Die Personenzertifizierung gewinnt in der Arbeitswelt zunehmend an Bedeutung. Sie bietet Fachkräften die Möglichkeit, ihre Kompetenzen nach internationalen Standards zu erweitern und sich damit auf dem internationalen Arbeitsmarkt zu profilieren. Doch welche Qualifikationen sind in Zukunft besonders gefragt und wie können Unternehmen davon profitieren?
Die Richtlinien der EU schaffen verbindliche Rahmenbedingungen für die europäische Wirtschaft. Auch wenn diese Regelwerke zunächst oft nur für Großunternehmen gelten: Konzerne fordern zunehmend, dass ihre Lieferanten und Partner entlang der Wertschöpfungskette ebenfalls diese Standards einhalten bzw. sind dazu gemäß internationaler Beschaffungsrichtlinien sogar verpflichtet. Damit sind häufig auch kleinere und mittlere Unternehmen angehalten, ihre Prozesse entsprechend der neuen Anforderungen auf Kurs zu bringen. Doch woher soll das Know-how kommen?
Der Weiterbildungsmarkt hat rasch reagiert und bietet eine breite Palette an passgenauen Zusatzqualifikationen an. Lehrgänge zum zertifizierten Nachhaltigkeitsmanager oder zur IT-Sicherheitsbeauftragten gibt es ebenso wie Ausbildungen für zertifizierte Innovationsmanager oder Expertinnen für barrierefreies Bauen. Die Teilnehmer*innen lernen, wie Unternehmen die neuen Standards effektiv in ihre Betriebsabläufe integrieren sowie intern und extern transparent und überzeugend kommunizieren können, um verantwortungsvolles Handeln auch als Wettbewerbsvorteil zu nutzen.
Das Personenzertifikat ist »ein Gütesiegel für qualifizierte Mitarbeiter*innen, das Personen und Unternehmen gleichsam auszeichnet«, wie Thomas Rochowansky, Teamleiter Lerndienstleistungen in der TÜV AUSTRIA Akademie, erklärt: »Die Person bestätigt ihre berufliche Kompetenz mittels qualitätsgesicherten Abschlusses. Dieser weist Fähigkeiten, Wissen und praktische Erfahrung als dokumentierte Lernergebnisse nach. Das nutzt den Unternehmen, geforderte Qualifikationen von Mitarbeiter*innen im Rahmen von Ausschreibungen sowie gegenüber Behörden, Kunden und sonstigen Stakeholdern zu bestätigen.« Mit einem aufrechten Personenzertifikat gewährleistet das Unternehmen, dass seine Mitarbeiter*innen am neuesten Stand des jeweiligen Fachgebietes sind.
Akkreditiertes Personal
In einer hochtechnisierten Wirtschaft ist der stetige Erwerb von Kenntnissen und Fertigkeiten am Puls der Zeit gefordert – Stichwort: lebenslanges Lernen. Mit neuen Technologien und Anwendungen erweitert sich auch laufend die Liste der Schlüsselkompetenzen für einzelne Tätigkeitsfelder, aber auch branchenübergreifend. Die Kursangebote umfassen nahezu jede Berufsgruppe und Branche, zum Beispiel in den Bereichen Produktion und Technik, Qualität, Nachhaltigkeit, Arbeits- und Umweltschutz, Energie, IT und Datenschutz, Gesundheitswesen, Sicherheit und Sales. Aktuell werden verstärkt die Themen Kreislaufwirtschaft und Künstliche Intelligenz nachgefragt.
Von der Fülle der Schulungsanbieter, die für die erfolgreiche Teilnahme Bescheinigungen wie Zeugnisse, Urkunden etc. ausstellen, heben sich jene autorisierten Institutionen ab, deren Prüfverfahren international gültigen Normen entsprechen. Ein akkreditiertes Personenzertifikat ist ein offizielles Dokument, das nach einem standardisierten und anerkannten Verfahren die Kompetenz in einem bestimmten Fachgebiet bestätigt. »Personenzertifizierungen dienen als anerkannter Kompetenznachweis und schaffen Vertrauen bei Arbeitgeber*innen und Kund*innen. Der entscheidende Vorteil liegt in der unabhängigen Beurteilung und Prüfung der Personen durch eine neutrale Zertifizierungsorganisation«, sagt Peter Jonas, Director Certification bei Austrian Standards. »Diese objektive Bewertung trägt maßgeblich zur Qualitätssicherung und Professionalisierung in Unternehmen bei. Und durch regelmäßige Rezertifizierungen wird sichergestellt, dass die Fähigkeiten der zertifizierten Person stets aktuell und relevant bleiben.«
Nur nach der Norm ISO/IEX 17024 akkreditierte Anbieter sind berechtigt, international anerkannte Personenzertifikate auszustellen. Sie sind verpflichtet, strenge Qualitätsstandards einzuhalten und das Prüfverfahren unabhängig und objektiv durchzuführen. EU-Regulatorien geben jedoch nicht nur die rechtlichen Rahmenbedingungen vor, sondern beeinflussen auch das Schulungsangebot entscheidend, wie Jonas bestätigt. »Europäische Richtlinien oder -verordnungen wirken sich auf unser Portfolio an Personenzertifizierungen aus. So ist zum Beispiel die Zertifizierung zum ›Datenschutzbeauftragen‹ eine unmittelbare Folge der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Die Zertifizierungen im Bereich KI, wie ›KI-Manager*in‹ oder der ›Value-based Engineering Ambassador‹ stehen im engen Zusammenhang mit dem AI Act der EU.«
Die Nachfrage nach diesen Zertifizierungsprüfungen ist derzeit sehr stark, da ab 2. Februar 2025 KI-Kompetenz gemäß Artikel 4 EU-AI Act nachgewiesen werden muss. Quality Austria stockt das Ausbildungsprogramm 2025 u. a. in zukunftsträchtigen Bereichen wie Compliance und Risikomanagement auf und bietet mehr als 50 akkreditierte Trainings.
Auch TÜV AUSTRIA reagiert mit einer laufenden Adaptierung des Angebots. Unter anderem entstanden die Ausbildungen zum/zur Produktsicherheits- & Konformitätsbeauftragten, Maschinensicherheitsbeauftragten sowie CSR-Beauftragten bzw. CSR-Manager*in & Auditor*in auf Grundlage von EU-Verordnungen, betont TÜV AUSTRIA-Teamleiter Thomas Rochowansky: »EU-Richtlinien sind wie internationale Standards und lokale Gesetzgebung eine sinnvolle Basis zur Etablierung von Qualifikationen mit Personenzertifikaten. Damit ist gesichert, dass die Anforderungen an Unternehmen, von diesen erkannt, verstanden und gesichert umgesetzt werden.«
Die Karriereleiter hinauf
Für Arbeitnehmer*innen liegen die Vorteile auf der Hand: Personenzertifikate ermöglichen eine berufliche Spezialisierung, die besondere Karrierewege eröffnen kann. Bei der Besetzung attraktiver Stellen oder Führungspositionen können Zusatzqualifikationen das Zünglein an der Waage sein. Mitarbeiter*innen, die großes Interesse am Ausbau der eigenen Kompetenzen zeigen, signalisieren damit, dass sie für den nächsten Schritt auf der Karriereleiter bereit sind.
Auch für Unternehmen lohnt es sich, in Zertifizierungsprogramme für Mitarbeiter*innen zu investieren. Konzerne mit mehreren internationalen Standorten müssen im gesamten Unternehmen einheitliche Service- und Produktionsstandards gewährleisten können – das gelingt am besten über Personenzertifizierungen. An internationalen Normen orientierte Zertifizierungsverfahren sind weltweit anerkannt und zeigen somit auch Geschäftspartnern und Kunden, dass auf transparente Qualitätsmaßstäbe Wert gelegt wird. Eine Unternehmenszertifizierung, etwa nach ISO 9001, kann die Eintrittskarte für große Aufträge bei renommierten Kunden sein. Entsprechend ausgebildete Mitarbeiter*innen, die diese Qualitätsanforderungen managen, sind dafür eine Grundvoraussetzung.
Als Maßnahme gegen den Fachkräftemangel haben sich zertifizierte Weiterbildungsprogramme ebenfalls bewährt: Indem Mitarbeiter*innen ermöglicht wird, ihr Berufsprofil zu schärfen, steigt deren Motivation und damit auch die Bindung zum Unternehmen.
Interview: »Enorme Effizienzgewinne für Unternehmen«
Elisabeth Hofstätter-Kollarich, Head of Training der Quality Austria Academy, hält kontinuierliche Weiterbildung für unerlässlich, um am Markt bestehen zu können. Wichtiges Element bleibt bei allen Trainings der Praxisbezug.
Welche Vorteile bieten Personenzertifikate für Arbeitnehmer*innen?
Elisabeth Hofstätter-Kollarich: Die zunehmende Digitalisierung, der Fachkräftemangel sowie Entwicklungen in Bereichen wie ESG und Compliance stellen Unternehmen bzw. deren Mitarbeitende vor vielfältige Herausforderungen. Personenzertifikate stärken das berufliche Know-how und stellen sicher, dass gezielte Kompetenzen in Trendbereichen wie Digitalisierung, ESG und Compliance erworben werden. Eine fundierte Basis im Qualitäts-, Umwelt- und Sicherheitsmanagement ist heute eine zentrale Anforderung, um langfristig am Markt bestehen zu können. Durch Aus- und Weiterbildungen erhalten Arbeitnehmer*innen wertvolles Wissen, um vielfältige Herausforderungen im Berufsalltag zu meistern. Ein akkreditiertes Zertifikat ist zudem ein Karriere-Booster und hilft, sich am internationalen Arbeitsmarkt abzuheben.
Wie profitieren Unternehmen davon?
Hofstätter-Kollarich: In unserer schnelllebigen Zeit profitiert jedes Unternehmen von Mitarbeitenden, die auf dem neuesten Wissensstand sind und sich kontinuierlich weiterbilden. Vor allem bei Neueinsteiger*innen oder Quereinsteiger*innen bringt es enorme Effizienzgewinne für Unternehmen, wenn sich diese rasch die wichtigsten Praxis-Werkzeuge aneignen können. Quality Austria Academy baut für ein schnelles und effizientes Wissens-Update das Kompakt-Trainingsangebot im Bereich Qualität, Umwelt und Sicherheit 2025 weiter aus, unter anderem mit Trainings in zukunftsträchtigen Bereichen wie Compliance und Risikomanagement sowie mit über 50 akkreditierten Zertifizierungsprogrammen.
Welche Qualifikationen sind in Zukunft besonders gefragt?
Hofstätter-Kollarich: In den letzten Jahren haben sich u. a. Berufsbilder wie ESG-Manager*innen sowie Compliance- oder Risikomanager*innen in allen Branchen etabliert. Für diese Aufgaben ist die entsprechende Umsetzungskompetenz zu relevanten Rahmenwerken wie SDGs, ISO 26000, ISO 37301 und vielen mehr notwendig. Aber auch Basisberufsbilder wie Qualitäts-, Umwelt- und Sicherheitsmanager*innen sind nach wie vor in allen Unternehmen unverzichtbar. Ob kompakt, vertiefend, inhouse oder online: Bei allen Trainingsangeboten wird auch weiterhin der Praxisbezug im Fokus stehen.
Zusammengefasst: Weiterbildung als Win-win-Faktor
Im Werben um qualifizierte Arbeitskräfte kommt der Personalentwicklung eine Schlüsselrolle zu. Mit Weiterbildungsangeboten und Karrierechancen können Unternehmen bei Bewerber*innen
entscheidend punkten. Zertifizierungen schaffen zudem Vertrauen gegenüber Geschäftspartnern und Kund*innen.
Ein akkreditiertes Personenzertifikat erfüllt folgende Anforderungen:
1. Kompetenz
Die zertifizierte Person besitzt die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, die in einem bestimmten Fachgebiet notwendig sind. Der Nachweis erfolgt in der Regel durch Prüfungen und Bewertungen, die nach festgelegten Standards durchgeführt werden.
2. Objektivität
Die Akkreditierung der Zertifizierungsstelle gewährleistet, dass der Zertifizierungsprozess unabhängig von Eigeninteressen und objektiv durchgeführt wird. Daher wird das Zertifikat von Arbeitgeber*innen, Kund*innen und anderen Interessengruppen weithin anerkannt.
3. Aktualisierung
Akkreditierte Zertifikate haben meist eine begrenzte Gültigkeitsdauer und erfordern regelmäßige Rezertifizierungen. Dadurch wird sichergestellt, dass die zertifizierte Person ihr Wissen und ihre Fähigkeiten auf dem neuesten Stand hält.
4. Vorgaben
Die Zertifizierung berücksichtigt branchenspezifische Anforderungen und gesetzliche Vorgaben, um die Einhaltung der strengen Standards und Normen in der jeweiligen Industrie zu gewährleisten.