Drängende Klimaziele und gleichzeitig der steigende Bedarf an Energie bei Verkehr, Immobilien und Industrie stellt die Wirtschaft vor große Herausforderungen. Lösungswege und beste Beispiele für nachhaltige Veränderung waren die Themen eines Publikumsgesprächs des Report Verlag.
Nachhaltig und trotzdem leistbar bauen, produzieren und Dienstleistungen erbringen – wie ist das zu schaffen? Mit dieser Frage richtete sich der Report Anfang Mai an ein hochkarätiges Podium bei Gastgeber A1 in Wien. Es werde nur gemeinsam möglich sein, war der einhellige Tenor der Diskutanten, Vertreter*innen von Wirtschaft, Recht und Politik. Der Wandel im Unternehmen soll auch als Innovationsmotor angesehen werden. „An der Klimawende können wir nur gemeinsam arbeiten. Allein kann es das Klimaschutzministerium nicht schaffen und auch nicht die Wirtschaft oder die Haushalte“, betont Isabella Plimon, die im Bundesministerium für Klimaschutz mit ihrem Team Förderinstrumente für innovative Klima- und Energietechnologien betreut.
Auch bei Lösungskonzepten funktioniert kein Alleingang. Ein innovativer klimaneutraler Produktionsprozess passt nicht für alle. „Geschäftsmodelle müssen neu konzipiert, Systemgrenzen überwunden und Systeme geschaffen werden, die eine Zusammenarbeit über Grenzen vorsehen”, forderte Romana Aumer, Leiterin Customer 360° bei A1 Business Unit Enterprise.
Die Partner des Publikumsgesprächs waren A1, Heid & Partner Rechtsanwälte, Klima- und Energiefonds, und Wien 3420 aspern Development AG.
Mit Statements von:
- Romana Aumer, A1 Business Unit Enterprise, Leitung Customer 360°
- Berthold Hofbauer, Rechtsanwalt und Partner Heid & Partner Rechtsanwälte
- Johann Marchner, Geschäftsführer der Wienerberger Österreich
- Isabella Plimon, Abteilungsleiterin Förderinstrumente für innovative Klima – und Energietechnologien, Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
- Gerhard Schuster, Vorstand Wien 3420 aspern Development AG
Fotos (Milena Krobath): www.flickr.com/photos/award2008/sets/72177720308335750/
Video: (Bernhard Schojer): www.youtube.com/watch?v=qEn2UsfUxaU
Romana Aumer, A1 Business Unit Enterprise, Leitung Customer 360°: „Durch die steigende Digitalisierung haben wir mit größeren Datenmengen zu tun. Das Wachstum der Datenübermittlung muss daher vom Energieverbrauch entkoppelt werden.”
Welchen Beitrag kann A1 bei der Klimawende leisten? Welche Ziele haben Sie sich dazu gesetzt?
Romana Aumer: Mit unserer Infrastruktur unterstützen wir die Wirtschaft und Gesellschaft bei der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft. Aber wir wollen als österreichischer Leitbetrieb auch selbst Verantwortung übernehmen. So betreibt A1 sein Netz seit 2015 mit Strom aus erneuerbarer Energie. Einen großen Teil unseres CO2-Fußabdrucks haben wir bereits reduzieren können – trotzdem bleibt noch einiges zu tun. Das betrifft etwa die Umstellung unseres Fuhrparks auf Elektromobilität, die Erneuerung bei Heizsystemen und auch weitere Investitionen in die effiziente Nutzung der Energie. Ziel der A1 Telekom Austria Group ist, bis zum Jahr 2030 die Effizienz des transportierten Datenvolumens im Vergleich zu 2021 um 80 Prozent zu verbessern und eine bilanzielle Klimaneutralität, „Net Zero“, bei den direkten Leistungen für unsere Kundin*innen zu erreichen.
Mit Lösungen aus der Cloud können Geschäftsreisen vermieden und generell der Ressourcenverbrauch je nach Branche vermindert werden. Datacenter verbrauchen aber auch viel Energie.
Aumer: Ausgehend von 2021 erwarten wir, dass das Datenvolumen bis 2025 um 200 Prozent wächst und wir wollen die maximale Steigerung des Stromverbrauchs auf 25 Prozent beschränken. Mit Investitionen in neue Technologien, in Wärmekopplungssysteme und zum Beispiel Einhausungen für Geräte, um den Kühlbedarf zu reduzieren, steigern wir die Energieeffizienz in unseren Datacentern. In unserem größten Datacenter haben wir bereits einen sehr guten PUE-Wert (Anm. „Power Usage Effectiveness“) von 1,1. Das bedeutet, dass nur zehn Prozent der Energie ineffizient genutzt werden.
Wie unterstützt Digitalisierung beim Wandel der Wirtschaft?
Aumer: Daten können für die Ressourcensteuerung eingesetzt werden. So vernetzen wir mit Services wie dem cloudbasierten „A1 Energy Insight“ Maschinen und Daten, messen den Energieverbrauch von Anlagen, identifizieren Verbrauchsspitzen und liefern Entscheidungsgrundlagen für den Umgang mit Energie. Mit der Virtualisierung der Arbeitswelt werden ebenfalls Ressourcen eingespart. Das Rote Kreuz in Niederösterreich setzt zum Beispiel bei der Ausbildung der Sanitäter*innen auf Zoom. Das spart Fahrkilometer ein und es können niederschwellig mehr Menschen an der Ausbildung teilnehmen. Einhergehend muss auch die digitale Ausbildung vorangetrieben werden. Dem kommen wir auch mit unserem Kursangebot des A1 digital.campus nach. Der Wandel in der Wirtschaft bedarf vor allem aber den Blick über Unternehmensgrenzen zu Lieferanten und Partnern, der wiederum einer Datenbasis bedarf.
Berthold Hofbauer, Rechtsanwalt und Partner bei Heid & Partner Rechtsanwälte: "Unternehmen werden immer mehr grünen Haftungs- und Compliance-Fällen ausgesetzt werden."
Wie ist die Situation im Bereich Recht derzeit für Unternehmen in Fragen der Nachhaltigkeit und Klimaziele?
Berthold Hofbauer: Mit der neuen Wachstumsstrategie „Green Deal“ setzt Europa ein neues Wirtschaftsmodell der Nachhaltigkeit um. Ziel ist es, Ressourcen möglichst schonend zu nutzen und nicht zu Lasten der nachfolgenden Generationen zu wirtschaften. Dieser Übergang fällt vielen nicht leicht, weshalb sich die Frage stellt, ob dieser mittels „Soft Law“ beziehungsweise freiwillig geschehen kann. Derzeit steuern wir mit den bisher ergriffenen Maßnahmen auf eine Erderwärmung von 2,8 Grad statt den angepeilten 1,5 Grad bis 2050 zu.
Auch wenn es kein Gesetzblatt mit dem Titel Nachhaltigkeitsrecht gibt, folgen nunmehr Regulativen quer über alle Sektoren hinweg. Die rechtlichen Stellschrauben werden somit mehr und mehr als Hard Law in den verschiedenen Bereichen enger gedreht. Ein Beispiel im Steuerrecht ist die CO2-Steuer für Emissionen. Im Vergaberecht wird beispielsweise die nachhaltige Beschaffung Pflicht und – wie etwa bereits mit dem Straßenfahrzeug-Beschaffungsgesetz – weiter konkretisiert. Öffentliche Auftraggeber sind demnach verpflichtet, ihren Fuhrpark schrittweise zu dekarbonisieren. Im Kartellrecht wiederum sind grüne Kartelle erlaubt, sofern diese Kartelle beziehungsweise dieser Zusammenschluss von Unternehmen nachhaltigen Zielen förderlich sind. Unternehmen werden damit immer mehr grünen Haftungs- und Compliance-Fällen ausgesetzt werden – sowohl im öffentlichen Bereich als auch im privaten Bereich, zum Beispiel im Rahmen von Klimaklagen.
Besteht eine Diskussion auch rund um das Lieferkettengesetz?
Hofbauer: Hinter dem Lieferkettengesetz steht grundsätzlich die Idee, nicht nur in Europa nachhaltig und fair zu wirtschaften, sondern diese Prinzipien auf die ganze Welt auszustrahlen. Unternehmen, die außerhalb der Europäischen Union produzieren und Produkte außerhalb Europas beziehen, müssen Sorge tragen, dass vor Ort keine Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen passieren. Deutschland ist nun mit einem „Lieferkettengesetz light“ vorgeprescht, dass Unternehmen bei der Wahl von Standortalternativen und Partnern lediglich zu einem „Bemühen“ verpflichtet. Die EU hat nun einen eigenen ersten Entwurf vorgelegt, der dies auch als einklagbares Recht umfasst. Wir werden noch heuer sehen, wie der endgültige Entwurf der Lieferkettenrichtlinie aussehen wird – und ob dieser etwa auch Unternehmen bei einem Verstoß gegen Auflagen automatisch von öffentlichen Vergaben ausschließt, wie es derzeit in Deutschland der Fall ist.
Ist Europa gegenüber anderen Wirtschaftsräumen nicht im Nachteil, wenn zu viel reguliert wird?
Hofbauer: Wir waren definitiv der erste Wirtschaftsraum mit diesen ambitionierten und klar festgelegten Klimazielen. Die USA ist aber bald nachgezogen und möchte ebenfalls 2050 klimaneutral sein, China will das bis 2060 schaffen, ebenso hat Indien eine entsprechende Strategie. Alle großen Nationen kennen die Folgen und wissen, dass eine neue Wirtschaft nachhaltig sein muss. Damit schadet sich auch Europa keinesfalls bei den Maßnahmen, wiewohl Anreizsysteme immer besser als Verbote sind. So werden wir auch Industrien in Europa halten können und mit gezielten Förderungen auch neues Geschäft etwa mit Batterietechnologie aufbauen können.
Johann Marchner, Geschäftsführer Wienerberger Österreich: "Wir arbeiten künftig nicht nur mit Ökostrom – es entwickeln sich sehr spannende Lösungen zur Erzeugung von Biogas."
Welches Nachhaltigkeitsprogramm hat Wienerberger in Österreich?
Johann Marchner: Wienerberger beschäftigt sich seit bereits mehr als zehn Jahren mit Nachhaltigkeitsthemen – wir nutzen seit langem bereits auch ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien. Verändert hat sich aber allgemein der Schwung am Markt vor allem mit dem Green Deal der EU. Nachhaltigkeit beruht bei uns auf den drei Säulen Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft – die Abfälle aus der Vergangenheit sind heute wertvolle Rohstoffe – und Biodiversität. Null CO2 bis 2040 und bereits minus 50 Prozent CO2-Emissionen bis 2030 sind die großen Ziele. Um uns aber nicht allein darauf zu verlassen, haben wir einen klaren Fahrplan Jahr für Jahr und setzen auch kleinere rasche Schritte zur Dekarbonisierung. Digitalisierung treibt uns hier stark an, Ressourcen zu schonen und effizienter zu arbeiten, von der Planung bis zur Wiederverwertung. Als Baustoffhersteller sehen wir den gesellschaftlichen Auftrag für leistbares Bauen und Wohnen, aber auch für Nachhaltigkeit. Wir sind technologisch in der Lage, unsere Prozesse vollständig ohne fossile Energie umzusetzen – aber es müssen dafür die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Wie sieht ein Beispiel für eine Maßnahme dazu bei Wienerberger aus?
Marchner: Wir schicken ein erstes Werk in Österreich im Juni in den Stillstand und stellen dort die Produktion von Ziegel mit Gas auf einen Elektrobrennofen um. Mit der neuen Ofentechnologie werden an dem Standort Uttendorf in Oberösterreich künftig 30 Prozent weniger Energie verbraucht und 90 Prozent weniger CO2 ausgestoßen werden. Wienerberger wird auch in Zukunft in seinen Prozessen viel Energie benötigen, und wir wollen deshalb in einem Energiemix neben Photovoltaik auch auf neue Anwendungen mit Biomasse und Biogas setzen. 100 Prozent Eigenerzeugung mit Erneuerbaren werden wir bei unseren benötigten großen Energiemengen nicht schaffen, aber einen großen Teil.
Gleichzeitig beginnen wir über Alternativen im Einsatz der Werkstoffe nachzudenken – etwa in Zukunft bei ungebrannten Ziegeln bei bestimmten Anwendungen. Allerdings müssen dazu auch noch Normen angepasst werden. Wir wollen Baustoffe aber nicht gegeneinander ausspielen, sondern die jeweiligen Stärken nutzen und diese intelligent kombinieren. Ziegel haben vor allem den Vorteil der Regionalität mit Herkunftsnachweis und kurzen Transportwegen.
Welche weiteren Herausforderungen und Chancen sehen Sie im Wandel von Baustoffen und Gebäudekonzepten?
Marchner: Durch die Digitalisierung sind wir in der Lage, exakt den Lebenszyklus eines Werkstoffes zu messen. Wir fordern seit Jahren die verpflichtende Umsetzung mit EPDs (Anm. „Environmental Product Declaration“), um die nachhaltige Nutzung der Ressourcen zu bewerten und Auswirkungen von Bauwerken auf die Umwelt beurteilen zu können. Das würde auch so manches Märchen widerlegen.
Insgesamt müssen wir alle gemeinsam an der Wende in der Wirtschaft arbeiten und auch in Bereichen wie Flächenversiegelung mehr auf Vernetzung und Konzepte für die Nachnutzung von Gewerbeflächen setzen. Ein weiteres Vorzeigebeispiel sind 2226-Gebäude, die im Winter ebenso wie im Sommer praktisch ohne externem Energiesysteme auskommen und konstant zwischen 22 und 26 Grad Raumtemperatur haben. Man nutzt hier wieder alte bauphysikalische Erkenntnisse.
Isabella Plimon, Abteilungsleiterin Förderinstrumente für innovative Klima – und Energietechnologien, BMK: "Die Fördertöpfe des BMK sind aktuell gut gefüllt und werden auch stark nachgefragt."
Welche sind die wesentlichen Förderungen für Klimaschutz?
Isabella Plimon: Das Bundesministerium für Klimaschutz fördert Projekte für den Klimaschutz, die auch die Wertschöpfung im Land halten und Arbeitsplätze sichern. Das Förderangebot reicht von Angeboten für Haushalte wie etwa Kesseltausch oder Reparaturbonus bis zu großen Investitionen bei Unternehmen in erneuerbare Wärme, Energieeffizienzmaßnahmen oder klimaschonende Mobilität. Unter dem Schlagwort „Transformation der Industrie” stehen ab Mitte Mai bis 2030 gut drei Milliarden Euro zur Verfügung. Gefördert werden in dieser Schiene Projekte zur Verringerung prozessbedingter Emissionen der produzierenden Industrie. Die Fördertöpfe des BMK sind aktuell gut gefüllt und werden auch stark nachgefragt. Man sieht, dass Österreich Erzeuger für klimafreundliche Technologien hat, aber auch das Interesse für den Einsatz und Investitionen da ist.
In welchem Ausmaß kann der Staat prinzipiell in der Klimawende Unternehmen unterstützen? Wird die Förderlandschaft auch ausreichend genutzt?
Plimon: Mit den Vorgaben aus dem Beihilfenrecht der EU können wir bei regulären Förderungen ungefähr 30 Prozent einer Investition übernehmen. Im Bereich der Industrie planen wir zudem nun zum ersten Mal, Förderungen auch über Ausschreibungen anzubieten. Damit gehen Unternehmen in einen Wettbewerb eingesparter Emissionen in Bezug auf die beantragte Förderung. Das effizienteste Projekt könnte dann bis zu 80 Prozent der Investitionssumme abholen. Hier sind wir auch gespannt, wie das von der Industrie aufgenommen wird, und hoffen auf viele spannende Projekte.
Das Förderprogramm „Raus aus Öl und Gas“ verzeichnete 2022 aufgrund der schrecklichen Ereignisse in der Ukraine und den Verwerfungen auf den Energiemärkten einen enormen Nachfrageschub. Verglichen mit 2021 haben sich die geförderten klimafreundlichen Heizsysteme 2022 in Österreich verdoppelt. Die Herausforderungen hier liegen sicherlich im mehrgeschoßigen Wohnbau mit meist unterschiedlichen Eigentumsstrukturen und komplexen Entscheidungsketten für einen Heizungstausch. Trotz des Nachfragesprungs und Angebots werden die Förderungen trotzdem noch nicht in der Menge abgeholt, wie wir es uns wünschen.
Gerhard Schuster, Vorstand Wien 3420 aspern Development AG: "Objekte mit Mischnutzung unterstützen auch eine Stadt der kurzen Wege."
Wie sieht eine Stadt der Zukunft in Bezug auf Energieeffizienz und Ressourcenschonung aus?
Gerhard Schuster: Für eine smarte Stadt der Zukunft braucht es folgende Grundprinzipien: Die Verkehrsinfrastruktur darf nicht primär auf den motorisierten Individualverkehr setzen, es braucht eine Energieversorgung für Klimatisierung, Prozesse und Betriebe, die primär ohne fossile Brennstoffe auskommt, und man muss sich von einem flächenintensiven monofunktionalen Bau- und Nutzungskonzept lösen – also weg von Riesenwohnsiedlungen, Logistikzentren oder Wirtschaftsparks. Wachstum soll idealerweise entlang von öffentlichem Verkehr in einer dichten, gemischten Struktur geschehen. Das ist nicht einfach und liegt auch nicht im Fokus einer arbeitsteiligen Wirtschaft mit ihren Spezialisierungen. Aber es ist möglich, und mittlerweile weiß man, dass Objekte mit Mischnutzung besonders erfolgreich sind. Sie unterstützen auch eine Stadt der kurzen Wege – etwa ein Garagengebäude, das teilweise auch Flächen für Freizeitaktivitäten, Soziales oder für ein Kulturzentrum bietet.
Wie werden in der Seestadt diese Prinzipien beispielhaft umgesetzt?
Schuster: Im Technologiezentrum der Wirtschaftsagentur Wien am Standort treiben Spezialisten die Digitalisierung in der Produktion, in der Energieversorgung sowie im Planen und Bauen voran. Daneben hat das Industrieunternehmen Hoerbiger, weltweit führend in den Geschäftsfeldern der Kompressortechnik, Antriebstechnik und Hydraulik, seit 2015 ein großes Gebäude, in dem Administration, Forschung, Entwicklung und Produktion kombiniert werden. Hier musste die Produktion zunächst noch mit Gas betrieben werden, heute wird bei den Betrieben sowohl beim Heizen und Kühlen als auch in der Produktion schrittweise auf Geothermie, Photovoltaik und andere Erneuerbare umgestellt. So errichtet demnächst ein internationales Pharmaunternehmen einen Standort in der Seestadt und zeigt vor, was in diesem Sektor möglich ist. Bislang wurde zur Erreichung der hohen Temperaturen, die für bestimmte Produktions- und Forschungsprozesse benötigt werden, nur auf Gas gesetzt. Nun werden diese Anforderungen über hochspezialisierte Wärmetauscher und Tiefensonden erfüllt.
In der Seestadt haben wir auch eine eigene Energieforschungsgesellschaft etabliert. Die Aspern Smart City Research ist seit 2013 Europas größtes Energieforschungsprojekt. Die ASCR forscht mit Echtdaten aus dem Stadtentwicklungsgebiet an Lösungen für die Energiezukunft im urbanen Raum.
Fördertopf
Mit dem Programm „Transformation der Wirtschaft“ unterstützt der Klima- und Energiefonds Maßnahmen für die Reduktion von Treibhausgasemissionen. Dazu steht ein Budget von 95 Millionen Euro, finanziert aus den Mitteln des Aufbau- und Resilienzfonds der Europäischen Union – NextGenerationEU, zur Verfügung. Die Ausschreibung ist bis 28. Juni 2023 geöffnet. Weitere Informationen unter www.klimafonds.gv.at/call/transformation-der-wirtschaft-2-ausschreibung/
Meinungen aus dem Publikum
Dass es keine Universal-Lösung für die Klimawende gibt, aber auch, dass immer noch zu wenig Transformation stattfindet, bekräftigte der Physiker Mario Buchinger des Beratungsunternehmens Buchinger Kuduz im Publikum: „Digitalisierung, Energieeffizienz und Kreislaufketten wie Cradle to Cradle sind richtige Ansätze, sie lösen das Problem aber nicht. Es braucht Right Data statt Big Data.“ Und ohne Gewohnheitsänderung werde es nicht gehen – dazu müsse die Bevölkerung stärker adressiert werden.
Gunther Herbsthofer, Vorsitzender des Verbands der technischen Gebäudeausrüster, erinnerte an den Fachkräftemangel: „Für die Energiewende fehlen die Haustechniker*innen, die für die Umstellungen notwendig sind”. In Österreich gebe es lediglich fünf HTLs dazu. „Pro Jahr starten etwa 130 SchülerInnen, die Drop-Out Rate liegt bei 50 Prozent. Großflächige Werbemaßnahmen, um Jugendliche für die Haustechnik zu interessieren, die für den Klimawandel dringend notwendig ist, fehlen.“
Energie- und Mobilitätsexpertin Marlene Buchinger sieht bei den Nachhaltigkeitsberichtspflichten noch sehr hohe Unsicherheit: „Ab dem Berichtsjahr 2024/2025 müssen Unternehmen reporten, die entweder mehr als 250 Mitarbeiter, mehr als 40 Millionen Umsatz oder mehr als 20 Millionen Bilanzsumme haben und zwei dieser drei Kriterien erfüllen. Die EU arbeitet derzeit an einem KMU-Standard, der wahrscheinlich mit 2027 kommen wird.“ Im Juni legt die EU den Letztbericht des ESRS, European Sustainable Reporting Standards vor, dann werde es „einheitlicher in Europa“. Mit der „Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR)“ wird ein transparenter und vergleichbarer Ansatz zur Nachhaltigkeit auf den Finanzmärkten geschaffen. Er betrifft Banken und Versicherungsunternehmen. Mit dem Faktor Nachhaltigkeit im eigenen Geschäftsmodell werden voraussichtlich Fremdkapitalkosten oder Prämien für Unternehmen günstiger.