Dienstag, Dezember 03, 2024

schon bemerkt? Die Werbepause bereitet uns auf den Crash vor.Die Anzeichen für die Apokalypse sind da – denn Werbung lügt nicht.

 

Von Rainer Sigl

Ja, ich geb‘s zu: Lange habe ich gespottet über das Untergangsgeraune, das Krisengesülze und das Apokalypsengeseiere. Ich hab‘s nicht geglaubt, als sich in den TV-Nachrichten, Magazinen und Tageszeitungen düstere Krisenausblicke gegenseitig zu übertrumpfen suchten und hatte weiterhin auf das Gute im Menschen, das Prinzip Hoffnung und eine gewisse Medienhysterie gesetzt. Damit ist es jetzt vorbei - denn wenn schon die Werbung beginnt, die Krise mit leichter Hand zum Thema zu machen, ist Feuer am Dach.

Es muss wohl schon länger schleichend begonnen haben, doch erst vor kurzem fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Die Werbung, dieser stets heiter-frohe Gradmesser unserer rechtschaffen kaufsüchtigen Spaßgesellschaft, hat‘s diesmal wieder schneller kapiert als der Rest der Medien und rüstet uns unterbewusst für das Leben nach dem absoluten Crash. Denn mal ehrlich: Wie sonst ließe sich zum Beispiel ein Fernsehspot für eine Pfandleihkette interpretieren, in der unvernünftig gutgelaunte Menschen ihre Familienerbstücke versilbern? Gut, der Spot tüncht seine apokalyptische Message nach guter Werbetradition in skurril-absurdes Rosarot, doch dies nur zu unserem Schutz. Klar wird wohl keiner, der wegen akuten Hungers und chronischer Arbeitslosigkeit das Firmkreuzerl des Urgroßvaters zur Pfandleihe bringt, mit den ähnlich verlorenen Seelen dort auch nur ein schambesetztes Wort wechseln, geschweige denn diesen Ausflug in die Welt der hungerbedingten Ahnenschändung zum Anbandeln mit ebenso ihre Familienerbstücke versetzenden Blondinen nutzen. Doch genau darin liegt die Genialität: Die Pfandleihe, so suggeriert uns das Orakel der Werbung, wird bald auch für dich ein ganz normaler Ort der Begegnung sein!

Nach dieser Erleuchtung sehe ich nun überall in den harmlos scheinenden Werbebotschaften die Vorboten der wirtschaftlich-gesellschaftlichen Apokalypse. Wird es wirklich so schlimm werden, dass uns im McCafe hungerverwirrte Mitbürgerinnen den proteinreichen Cappuccinoschaum von der Nasenspitze nuckeln? Bricht unser Wirtschaftssystem bald so gründlich zusammen, dass wir uns durch Tauschhandel mit Merci-Schokolade über Wasser halten müssen? Und werden bald aus Kostengründen auch die Wahlplakate anderer Parteien nur mehr die eigenen Spitzenkandidaten in Farbe, jene anderer Parteien aber in kostengünstigerem Schwarzweiß abbilden müssen?

Mit einem Wort: Steht es wirklich schon so schlecht um uns - und wir haben es bislang einfach nicht bemerkt? In Zeiten unzuverlässiger Medien, so schlussfolgere ich zumindest, ist die Werbung womöglich das einzige Medium, das uns - durch die Blume, aber immerhin – die Wahrheit sagt.
Und so warte ich nun täglich mit grausigem Bangen vor dem Fernseher darauf, wie schlimm es noch kommen wird. Ich sag‘s offen: Wenn in der Baumarkt-Werbung Stacheldraht im Dauer-Sonderangebot ist; wenn die Familie Putz durch elegante Bunkerstockbettenkollektionen tanzt; wenn bei Humboldt Top-Weiterbildungen zum Mangelwirtschaftsprüfer oder zum Suppenküchenmanager auf dem Studienplan stehen; wenn bei Humanic der Kaloriengehalt der aktuellen Stiefelkollektion im Kleingedruckten auftaucht; dann, ja dann wird wohl langsam, aber sicher auch dem letzten, noch so naiv optimistischen Konsumenten klarwerden müssen, wie es wirklich um uns steht.

Ob mich das bedrückt? Lustigerweise gar nicht, seit ich durch dieses tolle Koffeinshampoo mit Clooney-Grau-Effekt wieder mein altes Selbstbewusstsein zurückhabe. Sieht schick aus, oder? In der Zwischenzeit trag ich aber trotzdem meine Erbstücke in die Pfandleihe, um mich zur Sicherheit mit Schokolade- und Cappuccino-Vorrat einzudecken. Irgendwie hat sich in meinem Unterbewussten nämlich durch das intensive Werbungsstudium die dumpf frohlockende Gewissheit eingenistet, dass da, im zarten Licht der Apokalypse, irgendwie, irgendwo vielleicht  doch was gehen müsste mit den Hasen.
I‘m loving it.

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