Bei Fassaden stehen 354 Mio. m² zur Sanierung an – erforderlich ist eine jährliche Sanierungsquote von 2,9 Prozent, tatsächlich beträgt sie 0,7 Prozent. Bei Dächern liegt sie bei 0,6 Prozent, steigen müsste sie auf 2,6 Prozent. Dringender Sanierungsbedarf besteht also – an Innovationen wird gearbeitet.
»Im Bereich der Fassade sehen wir zwei unterschiedliche Bedürfnisse. Während einige Hauseigentümer*innen gleichzeitig ihre Fassade modernisieren bzw. erneuern und die Energieeffizienz ihres Gebäudes verbessern möchten, betrachten andere dies als wichtigen Schritt zur Erreichung der CO2-Ziele«, berichtet Manuel Wesentslintner, Produktmanager für WDS und Oberputze bei Röfix. Die große Gemeinsamkeit ist das Ziel, die laufenden Betriebskosten zu senken und in alternative Heizsysteme zu investieren, um sich langfristig von fossilen Rohstoffen zu lösen.
»In Österreich wird zu 83 Prozent mit EPS gedämmt«, informiert Paul Petzold, Leiter Produktmanagement Building Envelope in der Synthesa Gruppe. 13 Prozent entfallen auf Mineralwolle, die restlichen knapp vier Prozent verteilen sich auf Dämmstoffe wie Holzfaserplatten und Hanf-Dämmplatten, wie sie Synthesa anbietet. Die von vielen erwartete Sanierungswelle im Wohnbau bleibt noch aus, obwohl die Förderung um das dreifache erhöht wurde. Eine Erklärung von Markus Egger, Produktmanager WDVS bei Sto: »Für viele private Haushalte ist die thermische Sanierung auf Grund der KIM-Verordnung und des doch noch extrem langen Vorfinanzierungs-Zeitraumes schwierig.«
Der Nachfrage entsprechen
»Seit Jahren arbeitet unsere Branche daran, dass sich die Sanierungsrate in Richtung drei Prozent bewegt und die steuerliche Abschreibung von Sanierungsmaßnahmen ein zielgerichtetes Lenkungsinstrument wird. Dass der steuerliche Anreiz funktioniert, hat Italien mit dem ›Superbonus‹ bewiesen«, bringt Roland Hebbel, Geschäftsführer von Steinbacher Dämmstoffe, ein Vorzeigebeispiel. Hier konnte ein Steuerabsetzbetrag von 110 Prozent der Ausgaben für energetische Verbesserungen der Gebäudehülle geltend gemacht werden.
Das Fördersystem nennt auch Michael Allesch, Geschäftsführer Marketing & Vertrieb bei Rigips/Isover, als Grund, warum das Thema Sanierung in Österreich nicht vom Fleck kommt. »Es liegt weniger an den Dämmtechnologien. Auch ein Wunder-Dämmprodukt könnte die große Sanierungslücke vermutlich nicht rasch schließen.« Das Problem liegt bei den Fördermöglichkeiten, die beispielsweise im Vergleich zum Austausch von Heizsystemen viel zu niedrig angesetzt sind, sowie an der restriktiven Kreditvergabe, Stichwort KIM-Verordnung, und der Tatsache, dass Sanierungsprojekte meist relativ aufwendig zu bewerkstelligen sind. »Unsere Forderung an die politischen Entscheidungsträger ist nach wie vor ein One-Stop-Shop für Förderwerber sowie die Überarbeitung der KIM-Verordnung«, so Wesentslintner.
Neue Entwicklungsschritte
Zukünftig wird bei Dämmstoffen nicht nur der Widerstand gegen Wärmeeinfluss ein Thema sein. »Immer öfter wird der Hitzeschutz bei den Planern thematisiert, erforderlich sind innovative Hybridlösungen, die die bisherigen Bauweisen grundlegend verändern«, fordert Manuel Wesentslintner. Steinbacher Dämmstoffe nennt das System der Strahlungswärme. In grauem EPS befinden sich sogenannte Infrarot-Absorber, die den Wärmetransport verringern. Diese Dämmplatten erreichen die gewünschte Dämmleistung mit bis zu 25 Prozent dünneren Platten im Vergleich zum weißen EPS.
Ein Blick in die Inno-Welt der Dämmstoffe: Röfix bietet etwa fugenlose Spritzdämmungen. Paul Petzold, Synthesa, spricht die Farbe der Fassade an, die in puncto Reflexion von Sonnenstrahlen eine maßgebliche Rolle spielt. »Weiße bzw. helle Oberflächen mit einem hohen Hellbezugswert haben einen höheren Reflektionsgrad und nehmen daher weniger Hitze auf.«
Sto hat laut Markus Egger positive Erfahrungen mit dem Konzept der Reflektion von Sonnenstrahlung gemacht, vor allem durch die Integration von PV in Fassadensysteme – StoVentec Photovoltaics Inlay. Mit dem zementfreien Mörtel StoLevell Neo AimS gibt es das ökologische Fassadendämmsystem StoTherm AimS in einer mineralischen Variante. Der Mörtel kann mit Holzweichfaser-, Mineralwolle- oder EPS-Dämmplatten kombiniert werden.
Als Innovation bei Steinbacher Dämmstoffe nennt Roland Hebbel vor allem die hochdruckfeste Fundament-Dämmschalung steinodur SHD 500 ECO, die eine lückenlose Dämmung zwischen Perimeterbereich und Bodenplatte gewährleistet, zum Beispiel unter der Fundamentdämmplatte. Die Dämmplatte steinodur WDO-E ist eine Lösung für Dächer. PE-Randdämmstreifen und PE-Bahnen Greenline bestehen aus nachwachsenden Rohstoffen. Ein Recyclingprodukt ist auch die Trennwand-Platte Akustic TP1 aus Glaswolle von Isover. Die Lanaé-Wolle wird aus rund 80 Prozent Recyclingglas hergestellt.
Stichwort Forschung
Dämmstoff-Forschung bleibt Tagesthema an den Universitäten. Die TU Graz arbeitet an Verbundwerkstoffen aus Pilzmyzel. »Diese Verbundwerkstoffe werden durch das Züchten von Pilzmyzel auf dem organischen Substrat Sägemehl hergestellt. Das Ergebnis ist ein leichter und dennoch stabiler Werkstoff, der sich für verschiedene Anwendungen eignet, unter anderem als Dämmstoff, für temporäre Bauelemente und sogar als tragende Struktur«, berichtet Milena Stavric vom Institut für Architektur und Medien. Der hohe Energiebedarf während des Herstellungsprozesses erfordert aber noch Optimierung. Ein weiteres Forschungsprojekt an der TU Graz betrifft den Ersatz von Zement durch Geopolymere, die aus Abfällen, Reststoffen und Sekundärrohstoffen hergestellt werden.
Azra Korjenic von der TU Wien überzeugt mit ihrem Innovationsnetzwerk natuREbuilt, einer neuen Stroh-Kalk-Platte, die als Träger- und Dämmstoffplatte genutzt werden kann, und mit ihrem fortlaufenden Einsatz für begrünte Fassaden. Mit dem Projekt Photo.Synth.Etica in Dublin ist Begrünung auch wichtig für die Landschaftsarchitektin Claudia Pasquero an der Universität Innsbruck. Thema Begrünung: StoFix Iso Bar ECO präsentiert sich als Ranksystem, das Fassadenbegrünung auf gedämmten Fassaden auch nachträglich ermöglicht.
Woran forschen Dämmstoffproduzenten? Röfix arbeitet an der Weiterentwicklung von Aerogel-Hochleistungsdämmsystemen. Die Allianz der Pioniere erforscht die wirtschaftliche Nutzung wiedervernässter Moore, Sto unterstützt die Initiative und untersucht vor allem die Nutzung nachwachsender Rohstoffe für Dämm- und Verpackungsmaterialien. Steinbacher Dämmstoffe ist Mitinitiator und Antreiber von EPSolutely. Aktuell findet eine österreichweite Sammlung von EPS-Dämmplattenverschnitt statt, 5.000 Sammelsäcke sind mit QR-Codes versehen und verteilt. »Seit einem Jahr holen wir mit unseren LKW EPS-Verschnitte bei unseren Kund*innen ab«, so Hebbel. EPSolutely hat sich ab 2025 zum Ziel gesetzt, 80 Prozent der EPS-Baustellenabschnitte und 70 Prozent der EPS-Verpackungen in die Kreislaufwirtschaft zu bringen – ein wichtiger Schritt für die ESG-Ziele der Baubranche.
Bild: »Dämmung ist der Schlüssel zur Reduktion von Treibhausgasen«, ist Röfix-Geschäftsführer Christian Höberl überzeugt.
Bild: Fortschritt Recycling: »Die Isover-Glaswolle ist ein Beispiel für erfolgreiches Upcycling. Sie besteht aus bis zu 80 Prozent Recyclingglas«, betont Michael Allesch. Saint Gobain Austria bietet auch das Mineralwolle-Recycling »Easy Eco« an.
Hintergrund: Fassadenbegrünung
Eine begrünte Fassade kann laut Sto die Innenraumtemperatur im Sommer um bis zu 5 °C senken bzw. die Temperatur der Fassadenoberfläche um ca. 8 bis 19 °C reduzieren. Laut einer Studie der MA22 ergibt sich ein Einsparungspotenzial von 3.000 kWh/Jahr bei einer Fassadenfläche von 850 m².
Grafik: »Obwohl sich die Rahmenbedingungen mit der Verdreifachung der Fördersummen im Bereich Sanierung und dem Wohn- und Baupaket klar verbessert haben, ist die Situation am Dämmstoffmarkt weiterhin herausfordernd«, beschreibt Clemens Demacsek, GDI 2050. Zwischen 2021 und 2023 gab es einen Rückgang um knapp 20 Prozent. »Bis der Wirtschaftsmotor Bau wieder in die Gänge kommt, werden noch einige Monate vergehen.«
Projekt: Neues Leben für alte Mineralwolle
Im Projekt BitKOIN forschen die Porr, Holcim, Rohrdorfer und Saint-Gobain gemeinsam mit der Montanuniversität Leoben und der TU Graz an der Verwertung von Mineralwolleabfällen als umweltfreundlicher Hüttensandersatz. Dieser dient in der Zementherstellung als CO2-reduziertes Bindemittel.
Mineralwolle zählt zu den beliebtesten und am häufigsten verwendeten Dämmstoffen beim Gebäudebau. Aufgrund ihrer geringen Dichte und speziellen Materialbeschaffenheit lässt sie sich nur schwer komprimieren. Sie verfüllt also Deponien schnell und destabilisiert diese. Ab 01.01.2027 ist zudem österreichweit die Ablagerung von Künstlichen Mineralfasern (KMF) und somit Mineralwolleabfällen auf Deponien verboten. Deshalb wurde das Projekt BitKOIN ins Leben gerufen. Unter der Leitung des Lehrstuhls für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft der Montanuniversität Leoben wird gemeinsam daran gearbeitet, aus Mineralwolle ein Substitut für Hüttensand, den sogenannten »Hüttensand 2.0«, zu entwickeln.
Um synthetischen Hüttensand herzustellen, werden die Abfälle der Mineralwolle mit weiteren Reststoffen versehen und thermisch behandelt. Die Verwendung dieser thermochemisch aufbereiteten Mineralwolleabfälle unterstützt die Senkung der Gesamtemissionen der Bindemittelindustrie.
Aktuell finden am Lehrstuhl für Thermoprozesstechnik der Montanuniversität Leoben Vorversuche statt, um die optimale Rezeptur zu entwickeln. Im Recycling Center Himberg (RCH) der Porr wird Mineralwolle zur Weiterverarbeitung aufbereitet und für die Versuche im Zuge des Forschungsprojekts zur Verfügung gestellt.
Daten und Fakten
Projektname: BitKOIN
Projektleitung: Montanuniversität Leoben (Lehrstuhl für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft)
Projektpartner: Holcim CTEC GmbH, Montanuniversität Leoben (Lehrstuhl für Thermoprozesstechnik), Porr Umwelttechnik GmbH, Rohrdorfer Umwelttechnik GmbH, Saint-Gobain Austria GmbH, Technische Universität Graz (Institut für Materialprüfung und Baustofftechnologie)
Laufzeit: März 2023 bis Februar 2026 (36 Monate)
Bild: Im Recycling Center Himberg der Porr wird Mineralwolle zur Weiterverarbeitung aufbereitet.