Mittwoch, Dezember 04, 2024
Nachbericht zum Podiumstalk "Mobilität aus der Steckdose"
Fotos: Milena Krobath, Sela Krobath

Die Zukunft der Elektromobilität scheint gesichert. Wie lange aber wird es brauchen, bis der Wandel auch auf der Straße spürbar wird? Welche Herausforderungen sehen ExpertInnen dazu in puncto Wirtschaftlichkeit und Bequemlichkeit? In einer Report-Publikumsdiskussion am 24. April in der Wien Energie-Welt Spittelau wurden Infrastruktur, Geschäftsmodelle und Fahrvergnügen rund um den sauberen Antrieb mit Fokus auf den urbanen Raum energisch diskutiert.

  

Report: Warum engagiert sich Wien Energie bei Elektromobilität? Warum sollte dieses Thema für uns alle wichtig sein – und warum passt es gerade in die Stadt?


Michael Strebl, Wien Energie:
Das Thema Elektromobilität ist absolut im Fokus unserer Investitionen und Bemühungen und uns als Thema sehr wichtig. International gibt es ja mit dem Paris-Abkommen die Verpflichtung, CO2-Emissionen zu reduzieren und zu vermeiden. Nun sind 40 % der CO2-Emissionen in Wien auf den motorisierten Individualverkehr zurückzuführen. Damit wird es keine Energiewende ohne auch einer Verkehrswende geben. Als verantwortungsvolles Unternehmen sehen wir uns verpflichtet, alternative Verkehrsformen zu unterstützen.
Beispiele etwa in Amsterdam, Oslo und anderen Städte zeigen, dass der Erfolg von Elektromobilität von drei Faktoren abhängt: von der Verfügbarkeit der Fahrzeuge, von einer Politik mit Förder- oder Anreizmaßnahmen – etwa in Form von Steuererleichterungen oder Investitionsprämien, die es in Österreich ja gibt – sowie vom Angebot einer leistungsfähigen und starken Infrastruktur. Dieser dritte Punkt ist unsere zentrale Kompetenz. Wien Energie hatte schon vor vielen Jahren beschlossen, in die Elektromobilität einzusteigen und betreibt heute 550 Ladestellen im Großraum Wien. Das ambitionierte Ziel ist jetzt, in Kooperation mit der Stadt 1.000 neue Ladestellen an öffentlichen Stellen bis Ende 2020 zu errichten.



Foto: Michael Strebl, Wien Energie-Geschäftsführung, prescht mit einem Ladenetz-Ausbau in Wien vor.

Report: Bislang bieten Sie Ladepunkte ausschließlich im halböffentlichen Bereich wie etwa in Parkhäusern. Die neuen Ladestationen werden aber auf der Straße zu sehen sein.

Strebl:
Wir haben mit aktuellem Stand bereits 40 neue Ladestationen im öffentlichen Raum in den ersten Gemeindebezirken, weitere 70 sind derzeit im Bau. Damit bekommen auch Elektromobilitätsnutzer, die über keinen privaten Stellplatz verfügen, eine einfache Lademöglichkeit. Ich bin überzeugt, dass das ein Riesensprung für die Nutzung sein wird. Die Ladeleistung von 11 kW passt auch sehr gut in das Konzept einer städtischen Versorgung. Ein durchschnittlich ausgestattetes E-Fahrzeug mit einer Batteriekapazität von 30 kWh, das halbgeladen zu einer Ladestation kommt, braucht in etwa eineinhalb Stunden für eine Vollladung. In der Stadt ist das, denke ich, ausreichend und bequem. In dieser Zeit gehen Sie vielleicht einkaufen oder auf einen Kaffee. Etwas anderes ist, wenn Sie auf der Westautobahn in Richtung Innsbruck fahren – da braucht es stärkere Ladeleistungen, da muss es schneller gehen.

Report: Was sind die Herausforderungen für die Vekehrswende aus Ihrer Sicht, Frau Vogel? Wie unterstützt der Staat hier in Form des Klima- und Energiefonds?

Theresia Vogel, Klima- und Energiefonds:
Wir haben verschiedene Aufgaben – eine davon ist es, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu setzen und damit die Mobilitätswende voranzutreiben. Das Ins­trument dazu sind Förderungen, die an unterschiedliche Themen knüpfen. Elektromobilität ist seit 2009 einer der Schwerpunkte – zum einen in der Forschung, um auch heimischen Unternehmen die Teilhabe an der globalen Wertschöpfung in der Automobilindustrie zu ermöglichen. Wenn Sie heute ein Elektroauto kaufen, ist auch immer Technologie aus Österreich drinnen. Zum anderen geht es konkret darum, E-Autos und Ladeinfrastruktur auf die und an die Straße zu bringen. Der Klima- und Energiefonds hat 2017 in Zusammenarbeit mit dem Fahrzeughandel eine Förderung für Private für die Anschaffung von Elektroautos aufgelegt, die eine Ersparnis von bis zu knapp über 4.000 Euro bringt. Bis dato haben wir dazu fast 3.000 Anträge auf dem Tisch und wir rechnen bis Ende des Jahres mit gesamt 6.000 bis 8.000 Autos. Vom Bund werden auf betrieblicher Seite ebenfalls Fahrzeuge gefördert. Innerhalb von zwei Jahren werden damit gut 15.000 bis 20.000 Fahrzeuge auf die Straße gebracht.

Wir sehen, dass dies als Innovationsthema vor allem im urbanen Bereich gut angenommen wird. Die Menschen in Wien und auch in anderen Städten sind neugierig. Sie wollen es ausprobieren und kaufen dann auch, wenn die Rahmenbedingungen passen. Wenn es die Lademöglichkeiten gibt und wenn ich private Wege mit dem Auto zurücklege, ist die Bereitschaft sehr hoch, auf Elektromobilität umzusteigen. Auch gibt es ein großes Interesse, Technologien wie autonomes Fahren mit Elektromobilität zu kombinieren und zu erfahren, welcher Nutzen sich daraus generieren lässt.

Report: Wie passt die Förderung von E-Mobilität mit den städtischen Strategien für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs zusammen?


Vogel:
Natürlich geht es gerade in der Stadt nicht darum, einfach nur fossil betriebene Fahrzeuge 1:1 auszutauschen, sondern überhaupt um eine Reduktion des Individualverkehrs. Im Dreieck Fahrzeug, Infrastruktur und Anwender ist der öffentliche Verkehr ebenfalls zentrale Komponente. Elektromobilität ist auch ein Türöffner für eine neue Art des Mobilitätsverständnisses. Es gibt bereits Sharing-Pakete, die auch Angebote im Elektrobereich beinhalten. Sie setzen auf einen Komfortgewinn: Heute brauche ich einen Lieferwagen, morgen fahre ich ein Cabrio und übermorgen vielleicht etwas ganz anderes. Mit der Digitalisierung kommt ja da ein weiterer Teil hinzu, sowohl beim Antrieb als auch bei der Buchung, der Reservierung und bei der Ladung. Das führt uns schlagartig in eine neue Mobilitätswelt.



Foto: Theresia Vogel ist Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds und bietet Förderungen für E-Autos.

Report: Derzeit gibt es viele Insellösungen und Plattformen – es braucht aber übergreifende Standards. Welche Erfahrungen gibt es dazu vielleicht auch aus anderen Branchen? Wie ist Ihre Positionierung dazu im Markt, Herr Haidl?

Gerald Haidl, Newcon: Wir sind seit Beginn der 2000er-Jahre in der Telekommunikationsbranche tätig und zählen neben Vodafone oder Swisscom bekannte Telco-Brands in und auch außerhalb Europas zu unseren Kunden. Newcon ist auf Abrechnungsplattformen und bidirektionale Kommunikation mit Netzen spezialisiert. Für uns ist ein Fahrzeug im Prinzip ein vernetzter Sensor, wie es viele andere in der zunehmend vernetzten Welt gibt – mittels der Kommunikation Plattform-Sensor können wir beispielsweise neue Pricing-Schemata aufbauen wie etwa verkehrsabhängige Tarifierung. Deshalb ist diese wachsende Branche auch für uns so spannend und unsere ausgereifte Technologie adressiert die Herausforderungen dieser Wachstumsbranche schon heute.

Nun gilt es, die Geschäftsprozesse rund um diese Netzteilnehmer entsprechend sicher und einfach zu gestalten und unterschiedlichste Services und neue Servicemodelle zu ermöglichen. Die Elektromobilität befindet sich heute in einer ähnlichen Phase wie der Mobilfunk im Jahr 1993. Damals stellten wir – ich war seinerzeit bei der Post- und Telegraphengesellschaft, dem Vorläufer der heutigen A1 beschäftigt – erstmals ein Roaming-Lösung für die Abrechnung von Telefongesprächen zwischen unterschiedlichen Netzbetreibern vor. Das hatte gut funktioniert und über die Gremien der Branche entstanden dann Plattformen wie die GSM Association, die es heute noch gibt, und die 3GPP für die Standardisierung von Technik und Prozessen. Die Erfolgsgeschichte GSM lässt sich auch in andere Branchen wie die Finanzwelt und eben auch die Energiebranche übertragen.



Foto: Gerald Haidl, CEO Newcon, setzt Erfahrungen aus dem IKT-Markt in der Energiewirtschaft um.

In einem Pilotprojekt für ein österreichisches Energieversorgungsunternehmen haben wir nicht einzelne Produkte wie Ladestationen im Fokus, sondern möglichst viele verschiedene Services, die über eine einheitliche Plattform genutzt und verrechnet werden können. Dies könnte eine erweiterte Strom- und Gasrechnung sein, auf der ebenfalls E-Auto-Ladungen abgerechnet werden – Postpaid oder Prepaid. Ich bin überzeugt, dass hier ganze Ökosysteme entstehen werden. Firmen wie Google zeigen ja bereits im Internet, wie so etwas erfolgreich funktioniert. Es gewinnt stets jener Anbieter, der die breiteste Servicepalette hat und der über eine Infrastruktur verfügt, auf der unterschiedlichste Marktteilnehmer agieren können.

Report: Wer gewinnt bei Ihnen, Herr Fischer? Wie geht es dem Thema Elektromobilität und auch dem Smatrics-Netz in Österreich?

Michael-Viktor Fischer, Smatrics:
Der Elektromobilität geht es täglich besser, aber noch nicht gut genug. Smatrics ist ein Joint-Venture von Siemens, Verbund und – seit kurzem, was mich besonders freut – zu 40 % auch von OMV. Wir betreiben das erste österreichweite Schnellladenetz in Österreich, mit Leistungen in der Regel von 50 kW und errichten gerade die erste 350-kW-Station. Smatrics montiert und managt aber auch Ladestationen für zu Hause und bietet unternehmensindivuelle Ladelösungen an.

Warum kommen nun mehr und mehr E-Autos auf den Markt? Eine Verordnung der Europäischen Union besagt, dass ab dem Jahr 2021 der Durchschnitt aller Neuzulassungen maximal 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen darf. Das entspricht rund 3,8 Liter pro 100 km. Nun kennen Sie wahrscheinlich den Verbrauch Ihres Autos und wissen auch von den Abgasskandalen in der letzten Zeit. Die Autohersteller sind daher durchaus nervös. Werden diese Ziele nicht erreicht, fallen Milliarden-Pönalen für die Hersteller an. Wäre die 95-Gramm-Regel bereits in 2017 gültig gewesen, hätten alle Autohersteller zusammen 35 Milliarden Euro an Strafen zahlen müssen.



Foto: Michael-Viktor Fischer, Geschäftsführer von Smatrics, erwartet den Erfolg des E-Autos auf voller Länge.

Report: Noch aber dominiert das Reichweiten-Thema die Diskussionen.

Fischer:
Der E-Mobilitätsmarkt befindet sich ähnlich der Telekomindustrie vor 30 Jahren heute in einer frühen Phase. Damals wurden die anfangs koffergroßen Handys immer kleiner, bei uns wird die Reichweite immer größer. Inzwischen sind wir bei Autos, die zwischen 300 und 500 km fahren können. Mittelfristig wird die Elektromobilität Diesel und Benzin mehr als ebenbürtig sein. Das E-Auto wird in wenigen Jahren die gleiche Reichweite erreichen und auch ähnlich schnell beim Tanken beziehungsweise Laden sein. Kilowattstunden werden die neuen PS, statt Zylinder messen wir nun in Batteriegrößen. Mit den neuesten Ladestandards wie 350 kW – die ersten Autos dazu werden 2019 zu kaufen sein – sprechen wir im Idealfall von fast 400 km Reichweite, die in nur zehn Minuten geladen ist. Elektromobil zu sein wird auch bequemer werden. Haben wir mit dem Ladekabel heute quasi noch die Festnetztelefonie, führt BMW dieser Tage als Erster das induktive Laden ein. Damit laden sich die Fahrzeuge praktisch von selbst, man muss nur über der induktiven Ladeplatte das Auto parken.

Report: Wie sieht die Entwicklung dazu bei den Kosten von E-Autos aus?

Fischer:
Abgesehen von den Förderungen sind wir hier schon relativ nah an den Anschaffungskosten von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Mit den Förderungen heute kommt zum Beispiel ein E-Golf bei den Anschaffungskosten schon an den vergleichbaren Diesel-Golf heran. Es ist nur eine Frage kurzer Zeit, dass dies auch ohne Förderungen gelingen wird.

Das Teure in der Anschaffung ist eigentlich die Batterie, wobei es hier starke Technologie- und Kostenentwicklungen gibt. In den letzten fünf Jahren hat sich der Preis gedrittelt, von rund 500 Dollar pro kWh auf 120 bis 130 Dollar. Die Hersteller sind zuversichtlich, 70 Dollar pro kWh zu erreichen. Die Unterhaltskosten beim E-Auto sind jedenfalls signifikant niedriger – man erspart sich ja Ölwechsel und vieles mehr. Ein Elektromotor hat kaum bewegliche Teile und ist weit weniger komplex als Kraftstoffmotoren. Die reinen Stromkosten betragen 2,50 bis drei Euro pro 100 km. Das ist selbst gegenüber den derzeitigen Spritpreisen unschlagbar. Wenn der Strom dann vielleicht auch noch aus der eigenen Photovoltaik kommt, dann kann man – zu Grenzkosten gerechnet – sogar gratis fahren.

Report: Aber lässt sich bei den niedrigen Stromkosten denn überhaupt etwas für Wien Energie verdienen?


Strebl:
Wenn an allen 1.000 neuen Ladestationen gleichzeitig – was man erst einmal schaffen muss – Fahrzeuge geladen werden, benötigen wir eine Leistung von 11 MW. Das entspricht zwei Kleinkraftwerken. Der Verbrauch ist also nicht das große Thema. Ebenso wie der gesamte Energiemarkt ändern sich aber auch unser Geschäftsmodell und unsere Rolle – weg vom klassischen Stromanbieter, hin zu einem Serviceprovider, der Dienstleistungen aus den Bereichen Strom, Gas, Wärme, Licht und Mobilität in unterschiedlichsten Paketen den Kundinnen und Kunden zu Verfügung stellt. Dort sehen wir unsere Zukunft.

Haidl: E-Mobilität wird heute von vielen meist noch als einzelnes Thema, als Insellösung gesehen. Doch ist sie nur ein »Use-Case« von vielen im Bereich Infrastruktur, wie auch Smart-Meter oder Automatisierungen im Gebäude. Dazu brauchen wir nun dringend Standards, damit Abrechnungen für die Anwender und Verrechnungen über die Unternehmensgrenzen einzelner Anbieter hinaus vereinfacht werden.

Report: Was bietet Schneider Electric dazu in Österreich?

Karl Sagmeister, Schneider Electric:
Schneider Electric ist bereits 150 Jahre alt und heute in der digitalen Transformation von Energiemanagement und Automation führend. Man sieht unsere Lösungen für Privathaushalte, Infrastruktur und die Industrie auf den ersten Blick zwar nicht – sie sind etwa in Schaltschränken eingebaut – doch werden unsere Produkte heute auf allen Netzebenen eingesetzt.

Für uns als Technologiehersteller ist Elektromobilität einfach auch eine weitere Form des Umgangs mit Energie. Elektrische Energie ist die Energieform der Zukunft, vor allem für die Konsumenten. Sie haben ein E-Auto, betreiben vielleicht eine PV-Anlage am Dach ihres Hauses und setzen auf Home-Automation im Wohnbereich. Auch hier verändern sich die Rollen: Der Consumer wird zum Prosumer, da er nicht nur Energie verbraucht, sondern auch selbst aktiv an der Erzeugung und auch Bereitstellung von Energie teilnimmt.



Foto: Karl Sagmeister, Country Manager von Schneider Electric, bietet eine breite Palette für die Energiewende.

Damit Energie dann auch wirklich in alle Richtungen fließen kann, muss sie entsprechend gemanagt werden. Wir sehen es als unsere Aufgabe, dazu Lösungen bereitzustellen. Der Endkunde soll nicht darüber nachdenken müssen, wann er sein Auto laden kann. Lösungen in der Infrastruktur im Hintergrund sorgen da für optimales Lastmanagement und für die jeweils günstigsten Einspeisungen, für das Speichern oder eben auch Laden.

Report: Wie sehen Sie das Thema Ladestationen aus Sicht der Netzbetreiber, Herr Sagmeister?


Sagmeister:
Ich denke, man sollte diese Herausforderung nicht herunterspielen. Auch 1.000 Ladepunkte mit 11 kW sind eine große Aufgabe für eine Infrastruktur, vor allem in Kombination mit unterschiedlichen Wechselwirkungen in den Energienetzen. Auch da kann Schneider Electric mit der smarten Steuerung auf Basis der Digitalisierung gemeinsam mit Netzbetreibern und Energieversorgern Lösungen finden. Ziel ist es ja, Engpässe und Netzeinbrüche zu vermeiden.

Report: Sie haben auch Elektroladestationen im Programm ­– mit welchem Fokus?

Sagmeister:
Unser Kerngeschäft ist die Bereitstellung der Ladetechnik im Zuge von Gesamtlösungen. Wir unterstützen mit unseren Produkten lokale Netze, wie etwa auch das Ladenetz von Smatrics – bleiben aber meist im Hintergrund. Ich möchte noch einmal betonen: Elektromobilität ist eine Riesenchance für uns alle, für uns als Gesellschaft, unterschiedlichste Modelle der Mobilität zu leben. Dies ermöglicht in Verbindung auch mit Gebäudetechnik, der Speicherung von Energie und intelligenten Netzen erst die Energiewende. Die Technologie ist jedenfalls bereit. Jetzt geht es beim Ausbau noch um viele rechtliche Fragen und um den mündigen Bürger – den wir alle motivieren möchten, seine Energiezukunft aktiv mitzugestalten.

Report: Ist denn die Leitungsinfrastruktur prinzipiell für die flächendeckende Errichtung von Ladestationen in Österreich ausreichend?

Strebl:
Grundsätzlich passt die Netzinfrastruktur bereits. Über den Daumen gepeilt verbraucht ein Elektroauto Strom in der Menge eines durchschnittlichen Haushalts. Wenn wir davon ausgehen, dass es in Wien bis 2030 mindestens 80.000 Elektroautos zusätzlich geben wird, stelle ich das einmal dem Einwohnerwachstum Wiens von 15.000 bis 25.000 Menschen – jedes Jahr – gegenüber. Sicherlich eine Herausforderung ist, und da gebe ich Herrn Sagmeister Recht, eine ausschließlich punktuelle Betrachtung der benötigten Ladeleistungen. Wenn in einer Siedlung mit 100 Wohneinheiten alle mit ihren Elektroautos gleichzeitig heimkommen und laden, zusätzlich die Mikrowellenherd einschalten und die Sauna vorheizen, müssten auch netzseitig entsprechende Vorkehrungen getroffen werden. Dazu gibt sehr gute elektronische Lösungen, die – ohne, dass es die Kunden merken ­­– Lasten entsprechend steuern und ausgleichen.

Fischer: Wenn rein hypothetisch alle 4,9 Millionen Pkw, die wir heute in Österreich haben, über Nacht elektrisch fahren, würden wir zusätzlich neun Terawatt Stromerzeugung benötigen. Das sind knapp 13 % des Jahresstromverbrauchs von 70 TWh. Ich bin sicherlich ein großer Optimist beim Thema Elektromobilität, aber es wird schon gut 30 Jahre brauchen, bis wirklich alle Fahrzeuge elektrifiziert sind.

Alle, dies es noch nie probiert haben, lade ich jedenfalls ein, mit einem E-Auto zu fahren. Alleine die Kraftübertragung – man hat die PS sofort zu Verfügung und nicht erst in einem hohen Tourenbereich – macht enormen Spaß. Ich kenne niemanden, der nach einer Fahrt ohne einem Lächeln aussteigt.

Report: Frau Holler-Bruckner, womit beschäftigen Sie sich als überzeugte E-Mobilistin?

Doris Holler-Bruckner, Bundesverband nachhaltige Mobilität:
Wir haben im Verband Unternehmen aber auch Private versammelt, die Komponenten für den Bereich Elektromobilität selbst erzeugen oder auch direkt Anwender sind. Wir setzen uns seit nun fast zehn Jahren für bessere Rahmenbedingungen für Elektromobilität ein und geben unsere Erfahrungen aus der Praxis an die Wirtschaft und an Interessierte weiter.

Ich bin überzeugt, das Fahren eines E-Autos macht mehr Spaß als jede andere Antriebsart. Gleichzeitig ist der Treibstoff – wenn man es richtig macht – 100-prozentig erneuerbar. 80 % unserer Mitglieder haben eine eigene PV-Anlage am Dach und stellen – ob nun privat oder in der Firma – ihren Strom kostenlos für Ladungen zu Verfügung.



Foto: Doris Holler-Bruckner ist Präsidentin Bundesverband nachhaltige Mobilität und überzeugte E-Mobilistin.

Report: Gerade der Fuhrpark in Unternehmen wird als geeigneter Einsatzbereich für Elektromobilität gesehen. Wie ergeht es Ihnen bei Ihrer Überzeugungsarbeit dazu?

Holler-Bruckner:
Eine Firmeninitiative, die wir vor kurzem gestartet haben, hat das Ziel, 30 % einer Flotte bis 2020 auf E-Fahrzeuge umzustellen oder alternativ 30 % CO2 zu reduzieren. Wir hatten auf Anhieb mehr als 20 Unternehmen dazu gefunden und es gibt einige, vor allem KMU, die schon jetzt 100 % erreicht haben.
Eines der größten Argumente ist das Engagement bei den Mitarbeitern. Sie sind begeistert und sehen, wie einfach es funktioniert.

Report: Stehen bei diesen Unternehmen prinzipiell Kosteneinsparungen oder Idealismus im Vordergrund? Wie sieht die Zukunft aus?

Holler-Bruckner:
Es ist ganz klar eine Kostenfrage, vor allem auch steuerlich. Die Mitbenützung der Fahrzeuge durch die Mitarbeiter ist vom Sachbezug befreit. Dazu kann meist kostenlos in der Firma geladen werden. Und Elektrofahrzeuge sind, wie hier schon betont wurde, im Service wesentlich kostengünstiger.

In Zukunft werden sich Elektroautos wohl autonom ihre Wege zu Lademöglichkeiten und auch ihren Nutzern suchen. Da brauche ich dann auch kein eigenes Fahrzeug mehr in meiner Garage. Wir werden weniger Autos auf den Straßen sehen und wesentlich bequemer zwischen den unterschiedlichen Mobilitätsformen wechseln. Das Thema ist für uns alle doch sehr wichtig – es geht um die Zukunft unserer Kinder.

Strebl: Wir sehen die Zukunft eindeutig in der E-Mobilität. E-Motoren haben einen Wirkungsgrad von 95 %. Diesel-Motoren kommen lediglich auf 17 %. Das ist, als würde man jede Woche sechs Liter Milch kaufen und immer fünf Liter davon unverbraucht wegwerfen.

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