckt. Ein echtes Smart Building verfügt immer auch über Schnittstellen zu anderen Gebäuden, zu Energieversorgern oder kommunalen Einrichtungen.
»Eine der Maßnahmen gegen Eindringlinge ist, Soft-und Hardware einzusetzen, die auf dem Prinzip ›Security by Design and Default‹ basiert. Dies bedeutet, dass die Zahl der Schwachstellen bereits im Design minimiert wird«, sagt Alina Matyukhina, Cybersecurity Manager by Siemens Smart Infrastructure. Steuerungseinheiten für Gebäudeautomatisierung überprüfen auch die digitalen Zertifikate der Geräte, die sie steuern.
Eine weitere Sicherheitskomponente betrifft den Datenverkehr zwischen Geräten unterschiedlicher Hersteller in Gebäude, für den Siemens eine eigene Kommunikationssoftware entwickelt hat, so Matyukhina: »Die Kommunikation über Gebäudenetzwerke wird dadurch so sicher wie eine Online-Banküberweisung. Das Risiko, dass die Datenkommunikation manipuliert wird, ist damit stark minimiert.« Auch Stromzähler oder dezentrale Photovoltaikanlagen kommunizieren mit Netzbetreibern oder Speicheranlagen – bekommt ein Hacker Zugriff auf diese kritische Infrastruktur, ist mitunter die Versorgung ganzer Stadtteile in Gefahr. Dieses Szenario gilt es zu verhindern.
Bauteile, die atmen
Bild: Die Trockenbaupaneele sind erst der Anfang. Die abaton-Mitgründer Maximilian Gruber (li.) und Benedikt Göhmann haben noch große Pläne.
Das Wiener Unternehmen abaton löst das Problem der Flächenkühlung und ermöglicht Gebäudedecken, die kühlen und heizen.
Mit der Überhitzung der Städte steigt der Bedarf an effizienter, nachhaltiger Gebäudekühlung. Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) werden Kühlsysteme bis 2050 nach der Industrie weltweit den größten Stromverbrauch verursachen. Die energieeffiziente Kühlung von Flächen stieß jedoch in unseren Breiten bisher an ihre physikalischen Grenzen: Ohne zusätzliche Entfeuchtung würde das Kondenswasser von der Decke tropfen.
Im Juni 2021 bringt das Wiener Ecotech-Startup abaton ein neues System auf den Markt, das ein zentrales Problem beim Flächenkühlen – nämlich die Feuchtigkeitsentwicklung – auf nachhaltige Weise löst. Die patentierte Hydrobalance-Technologie reguliert mit einer speziellen Porenstruktur das beim Kühlen entstehende Tauwasser. Die »atmenden« Bauteile sorgen somit für angenehmen Raumkomfort ohne Zugluft und sparen zudem rund 25 Prozent Energie gegenüber luftgekühlten Systemen – unabhängig von der Gebäudestruktur und der Klimazone.
Nach fünfjähriger Entwicklungszeit und Förderung seitens der Wirtschaftsagentur Wien und der FFG ist die von Benedikt Göhmann, Maximilian Gruber und Julia Knittel erdachte Technologie serienreif. Unterstützt wurden die Forscher*innen von den erfahrenen Bauphysikern Jochen Käferhaus und Wieland Moser sowie Leo Obkircher, der sich seit zwei Jahrzehnten mit ökologischen Energielösungen beschäftigt. »Das hätten wir in einer anderen Stadt, ohne dieses starke Netzwerk, nicht geschafft«, sagt abaton-Mitgründer Bernhard Göhmann.
Flexible Innovation
Das erste konkrete Produkt ist ein Trockenbaupaneel, das mit allen gängigen Trockenbausystemen kompatibel ist. Die Platten können in Decken oder Wänden verlegt werden – je nach Wunsch verdeckt oder als Gestaltungselement in Sichtbeton-Optik. Besonders kostengünstig und zeiteffizient kann das Kühlsystem bereits im Rohbau in die vorbereitete Deckenschalung integriert werden, aber auch Nachrüstungen bei alten Gebäuden sind ohne Abstriche möglich. Auch Leuchten, Vorhangstangen oder Rauchmelder können problemlos eingebaut werden. Die abaton-Paneele kommen mit deutlich geringerer Belegungsfläche aus. Das Gewicht entspricht einer Gipskarton-Feuerschutzdecke.
Der Clou: Die Decke kann nicht nur kühlen, sondern auch heizen. »Heizen mit der Decke ist der Schlüssel zur Kosteneffizienz im Wohnbau«, ist Göhmann überzeugt. »Im Gegensatz zu Systemen aus den 70er-Jahren, die unangenehm auf den Kopf strahlten, erzeugt unsere Technologie eine angenehme Temperierung.«
Kleinserien bis 400 m² werden derzeit von Kirchdorfer Industries gefertigt, die Lieferzeit beträgt zwei bis drei Monate. Die serielle halbautomatische Fertigung soll im Frühjahr 2022 folgen. Als nächster Schritt soll die Technologie in Betonfertigteile integriert werden. Mit Industriepartnern ist man bereits im Gespräch.
Smart Home im Altbau
Bild: Thomas Moser (li.) und Rüdiger Keinberger richten den neuen Standort Wien strategisch als »Internationalisierungshub« aus.
Altbau und intelligente Gebäudeautomatisierung klingt zunächst wie ein Widerspruch. Dass es dennoch möglich ist, zeigt das oberösterreichische Unternehmen Loxone, Marktführer für Haus- und Gebäudeautomation, in seinem neu eröffneten Standort in der Wiener Innenstadt.
Das 250 m² große Büro in einem denkmalgeschützten Palais aus dem 19. Jahrhundert wurde behutsam mit größtem Know-how der Automatisierungstechnik adaptiert: Beleuchtung, Beschattung, Klimatisierung, Beschallung und Zutrittskontrolle spielen optimal zusammen und verbinden energieeffiziente Nutzung mit einem »Wohlfühlfaktor«, wie CEO Rüdiger Keinberger betont: »Bei der Altbausanierung gibt es viele Herausforderungen. Die Integration der Gebäudeautomatisierung unterscheidet sich hier deutlich von einem Neubau. Nach Abschluss des Projekts zeigt sich: Die Loxone-Technik hebt die Wirkung der alten Architektur sogar noch hervor.« Um den besonderen Charme des historischen Gebäudes – etwa die Stuckdecken und die hohen Räume – zu unterstreichen, wurde eigens eine limitierte Serie der Beleuchtungs- und Bedienelemente in Messing-Optik entworfen. Die »Vienna Edition« ist für kurze Zeit bei den Partner-Unternehmen erhältlich.
Die Steuerung der Features erfolgt per Funk oder Kabel, Bewegungsmelder sind nicht sichtbar. Beschattung, Heizung und Raumklima korrelieren mit der Zahl der anwesenden Personen, Helligkeit und Temperatur und sorgen für eine maximale Energieeffizienz. »Wir wollen so wenig Energie wie möglich verbrauchen, aber trotzdem ein angenehmes Raumklima erzielen«, erklärt Loxone-Mitgründer Thomas Moser. Wegen des Denkmalschutzes war eine Außenbeschattung nicht möglich, in den Kastenfenstern konnte jedoch mit Rollos aus einem speziell entwickelten Stoff mit metallisierter Rückseite eine alternative Lösung gefunden werden, die 60 Prozent der Sonneneinstrahlung wieder nach außen leitet.
Das Büro soll künftig als Schauraum sowie für Schulungen genützt werden. Wien nimmt als »Internationalisierungshub« neben Madrid und Lyon eine strategische Schlüsselstelle ein. In den nächsten fünf Jahren sind 20 neue Niederlassungen geplant.
»Das ist digitaler Humanismus«
Die Cloud ist Enabler für Schlüsseltechnologien der Smart City. Österreich hat hier noch Nachholbedarf, meint Patrick Malicek, Senior Manager Health & Öffentlicher Bereich bei Accenture Österreich.
Report: Mit welchen digitalen Lösungen können Städte und Behörden die Herausforderungen der Zukunft meistern?
Patrick Malicek: Der Bogen digitaler Lösungen, die unsere Städte – und Regionen – lebenswerter machen, reicht von Mobilität, Wirtschaft, Umwelt über Regierung und Verwaltung bis hin zu den Bürger*innen selbst. Ein praktisches und sehr erfolgversprechendes Beispiel ist der »Digital Twin«, der»digitale Zwilling« einer Stadt. In Wien konnte beispielsweise mithilfe eines digitalen Zwillings der Kältebedarf der Stadt, der umweltfreundlich durch Fernkälte gedeckt werden soll, in einem strategischen Planungstool simuliert und optimiert werden. Damit kann die Versorgung punktgenau und bedarfsgerecht erfolgen. Das Ergebnis sind niedrigere Kosten und hohe Zukunftssicherheit der kommunalen Infrastruktur.
Report: Wie kann Datensicherheit gewährleistet werden?
Malicek: Die Cloud ist die Schlüsseltechnologie für das immer wichtiger werdende Thema Datensicherheit. Gerade im Smart-City-Umfeld, welches von Echtzeitdaten des Nahverkehrs über Bürgerservices bis zu diversen Registern vielfältige Datenquellen nutzt, muss mit schlauen Lösungen Datensicherheit gewährleistet werden. Public Cloud-Anbieter setzen auf höchste Qualität für Ausfall- und Datensicherheit in skalierter Form. Die Technologie ist extrem leistungsfähig und damit auch komplexer geworden. Entsprechende Kompetenz ist entscheidend im Entwurf passender und sicherer Lösungen.
(+) plus: Welche Vorteile bietet der Public-Cloud-Ansatz neben der Datensicherheit noch?
Malicek: Er ist auch Enabler für Smart City-Schlüsseltechnologien wie künstliche Intelligenz und den digitalen Zwilling. Hier hat Österreich Aufholbedarf: 67 Prozent der globalen Führungskräfte in Wirtschaft und Verwaltung sehen Cloud als Enabler für den digitalen Zwilling, jedoch planen nur 34 Prozent der österreichischen Führungskräfte in Wirtschaft und Verwaltung entsprechende Projekte im kommenden Jahr. Wir heben also noch nicht das kreative Potenzial eines digitalen Zwillings. Dabei bietet dieser neben dem bekannten Ansatz, reale Prozesse und Workflows auf Basis gesammelter Daten digital nachzubilden und so Rückschlüsse zu ziehen, einen überaus spannenden weiteren Ansatz. Einmal gespiegelte Prozesse kann man mit künstlicher Intelligenz anreichern und auf Basis von den sich ergebenden Lerneffekten ständig verbessern. Auf diese Art wurden bereits neue Geschäftsmodelle identifiziert und erfolgreich am Markt etabliert.
Report: Welchen Platz nimmt der Mensch in einer technologiegesteuerten Stadt ein?
Malicek: Den Mittelpunkt. Smarte, digitale Lösungen machen nur Sinn, wenn sie sich an den Bedürfnissen und der Lebensrealität der zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer orientieren. Wir arbeiten möglichst nah mit unseren Kunden – etwa den Mitarbeiter*innen der Magistratsabteilungen sowie auch mit deren Kunden, den Bürger*innen – zusammen. Das ist digitaler Humanismus. Dabei wird der Mensch ins Zentrum technologischer Entwicklungen gestellt und zum Maßstab im digitalen Zeitalter gemacht. Wenn wir die eigentlichen menschlichen und gesellschaftlichen Werte in digitalen Lösungen herausarbeiten, muss das innerhalb der Algorithmen und Programme passieren.