Unternehmen brauchen gerade in Zeiten des Umbruchs eine überzeugende Antwort auf die Frage, wie sie die Zukunft anpacken. Eine gute Strategie liefert den Bauplan.
Digitale Transformation und erhitzter Wettbewerb stellen Manager vor die Herausforderung, ihre Organisation strategisch weiterzuentwickeln, um im Geschäft zu bleiben. Es stellt sich die Frage, ob dafür nicht auch eine andere Art der Strategiearbeit entworfen werden müsste. Braucht es eine, die schneller, flexibler, kreativer funktioniert, die smart und agil ist?
In unserer schnelllebigen Welt erscheint ein konsistentes Verhaltensmuster altmodisch, gerade angesichts der jungen Wilden am Markt, die so manches größere Unternehmen das Fürchten lehren. Die wenigsten Startups haben aber bereits von Anfang an eine feste Vorstellung davon, wie sie erfolgreich werden. Vielmehr agieren sie nach der Trial-and-Error-Methode – also dem kreativen Ausprobieren. Etablierte Unternehmen sehen sich nicht selten gezwungen, das Tempo der agilen Angreifer zu übernehmen, und fragen sich, ob dafür noch ein detaillierter Plan notwendig ist.
Durchwursteln ist keine Strategie
Wer sich der Zukunft seines Unternehmens verpflichtet fühlt, darf jedoch nicht auf erfolgreiches Durchwursteln vertrauen. Die Überlebenschance von Startups liegt bei höchstens 1:10. Für verantwortliches Management in etablierten Unternehmen kann eine zehnprozentige Erfolgswahrscheinlichkeit keine Maßgabe sein. Allen Unkenrufen zum Trotz: Grundsätzlich ist Strategie – richtig angewandt – gerade in disruptiven Zeiten weiterhin die Königsdisziplin, um das Unternehmen unschlagbar zu machen.
Vorwärts gerichtete Unternehmen brauchen ab einem bestimmten Punkt einen klaren Bauplan für die Zukunft, wenn sie erfolgreich wachsen wollen – einen Bauplan, der als gedankliches Gerüst die ganze Organisation zu stimmigen Handlungen anleitet.
Die Strategie ist ein solcher Plan und damit die Grundlage, auf der ein Unternehmen seinen Weg zum langfristigen Erfolg geistig vorwegnimmt. Entsprechend dieser Bedeutung gilt es, auch die Strategiearbeit auszurichten: Sie sollte ein strukturierter Denk-, Entscheidungs- und Kommunikationsprozess sein, um Kräfte zu bündeln, die Zukunft in den Blick zu nehmen und das Unternehmen auf Angriff zu schalten.
Agilität im Strategieprozess
Der integrierte Strategieprozess legt seinen Fokus darauf, das Leitbild, das Geschäftsmodell und die Umsetzungskraft eines Unternehmens auszugestalten. Diese drei Aspekte sind für eine gute Strategie zentral. Das Leitbild beantwortet die Frage, warum sich die Organisation in eine bestimmte Richtung entwickeln will. Das Geschäftsmodell legt fest, wie es anders werden kann als seine Wettbewerber, und die Umsetzungskraft zielt darauf ab, wie es besser wird. Bauen diese drei Komponenten marktgerecht aufeinander auf, ist die Grundlage zur Unschlagbarkeit gelegt.
Jedes Unternehmen sollte bestrebt sein, sich von seinen Wettbewerbern positiv abzuheben – sei es durch einen zeitgerechten Auftrag, durch konzeptionelle Merkmale, die das »Anderssein« bestimmen, oder durch herausragende Umsetzung, das »Bessersein«.
Überraschenderweise treffen viele Organisationen in ihrem Strategieprozess jedoch nicht die Unterscheidung zwischen »anders werden« und »besser werden«. Im schlimmsten Fall erarbeiten sie lediglich eine SWOT-Analyse, auf deren Basis sie ein strategisches Maßnahmenprogramm erstellen. Wir nennen diese Abkürzung einen »strategischen Kurzschluss«, da man sich auf diese Weise weder mit dem Leitbild, dem Geschäftsmodell und dem Zielsystem ausreichend befasst. Ergebnis ist in aller Regel ein reines »Schwächenbehebungsprogramm« unter dem Deckmäntelchen der Strategie.
»Anderssein« und »Bessersein«
Das »Anderssein« und das »Bessersein« strikt auseinander zu halten, ist für die Strategiearbeit entscheidend. Dies mag auf den ersten Blick überraschen, denn für Kunden sind sie Bestandteile eines ganzheitlichen Leistungspakets, das sie anderen Leistungspaketen gegenüber bevorzugen oder nicht. Aus Unternehmenssicht sind »Anderssein« und »Bessersein« allerdings zwei völlig verschiedene Differenzierungsfaktoren. Sie werfen jeweils grundsätzlich unterschiedliche Fragen an die Unternehmenssteuerung auf: Wer »anders« werden will, braucht die Brillanz, die Weitsicht und den Mut weniger Einzelner, um die Räume zu finden, die Wettbewerber noch nicht besetzt haben. Dazu gehört die Grundeinstellung, dass die Wesensmerkmale der heutigen Geschäftslogik (Geschäftsmodell) nie als unverrückbar anzusehen sind, etwa in Bezug auf Produkte, Kunden, Vertriebswege.
Wer »besser« werden will, muss die gesamte Organisation aktivieren, da nur im Zusammenspiel aller Kräfte außergewöhnliche Leistungen zum Beispiel in Bezug auf Qualität, Umsetzungsgeschwindigkeit, Serviceorientierung oder Kosten möglich sind.
Wem die Zukunft gehört
Die Fähigkeit, auf Grundlage eines überzeugenden Leitbildes kontinuierlich »anders« und »besser« zu werden, ist also entscheidend. Wer anhaltend erfolgreich sein möchte, muss nicht der Größte oder der Coolste sein, sondern in der Gesamtschau Lösungen gefunden haben, die auf dem Spielfeld anders und besser sind. Das sind Unternehmen, die nie mit dem Status quo zufrieden sind, die sich ständig weiterentwickeln wollen, denen die Arroganz des Erfolges fremd ist und die Strategiearbeit ernst nehmen. Das sind Unternehmen, die so eben unschlagbar sind.
Zum Autor: Oliver Greiner ist Partner und Strategieberater bei den Management Consultants Horváth & Partners. In seinem Strategiebuch »TOUCHDOWN! Wie Unternehmen unschlagbar werden« beschreibt er innovative Ansätze für erfolgreiche Strategien (Murmann Publishers, 2018, murmann-verlag.de).
Glossar: Das Unschlagbarkeitsprinzip
Unschlagbarkeit ist kein Zustand, sondern eine Geisteshaltung. Drei Bausteine machen Organisationen unschlagbar – egal ob Konzern, Geschäftseinheit oder Funktionsbereich:
1. Die Fähigkeit, ein klares, motivierendes und zukunftsgerichtetes Leitbild zu artikulieren und den grundlegenden Auftrag der Organisation festzulegen (Mission), den eigenen Erfolgsanspruch zu spezifizieren (Vision) sowie Leitsätze und Werte als strategische Leitplanken zu definieren.
2. Die Fähigkeit, kontinuierlich »anders« zu werden: sich stets neu aufzustellen zu können, um das Leitbild noch erfolgreicher zu erfüllen. Dabei verändert sich im Charakter des Geschäftsmodells etwas grundlegend, z.B. durch den Einstieg in ein neues Produkt- oder Kundensegment, die Veränderung des Marktzugangs oder das Anpassen der Fertigungstiefe. Anders wird man, indem strategische Grundsatzentscheidungen (machen oder nicht machen) getroffen werden.
3. Die Fähigkeit, kontinuierlich »besser« zu werden: ausgewählte, von Kunden geforderte Leistungsmerkmale überlegener erfüllen zu können als der Wettbewerb – oder sie mit weniger Aufwand bereitzustellen, etwa in Bezug auf unternehmerische Ziele wie Qualität, Pünktlichkeit, Kostenstruktur und Serviceorientierung. Besser wird man, indem viele Kräfte in der Organisation mit anpacken und in tagtäglichen Routinen nach exzellenter Auftragserfüllung streben.
Wann ist ein Unternehmen also unschlagbar? Immer dann, wenn es auf der Grundlage eines überzeugenden Leitbildes kontinuierlich schafft, anders und besser zu werden!