Die Zukunft der Gasversorgung für die Wirtschaft liegt in Biomethan und Wasserstoff – und in einem Gut, das bereits in Österreich vorhanden ist: Netzinfrastruktur.
Der Umbau des Energiesystems ist im Strombereich bereits in voller Fahrt. Mit dem Ausbau von Windkraft und Photovoltaik ist Österreich sogar wieder zu einem Nettoexporteur des Handelsguts Elektronen geworden. Wie läuft es aber am trägen Energiemarkt der Moleküle? Pandemiebedingt, knapp nach einer Gaspreisrallye und mitten in einer schleppenden Konjunktur stagniert nicht nur der Erdgasverbrauch in Österreich – er geht sogar zurück. Trotzdem betont die heimische Gaswirtschaft – mehrheitlich Netz- und Speicherbetreiber – aktiv den Willen zum Umbau. Man stehe bereit: Biomethan und grüner Wasserstoff, der künftig mittels Elektrolyse bestenfalls aus Stromüberschüssen in sonnenstarken Ländern erzeugt wird, lassen sich genauso mit den Leitungen transportieren, wie heute das schmutzige Erdgas.
Welche Erwartungen aber hat die Wirtschaft, insbesondere die energieintensive Industrie? Der Markt- und Verteilergebietsmanager AGGM hat den Überblick über den Gasmarkt und seine Abnehmer. In einer aktuellen Befragung wurde der Bedarf für eine künftige Wasserstoffwirtschaft erhoben. Die Befragung unter Kraftwerksbetreibern und Großverbrauchern wurde bereits einmal in dieser Form durchgeführt. Nun fällt auf: Das Interesse am Thema steigt, die Prognosen der Unternehmen für den Umbau werden konkreter. Heuer gab es mit knapp 90 aktiv teilnehmenden Großbetrieben bereits doppelt so viele Rückmeldungen wie vor zwei Jahren. Sie sagen: Gasförmige Energieträger spielen für ein dekarbonisiertes und versorgungssicheres Energiesystem weiterhin eine wesentliche Rolle.
AGGM-Vorstand Bernhard Painz leitet aus der Erhebung für eine nun aktualisierte »Wasserstoff-Roadmap« einen Methanbedarf von 36 TWh und einen Wasserstoffbedarf von 41 TWh für das Jahr 2040 ab. Der Rückgang des Methanabsatzes – 2023 wurden 75 TWh umgesetzt, gut 21 TWh weniger als im Spitzenjahr 2021 – ermöglicht, bestehende Gasleitungen für den Transport von Wasserstoff umzubauen und parallele Methan- und Wasserstofftransportnetze aufzubauen. »Mit der Umwidmung von rund 1.420 km bestehender Gasleitungen und dem Zubau von 730 km neuer H2-ready- Gasleitungen kann der bislang gemeldete Wasserstofftransportbedarf gedeckt werden«, rechnet Painz vor. Nun brauche es einen entsprechenden Gesetzesrahmen für die milliardenschwere Vorfinanzierung dieser neuen Wirtschaft. An der Wasserstoffinfrastruktur werde es nicht scheitern, und auch das Methannetz wird nicht abgeschafft, betont man. Aber AGGM-Vorstandskollege Michael Woltran erinnert, der Aufbau der neuen Infrastrukturen benötige wenigstens sieben Jahre. Höchste Zeit also für mutige Entscheidungen für eine Sache, die politisch eigentlich längst beschlossen und quer durch alle politischen Lager als unbestritten gilt.
»Österreichs Gaswirtschaft ist technisch bereits auf die Umstellung auf Wasserstoff vorbereitet«, betont bei einer Wasserstoff-Tagung des ÖVWG im November auch Stefan Wagenhofer, Vizepräsident der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach und Geschäftsführer des Leitungsbetreibers Gas Connect. Forschungsarbeiten hätten gezeigt, dass bereits 97 Prozent des Gasleitungsnetzes wasserstofftauglich sind. Schon heute können Biomethan zu 100 Prozent und Wasserstoff zu bis zu zehn Prozent technisch bedenkenlos ins Gasnetz eingespeist werden.
Konkrete Wege
Die H2-Roadmap der AGGM umfasst Korridore für die Wasserstoffversorgung der großen Industriezentren im Großraum Linz, Wien und der Obersteiermark. »Upgedated« ist die Projektion nun auch mit Leitungen und Netzen nach Tirol, Salzburg und Kärnten. Auch Netzinfrastrukturpläne des Klimaministeriums und der Netzbetreiber sehen dezidierte Meilensteine für den Ausbau vor. Der »H2 Collector Ost« wird erneuerbaren Wasserstoff aus dem nördlichen Burgenland bis Wien transportieren. Das Projekt »H2 Startnetz Oberösterreich« bringt Wasserstoff aus regionalen Elektrolyseprojekten nach Linz und verbindet diese mit Tiefenspeichern in Oberösterreich. Ein grenzüberschreitender »SoutH2 Corridor« wird mit internationalen Partnern vorangetrieben. Die Fernleitungsprojekte ermöglichen den überregionalen Wasserstofftransport und den Transit aus und in Nachbarländer. Parallel dazu sieht die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung den Bau von 1 GW Elektrolysekapazität in Österreich zur Erzeugung von klimaneutralem Wasserstoff bis 2030 vor.
Europa plant bis 2040 den Aufbau eines 40.000 km langen H2-Backbone, der ebenfalls durch Umwidmung bestehender sowie den Bau neuer Gasleitungen entsteht. Die Hoffnung der heimischen Gasbranche ist, dass Österreich auch unter dem neuen Vorzeichen H2 eine zentrale Rolle als Transit- und Gasspeicherland einnehmen kann. Spätestens mit dem Eintrudeln eines neuen Erneuerbaren-Gas-Gesetzes für Investitionen in Biomethan und dem Beleben eines noch ungenügend ausformulierten Wasserstoff-Fördergesetzes wird in Österreich also in die Hände gespuckt werden.
Neben den technischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Herausforderungen stellt sich die Frage, wo die Fachleute für die kommenden Projekte zu finden sind. »Junge Menschen, die gerne und aktive die Energiewende mitgestalten wollen, finden hier ein umfangreiches und zukunftsträchtiges Berufsfeld vor«, ist Peter Muckenhuber, Studiengangsleiter Wasserstofftechnik der Fachhochschule Technikum Wien überzeugt. Er richtet sich mit einem Bachelorstudium an Interessierte, die eine berufliche Aufgabe mit Langfristcharakter suchen. Eigentlich etwas, das am Arbeitsmarkt selten geworden ist.
Gasverbrauch in Österreich: heute und morgen
2020: Methan (Erdgas) 90 TWh
2021: Methan 96 TWh
2022: Methan 85 TWh
2023: Methan 75 TWh
Prognose 2040: Biomethan 36 TWh, Wasserstoff 41 TWh
Beruf für neue Wirtschaft
Das FH Technikum Wien bietet ein Bachelorstudium Wasserstofftechnik in einer dualen Studienform. Die generalistische ingenieurtechnische Ausbildung richtet sich an Interessierte, die alle technischen Aufgaben in der Wertschöpfungskette des grünen Wasserstoffes für die Energiewende mitgestalten wollen. Angeboten wird das BA-Studium auf der Hochschule und zusätzlich in Ausbildungsunternehmen (zwölf Wochen Betriebspraxis pro Jahr). Studierende bekommen damit früh Berufserfahrung und Verdienstmöglichkeiten. Betriebe können Fachpersonal bereits während der Studienzeit entwickeln und für sich gewinnen. Die Bewerbungsfrist für Studienplätze endet am 31. Mai 2025.
Kontakt und Informationen: www.technikum-wien.at/studiengaenge/bachelor-wasserstofftechnik
Karte für Potenzial
Sie wollen Biomethan aus eigener Erzeugung im österreichischen Gasnetz vermarkten? Die interaktive Einspeisekarte inGRID bietet seit mehr als einem Jahr eine Übersicht wirtschaftlich darstellbarer Einspeisepunkte für erneuerbare Gase. Basierend auf einem digitalen Zwilling des realen Netzes sind optimale Standorte für die Einspeisung von Biomethan und Wasserstoff identifiziert und in Effizienzklassen eingeteilt – mit viel Luft nach oben: Aktuell speisen lediglich 15 Biogasanlagen ins heimische Gasnetz ein.
ingrid.aggm.at