VMware wurde von Broadcom übernommen. Durch die Kündigung der Partnerverträge und dem Herunterfahren der Partnerlandschaft ist am Markt Unsicherheit entstanden. Vorerst bleibt dennoch vieles beim Alten.
Es war ein ereignisreiches Jahr für IT-Abteilungen vieler Unternehmen. Für Aufregung gesorgt hatten unter anderem Veränderungen in der Lizenzpolitik des größten Anbieters von Virtualisierungstechnologie am Markt. Durch die marktbeherrschende Stellung von VMware, das 2023 vom Chiphersteller Broadcom übernommen worden ist, waren viele Unternehmenskunden von der Abkehr des alten Modells unbefristeter Lizenzen (»perpetual«) betroffen – von nun ab gab es ausschließlich ein Subscription-Modell mit einem stark veränderten Portfolio. Das Angebot von Einzelprodukten wurde von VMware eingestellt, die Latte für den Einstieg in die Virtualisierungswelt höher gelegt. Wer weiterhin Zugriff auf die Produkte des Herstellers bekommen möchte, muss jetzt größere Bundles in Kauf nehmen. Abgerechnet wird die Nutzung auch nicht mehr anhand der Prozessorzahl, sondern granularer, anhand der Cores. Das hat Auswirkungen bei den Kosten – von einem Faktor zwei bis zwölf ist in der Branche die Rede, teilweise sogar von mehr.
Was ist Virtualisierung? Unter dem Begriff Virtualisierung wird eine Abstraktion physischer IT-Ressourcen zusammengefasst. Komponenten wie Hardware, Software, Speicher und Netzwerkkomponenten werden auf virtueller Ebene bereitgestellt und können flexibel von verschiedenen Nutzern verwendet werden. So könnten zum Beispiel mehrere Betriebssysteme auf einem physischen Server ausgeführt werden.
Ein Blick auf den Markt in Österreich zeigt, dass sich trotzdem vorerst nicht viel verändert. »Natürlich haben sich auch unsere Kunden einen Überblick zu den Auswirkungen auf die Lizenzkosten verschafft. Für einige mit einem längerfristigen Prepaid-Vertrag kommt die Umstellung erst in ein bis zwei Jahren«, berichtet Eduard Kowarsch, Head of Cloud Services bei T-Systems in Österreich. »VMware ist aber weiterhin ein tolles Produkt mit entsprechend vielen Möglichkeiten und Funktionen«, sieht der Experte. Er ist überzeugt, dass diese »schwer bis gar nicht ersetzbar« sind – sofern IT-Abteilungen die Funktionsbreite tatsächlich nutzen.
Alternativen gebe es dennoch, wenn auch nicht für jeden Einsatzbereich, meint Kowarsch. Nutanix, ein bekannter Mitbewerber von VMmare, war einer der Ersten, die Produkte für ein »hyperconverged« Umfeld angeboten hatten – das IT-Infrastruktur, die Virtualisierung, Rechenleistung, Netzwerk und Speicher auf einer einzigen Plattform vereint. Eine weitere bekannte Virtualisierungsplattform gibt es bei Red Hat Virtualization, dem größten Business Player der Open-Source-Szene. Sogar auch ein österreichischer Anbieter spielt am Virtualisierungsmarkt mit: Die Lösungen von Proxmox passen gerade für kleinere und mittlere Anwendungen gut. In Sachen Leistungsfähigkeit und Funktionsbreite aber steht VMware weiterhin an erster Stelle.
Bild: Eduard Kowarsch ist Head of Cloud Services bei T-Systems in Österreich
Wäre vielleicht ein technologischer »Shift« ein Ausweg? Weg von eigener Server-Infrastruktur, hin zu einem Full-Service in der Public Cloud? Nun, jeder Wechsel, sei es auf eine Virtualisierungstechnologie, auf Cloud-Angebote oder etwa Container-Technologie bedeutet einen Aufwand. Betriebsumgebungen und Anwendungen einfach von A nach B zu verschieben, funktioniere im Normallfall nicht, erklärt Kowarsch. Es braucht Anpassungen, mitunter muss die komplette Software geändert werden. Auch anderswo treten Risiken auf. So sind Unternehmenskunden auch bei anderen Virtualisierungsanbietern nicht vor Preiserhöhungen gefeit. Ebenso passen Public-Cloud-Anbieter regelmäßig ihre Servicepreise an. Zwar gibt es den »Lock in« bei einem Hersteller oder einem Infrastrukturanbieter auf dem Papier nicht. In der Praxis des Tagesgeschäfts in der IT, wo der Geschäftserfolg von Unternehmen unmittelbar von unterbrechungsfreien Services aus dem Rechenzentrum anhängt, ist der Zwang scheinbar dennoch gegeben.
Wie sind nun die IT-Partner der Unternehmen dieser Herausforderung begegnet? T-Systems war selbst von der Umstellung betroffen. »Wir setzen VMware auf vielen Plattformen und in unserer eigenen Infrastruktur ein. Auch viele unserer Kunden haben VMware-Produkte im Einsatz. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass für Enterprise IT aufgrund der tiefen Integration von VMware in alle Prozesse eine Ablöse kurzfristig nicht realisierbar ist«, berichtet Kowarsch. Gemeinsam mit der Konzernmutter Deutsche Telekom wurden mit Broadcom verhandelt, um mit einem entsprechenden hohen Partnerschaftsstatus (»Pinnacle Partner«) weiterhin für die Kunden vorteilhafte Preise zu bekommen. »Wir bieten Beratung zur Virtualisierungsstrategie und Lizenzkosten an, analysieren dabei die gesamte IT-Infrastruktur und alle Applikationen im Einsatz. Gerade die Art der Anwendungen ist bei dieser Betrachtung wichtig: auf welchen Plattformen diese laufen und mit welchem Aufwand Migrationen überhaupt möglich wären«, so der Cloud-Experte. T-Systems bietet IT-Services unabhängig vom Rechenzentrumsstandort. Weiter angeboten wird ein Lizenz-Reselling auch IT-Dienstleistern, die selbst keinen Partnerschaftvertrag mit Broadcom haben.
Als Trend sieht Kowarsch »License as a Service«, bei dem die Lizenzen und der grundlegende Betrieb des Hypervisors angeboten werden, inklusive Patching. Zudem wird mit der »Future Cloud Infrastructure« eine VMware-basierte Plattform als Service im Rechenzentrum von T-Systems oder bei den Kunden betrieben. Zum Beispiel am Produktionsstandort eines Fertigungsunternehmen, das die Rechenleistung vor Ort benötigt.
»Ein kurzfristige Änderung auch auf andere Technologien ist kaum möglich«, bekräftigt Kowarsch. Dennoch sollten sich Unternehmen überlegen, wohin sie strategisch mit ihrer IT-Infrastruktur gehen wollen. »Setzt man weiterhin auf die Plattform, auf der man bereits ist – als etwa Standardapplikationen, die auf Servern laufen – oder geht man in einer Modernisierung in die Cloud oder in einen Container-Betrieb? Das ist dann ein längeres Projekt, das auch die passenden Applikationen und Anpassungen erfordert.« Welche Technologien schlussendlich zum Einsatz kommen, ist auch eine Frage der Workloads – also der Leistung, die Services zu bestimmten Zeiten erfordern. Auch eine Public-Cloud sei »nicht die Lösung für alles«, viele Unternehmen setzen auf hybride Lösungen.
Hintergrund: VMware und die Alternativen
Der Aufwand für die Migration zu anderen Anbietern ist groß. Noch gibt es kaum Unternehmen, die sich bei ihrer Virtualisierungsstrategie komplett vom Branchenprimus VMware verabschieden.
1. Nummer eins
Gerade für größere Unternehmen, die viele Features wie zum Beispiel VMware NSX, vSAN oder die VMware Aria Suite nutzen, ist das Preis-Leistungs-Verhältnis bei »VMware by Broadcom«-Produkten nach wie vor besser als bei den Marktbegleitern.
2. Verfolger
Die Alternative Nutanix ist ein ausgereiftes Enterprise-Produkt mit einer langjährigen Marktpräsenz und entsprechendem Support. Das Produkt ist hervorragend für mittlere Lasten geeignet, zum Beispiel an verteilten Standorten in einem Unternehmensnetzwerk.
3. Große Alternativen
Der Vorteil bei Red Hat Virtualization ist der etablierte Hersteller mit einem großartigen Produktportfolio und einer weltweiten Community für Open-Source-Entwicklungen. Für kleine Unternehmen ist zudem Hyper-V von Microsoft ein Ansatz, bei dem man kaum etwas falsch machen kann.
4. Made in Austria
Die Lösung aus Österreich, Proxmox, ist ebenfalls schon länger am Markt und gerade für den kleineren und mittleren Bereich geeignet. Der Vorteil hier sind die kurzen Wege zum Hersteller gerade für Dienstleister und Kunden hierzulande.