Der Hype um künstliche Intelligenz ist groß – wo stehen wir mit diesen Technologien heute wirklich? In welchen Bereichen sind Lösungen mit Unterstützung durch Machine Learning besonders erfolgreich? Bei einem Publikumsgespräch des Report Verlags am 30. März im Bundesrechenzentrum in Wien diskutierten Expert*innen aus Wirtschaft, Forschung und Politik zum Thema "Werkzeugkiste KI" und der aktuellen Gestaltung von Wirtschaft und Verwaltung damit. Die Veranstaltung wurde von AIT, BearingPoint, BRZ und Nagarro unterstützt.
Die Podiumsteilnehmer*innen (Bild oben von links mit Moderator Martin Szelgrad, Report Verlag):
Florian Tursky, Staatssekretär für Digitalisierung und Telekommunikation im Bundesministerium für Finanzen
Jasmin Lampert, Senior Data Scientist, AIT Austrian Institute of Technology
Sabine Walch, CEO von danube.ai
Andreas Trost, Teamleiter Productmanagement AI, BRZ
Martin Beck, Head of Data Analytics & AI bei BearingPoint Österreich
Thomas Schweiger, KI-Enthusiast bei Nagarro
Fotos (Milena Krobath): www.flickr.com/photos/award2008/sets/72177720307136401/
Video (Bernhard Schojer): www.youtube.com/watch?v=Sn4J5-vqPqA
Florian Tursky, Staatssekretär für Digitalisierung und Telekommunikation im Bundesministerium für Finanzen
Welchen Nutzen werden KI-Lösungen für die Menschen bringen? Und welche Herausforderungen sehen Sie hier?
Florian Tursky: Wir arbeiten seit vielen Jahren an der Digitalisierung und Modernisierung des öffentlichen Dienstes in Österreich – und setzen dabei auch auf Lösungen mit künstlicher Intelligenz. Mit Angeboten wie ChatGPT haben die Bürger*innen nun die Chance, sich mit den Möglichkeiten durch KI selbst auseinanderzusetzen – das wird der gesamten Entwicklung der Technologie eine enorme Geschwindigkeit verleihen. Für mich ist es so etwas wie ein iPhone-Moment, als 2007 das Smartphone den kompletten Markt verändert hat.
Künstliche Intelligenzen werden unser Leben zukünftig einfacher, schneller und bequemer machen. Das wird auch dazu führen, dass wir länger und gesünder leben, aber auch den Energieverbrauch von Technologie reduzieren müssen – an KI werden alle großen Fragen unserer Zeit adressiert. Die Digitalisierung ist ein Prozess, der weltweit stattfindet. Wir sollten jetzt die Chancen nützen, mitzuhalten und den Wohlstand der Bevölkerung in Österreich und in Europa mit Innovation zu sichern. Denn wenn wir bei Technologien wie KI nicht mithalten können, heißt das weniger Wettbewerbsfähigkeit und weniger Wertschöpfung.
Haben wir die richtigen Rahmenbedingungen für Entwicklungen dazu – und auch genügend Fachkräfte? Wie kann hier der Staat noch unterstützend wirken?
Tursky: Ich denke, dass wir in Österreich gut aufgestellt sind – zum Beispiel bei Anschubfinanzierungen für Start-ups durch die FFG. Bei weiteren Finanzierungsrunden ab rund einer Million Euro tun sich Jungunternehmen in Österreich schon etwas schwer. Hier müssen wir noch attraktiver werden und auch bessere Rahmenbedingungen für Venture Capital schaffen.
Der Mangel an Fachkräften und auch Arbeitskräften auch durch den demografischen Wandel ist wiederum ein Problem, das wir nicht nur in Europa, sondern weltweit haben. Den Highend-Bereich am IT-Arbeitsmarkt in Österreich versuchen wir mit neuen Institutionen und Initiativen, wie die neue TU für Digitalisierung und digitale Transformation in Linz, zu stärken. Wir brauchen allerdings auch in der Bevölkerung mehr Grundverständnis für Digitalisierungsthemen – etwas, das wir mit Maßnahmen im Schulterschluss mit mehreren Ministerien adressieren.
Welche Rolle wird eine Regulierung von KI spielen?
Tursky: Eine Regulierung, die aktuell die Europäische Union als einzige Region in der Welt gesetzlich umsetzt, betrachte ich als zentralen Faktor für den Erfolg eines KI-Marktes. Ein gut durchdachtes Regelwerk wie der „EU AI Act“ ist sicherlich besser, als Innovation oder Forschung zu verbieten – wie zuletzt in einem KI-Moratorium aufgerufen wurde. Die KI-Regulierung darf aber nicht zu einem Wettbewerbsnachteil für Europa führen. Sie muss Rechtssicherheit für Unternehmer*innen schaffen, zum Wohle der Konsument*innen. Dazu gehört auch, dass wir niemals ein Social-Scoring-System zulassen oder Konsument*innen aufgrund von Datenanalysen von Angeboten etwa einer Versicherung ausgeschlossen werden dürfen. Mit dem Reallabor-Gesetz werden wir in Europa abgesteckte Räume schaffen, damit sich Innovationen bestmöglich ausbreiten können. Denn es nützt nichts, wenn wir in Europa Musterschüler der Regulierung sind, aber uns links und rechts alle anderen überholen.
Andreas Trost, Teamleiter Productmanagement AI, BRZ
Welchen Ansatz haben Sie mit KI-Lösungen für die Verwaltung?
Andreas Trost: Als Kompetenzzentrum für Digitalisierung sehen wir im Bundesrechenzentrum in KI eine große Chance und Innovationstreiber für die öffentliche Verwaltung. Das Einsatzfeld ist sehr breit – von der Unterstützung in der Entscheidungsfindung im Bereich der Prozessautomatisierung intern bis zu den Schnittstellen zu den Bürger*innen. Die Ziele sind stets, Effizienz und Effektivität zu steigern und Systeme zu verbessern. KI bietet nicht die Antworten auf alle Fragen der Digitalisierung, aber es gibt sehr gute Themenfelder für den Einsatz. Wir gehen verantwortungsbewusst mit dem Thema um und setzen KI unterstützend für den Menschen ein – keinesfalls werden autonom Entscheidungen getroffen. Der Mensch hat immer das letzte Wort.
Wie kann Machine Learning speziell im Public Sector unterstützen?
Trost: In der Betrugsbekämpfung können als Teil des Risikomanagements Unregelmäßigkeiten in Steuererklärungen, in der Betriebsführung oder auch als Teil der Forensik in beschlagnahmten Dokumenten und Daten mit Hilfe von KI gefunden werden. Mit „supervised learning“ anhand von Daten aus der Vergangenheit werden Muster erkannt und komplexe Zusammenhänge entdeckt – was ein Mensch aufgrund der Komplexität übersehen würde. Mit KI werden so die Expert*innen der Betriebsprüfung und Steuerfahndung bei der Auswahl und Bearbeitung ihrer Fälle unterstützt.
Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich der Textanalyse ist die automatisierte Anonymisierung von personenbezogenen Daten in Dokumenten aus Gerichtsentscheidungen, die im Rechtsinformationssystem des Bundes veröffentlicht werden. KI hilft auch, um Gesichter auf Fotos aus Gründen des Datenschutzes unkenntlich zu machen oder bei der Beschlagwortung von Bildern in Archiven, um zum Beispiel nach bestimmten Gebäudetypen suchen zu können. Im Bereich der Prognosen und Simulationen gibt es ebenfalls Anwendungsszenarien, zum Beispiel in der wirtschaftlichen Krisenvorsorge. Eine intelligente Prozessautomatisierung senkt den Aufwand bei Bürger*innen und innerhalb der Verwaltung bei vielen Anwendungsfällen.
Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg von KI ist die Identifikation geeigneter Use-Cases mit hohem Nutzenpotential und der Daten in ausreichender Qualität und Quantität, die dafür notwendig sind.
Welche Erfahrungen haben Sie bei der Operationalisierung von Machine Learning und wie stark spielen auch ethische und datenschutzrechtliche Fragestellungen eine Rolle?
Trost: Wir setzen uns bereits verstärkt seit einigen Jahren mit dem Thema Ethik und KI sorgfältig auseinander, beispielsweise mit einem eigenen Prüfkatalog für vertrauenswürdige KI. Mit unserem Rechenzentrum in Österreich haben wir bei der Datenhaltung und beim Betrieb von KI-Diensten einen großen Vorteil. Unsere Stärke ist es, KI-Anwendungen vom ersten Prototyp bis zum laufenden Echtbetrieb verantwortungsbewusst zu begleiten. Der Nutzen von KI entsteht vor allem im laufenden Einsatz, als Teil der Geschäftsprozesse. Das benötigt stets die Zusammenarbeit verschiedener Akteure: Datentechniker*innen, Systemtechniker*innen, Data Scientists, Fachbereich, Kund*innen-Vertreter, aber auch Business Sponsors, Rechtsabteilung und viele mehr. Nur so werden Projekte gelingen.
Jasmin Lampert, Senior Data Scientist, AIT Austrian Institute of Technology
Was unternehmen Sie mit dem AIT in diesem Bereich?
Jasmin Lampert: Das Safety and Security Center ist ebenso wie alle anderen Bereiche des AIT an der Schnittstelle zwischen Forschung und Wirtschaft. In den industrienahen Projekten unseres Teams arbeiten wir oft mit Partnern aus der produzierenden Industrie zusammen. Der Produktionsbereich bietet ein klassisches Themenfeld für den Einsatz von KI und allgemein auch Data Science – etwa für eine automatische Qualitätssicherung oder auch für Analysen von Maschinendaten. Kein Mensch könnte diese Riesendatenmengen manuell durchgehen, aber aus den historischen Daten kann sehr wohl rechtzeitig bei sich abzeichnenden fehlerhaften Produktionsprozessen reagiert werden.
Auch bei Forschungsfragen rund um den Klimawandel versuchen wir, die Effekte aus Maßnahmen nicht nur für einen isolierten Bereich wie die Mobilität, sondern im Gesamtsystem zu begreifen. Welche klimabezogenen Folgen hat eine politische Regulierung etwa im Bereich Landwirtschaft auf andere Sektoren? Welche Folgen haben höhere Durchschnittstemperaturen im Anbau auf den Einsatz von bestimmten Feldfrüchten und letztlich auch auf die Lebensmittelpreise und die Nachfrage bei den Konsument*innen? Bei diesen Fragestellungen ist immer auch das große Bild erforderlich.
Was sind die Erwartungen an KI in Unternehmen? Was kann KI heute besser als starre Algorithmen – und was nicht?
Lampert: Die Erwartungen sind groß, dass eine KI einfach „out-of-the-box“ etwas mit Unternehmensdaten macht, über die man ja bereits verfügt. Oft ist auf Nachfrage dann aber die Datenqualität nicht mehr so klar – oder die Daten können externen Partnern nicht einfach zur Verfügung gestellt werden. KI kann sehr große Datenmengen verarbeiten und in diesen Zusammenhänge erkennen, die komplex und nicht linear sind. Umgekehrt kann sie keine Aussagen über Ereignisse und Dinge treffen, die sie nicht vorher bereits in den Daten gesehen hat.
In der Praxis gibt es bereits viele Einsatzbereiche von KI, mit denen wir schon in Berührung gekommen sind. So etwa am Smartphone, das ein Foto aufnimmt, sobald man in die Kamera lächelt. In der Medizin und Diagnostik werden auf Röntgen- und MRT-Bildern mit Machine Learning Krebsgewebe gesucht. Auch in der Pandemie wurden mit KI-Anwendungen Analysen durchgeführt, ob jemand an Corona erkrankt ist. Diese Werkzeuge im Gesundheitsbereich sind insbesondere für Entwicklungsländer spannend, in denen wenige medizinische Fachkräfte vor Ort sind.
Ein weiteres Projekt des AIT fokussiert sich auf die Erkennung von Hate Speech im Netz. Auch hier kann ein*e Redakteur*in allein nicht die riesigen Datenmengen von Texten und Videos durchforsten. Mit entsprechenden Sprachmodellen kann hier bereits viel vorgefiltert und erkannt werden. Und ich bin derzeit im Projekt AI4Trees tätig, bei dem wir verstehen wollen, wie sich Baumwachstum abhängig von den klimatischen Bedingungen auf eine Spezies heruntergebrochen entwickelt.
Sabine Walch, CEO danube.ai
Was macht danube.ai? In welchem Bereich setzen Sie AI ein und was haben die Anwender*innen davon?
Sabine Walch: Als AI-Unternehmen aus Österreich ist es uns wichtig, dass KI einen Mehrwert für jede*n Einzelnen bietet. Unsere KI hilft Personen, Entscheidungen zu treffen und vor allem das perfekte Produkt zu finden. Wir begegnen im Internet einer Fülle von Möglichkeiten. Um genau das persönlich richtige Angebot zu finden, bedarf es unserer Assistenz-KI. Wir haben sie – ähnlich der Idee von Suchmaschinen – nach zweijähriger Entwicklungszeit für Produkte, Medienartikel, Entertainment und sogar für Themenstellungen im HR-Bereich gelöst. Eingesetzt wird es zum Beispiel auf Geizhals, denn kein Mensch kann Informationen aus 10.000 Smartphones durchsuchen und vergleichen. Eine Maschine übernimmt das liebend gerne.
Auf welchem Entwicklungsstand sehen Sie das KI-Thema generell?
Walch: Wir alle sind Zeitzeug*innen einer exponentiellen Entwicklung von KI. ChatGPT hat mit Beginn November 2022 die Technologie für die Massen aufbereitet. Selbst meine Eltern können nun eine KI-Lösung auf einfache Art über ein Eingabefeld nutzen, das einer üblichen Suchleiste gleicht. Die Nutzer*innen müssen nicht besonders technologieaffin sein und sie müssen auch nicht wissen, dass dahinter eine KI steckt. Ich erhoffe mir dadurch einen Boris-Becker-Effekt – ähnlich der Bewegung, als in den 1980er Jahren die Menschen in die Tennisclubs gepilgert sind. Auch die Fachbereiche und die Entwicklungsabteilungen in der Wirtschaft und Verwaltung sehen jetzt die Möglichkeiten und wollen diese nutzen – oder überlegen, wie sie KI in ihren Prozessen einsetzen können.
Haben wir die richtigen Ausbildungen in Österreich dafür?
Walch: Die Johannes Kepler Universität in Linz war eine der ersten Hochschulen in Europa, die KI als vollständiges Studium angeboten hatte – mit den ersten Absolvent*innen im Jahr 2021. Trotzdem werden die Ausbildungsplätze in ganz Österreich bei weitem aktuell nicht die Nachfrage in der Industrie und Wirtschaft decken können. Hier ist sicherlich noch eine Entwicklung auch im Bildungsbereich gefragt. Das Thema ist jedenfalls auch eine Querschnittmaterie in vielen Bereichen. Nutzen wir jene Fachkräfte in den Unternehmen dafür, die wir haben.
Thomas Schweiger, Nagarro
Was muss man über diese Technologie und die Tools und Plattformen wissen? Wie sehr ist dieses Wissen auch in den Unternehmen bereits vorhanden?
Thomas Schweiger: Wir beobachten auch bei unseren Unternehmenskunden, dass das Thema KI immer noch mit einem gewissen Mythos behaftet ist. Viele beschäftigen sich damit, aber die Vorstellungen zum Einsatz in der Praxis und auch die Grenzen der Lösungen gehen weit auseinander.
Bei Nagarro versuchen wir jedenfalls, den Zugang zu KI menschlich zu gestalten. Die Lösungen sollen nicht Jobs einsparen, sondern zur Unterstützung bei überlasteten Berufsfeldern eingesetzt werden. Sie sollen Menschen von wiederkehrenden Tätigkeiten befreien, damit diese ihre Kernaufgaben besser erfüllen oder vielleicht auch wieder am Menschen serviceorientierter arbeiten können.
Für uns ist KI ein wichtiges Werkzeug, aber es ist nicht die Lösung für jede Problemstellung. Wir versuchen hier einen pragmatischen Zugang. Häufig können Anforderungen unserer Kund*innen auch mit traditionellen IT-Lösungen erfüllt werden. Dennoch wird es für die Zukunft wichtig sein, Wissen zu KI im eigenen Unternehmen aufzubauen. Viele Unternehmen in Österreich beschäftigen sich bereits damit, haben auch erste Prototypen initiiert, skalieren diese aber noch nicht. Natürlich kann man auch erst einmal abwarten, um dann fertige Lösungen vom Markt einzusetzen.
Wo befinden sich aus Ihrer Sicht die größten Hebel und gute Schnittstellen für die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine?
Schweiger: KI kann beispielsweise den Arbeitsalltag im Software-Testing erleichtern. Wenn Tests automatisiert werden, geschieht das über Scripts, die dafür geschrieben werden. Bei voranschreitender Automatisation kommt man irgendwann an den Punkt, an dem die Bearbeitung der Tests und die Auswertung der Ergebnisse mehr Zeit beansprucht als die eigentliche Weiterentwicklung. Software-Testing beschäftigt sich dann nur noch mit sich selbst. Wir versuchen mit Machine Learning und KI-Technik diese Wartungsprozesse zu automatisieren, in dem wir das Wissen von Tester*innen in Modelle gießen und damit die Menschen von wiederkehrenden Themen in den Testanalysen zu befreien. Wenn es entsprechend richtig und positiv kommuniziert wird, lassen sich auch die Vorbehalte gegen KI-Unterstützung in Unternehmen aus dem Weg räumen.
Weitere Beispiele sind eine Anonymisierung von Maschinendaten aus sensiblen Produktionsprozessen mit Hilfe von KI oder die Optimierung von Routen in der Logistik und auch effizientere Beladungen von Lkw.
Natürlich gibt es auch Grenzen einer KI. Wenn ich ein Lager plane, Lagermanagement betreibe und dann entscheidet eine Mitarbeiter*in, im Supermarkt ein Regal neu anzuordnen, sind das Informationen, die ein System nicht hat. Eine KI kann lediglich innerhalb eines bestimmten Lösungsraums rechnen, der Mensch stets darüber hinaus. Den Erfolg macht dann das unterstützende Werkzeug in der Hand der menschlichen Entscheider*in aus.
Martin Beck, Head of Data Analytics & AI BearingPoint Österreich
Was bietet BearingPoint in diesem Bereich? Welche Projekte wurden im deutschsprachigen Raum bereits umgesetzt?
Martin Beck: Als Partner für Unternehmen in Europa agieren wir bei BearingPoint gesamtheitlich im Bereich Daten. Dabei setzen wir auch KI-Projekte um, wollen aber auch Organisationen befähigen, den eingeschlagenen Weg selbstständig weiterzugehen. BearingPoint arbeitet beispielsweise im öffentlichen Sektor in Deutschland an der Definition und Umsetzung einer ganzheitlichen Datenstrategie. Zusätzlich werden aktuell Projekte zur Entwicklung von schnelleren Dienstleistungen und rascheren Antwortzeiten umgesetzt, die auch Chatbots und RPA (Anm. „Robotic Prozess Automation“) nutzen. Wir implementieren und bauen Innovationszentren, sogenannte KI-Geschäftsstellen auf, um auch in der Öffentlichkeit das Thema KI und das Thema Daten zu fördern und dazu Projekte auf den Boden zu bringen.
Bevor ein Unternehmen oder eine Organisation in ein KI-Projekt geht – welche Themen und Bereiche sollten gut überlegt und geregelt werden?
Beck: Studien zufolge schlagen 80 Prozent aller KI-Projekte fehl. Am Ende eines Projekts muss klar der Nutzen für die Anwender*innen stehen, sonst wird die Lösung nicht angewandt. Auch im Jahr 2023 brauchen Unternehmen eine Datenstrategie – das können wir nicht oft genug betonen. Welcher Mehrwert soll erzeugt werden? Wer wird die Lösung nutzen? Und was brauchen die Menschen dafür – auch hinsichtlich Ausbildungen, Skills und Organisation? Als Unterbau ist in Unternehmen unbedingt eine Data Governance oder auch KI Governance erforderlich – auch für den laufenden Betrieb zu sehen, inklusive Prüfthemen und Sicherstellen von nachhaltig ethisch korrekten Prozessen.
Wie gut tut sich generell die Verwaltung in Österreich damit?
Beck: Bei digitalen Services ist die österreichische Verwaltung Vorreiter. Ein Strafregisterauszug ist hierzulande mit wenigen Klicks online erledigt, während man in Deutschland dazu noch aufs Amt gehen muss – und das Dokument mit der Post zugeschickt wird. Den Vorsprung in Europa könnten wir aber im KI-Bereich verlieren, wenn man beispielsweise das aktuelle Budget Deutschlands für KI-Lösungen in den Bundesministerien in der Größenordnung von 350 Millionen Euro sieht.
Was ist für Sie ein weiters gutes Anwendungsbeispiel für KI?
Beck: Die Meldung und Begutachtung eines Wasserschadens ist oft ein langwieriger Prozess für die Versicherten ebenso wie für Versicherungsunternehmen – inklusive Termin vor Ort mit einem Sachverständigen. Wir haben gemeinsam mit einem Versicherer und einer Immobilienverwaltung eine Lösung umgesetzt, mit der über Smartphone-Fotos, Bilderkennung mit Computer Vision und der Eingabe von grundlegenden Daten – etwa zum Alter des Gebäudes – eine Schadenshöhe in Sekundenschnelle übermittelt wird. Das Ergebnis wird vom Versicherer akzeptiert, die Bearbeitungsprozesse zum Schaden werden automatisch in Gang gesetzt.
Weiterführende Links
www.ai4trees-project.at
Bilder Milena Krobath/Report Verlag