Amazon, Facebook, Google und viele andere Onlineplattformen waren früher besser. Das ist kein Zufall, sondern Teil der Systemlogik.
Die Erzählung von der goldenen, neuen Tech-Zukunft geht ungefähr so: Die analoge Vergangenheit war mühsam, vieles war Handarbeit und wegen fehlender Automatisierung dauerte alles ewig. Dank cleverer Disruption und Tech-Visionären geht heute digital alles schneller, billiger und zuverlässiger – von der Informationssuche übers Online-Einkaufen bis hin zur Übernachtung, Taxifahrt und dem Kontakthalten mit Familie und Freunden.
Dieser Optimismus vom ewig besseren Morgen wird allerdings in den letzten Jahren auf eine harte Probe gestellt. Nach den ersten Jahren voller Zuversicht machen sich auf vielen großen Onlineplattformen Resignation und zunehmend Unmut breit. Weil, mal ehrlich: Irgendwie funktioniert das alles nicht mehr so gut, wie man es schon einmal gewohnt war.
Die Google-Suche liefert hauptsächlich Werbung, die Produktsuche auf Amazon ist dank »sponsored products«, Eigenmarken und Fake-Reviews ein Ärgernis, auf Facebook bekommt man statt Ferienfotos von der Cousine zunehmend radikale Impfgegner-Esoterik oder sonstigen rechten Trash ausgespielt. Die Liste ist lang – und sie wird länger, je mehr man darüber nachdenkt. Der Tech-Blogging-Vordenker Cory Doctorow hat dafür ein passendes, passend deftiges Wort gefunden: »enshittification«.
Wie Onlineplattformen sterben
Doctorow bringt die erst langsame, dann raschere »Beschissenwerdung« einstmals nützlicher Onlinedienste auf eine gemeinsame Formel – und das als Antwort auf die Frage, »wie Onlineplattformen sterben«. Am Beginn ihrer Lebenszyklen umwerben die Plattformen ihre Nutzer*innen mit Services, die nützlich und innovativ sind. Wenn eine ausreichend große Nutzer*innenbasis durch ein attraktives Produkt gewonnen ist, wenden sich die Plattformen primär ihren Geschäftskunden zu: Die Endnutzer*innen, zuvor noch umworben und verwöhnt, werden zur Ware, die an die dafür zahlenden Business-Kunden verkauft wird.
In einem letzten Schritt werden dann die Geschäftskunden selbst gemolken, bis die Plattform für beide, Endnutzer*innen und Geschäftskunden, endgültig abstoßend geworden ist. Profitiert haben am Schluss nur die Aktionär*innen der Plattformen selbst – und auch das nur, wenn sie schnell genug am Höhepunkt der Kurve abgesprungen sind. Am Ende, so Doctorow, steht der Tod ehemals großer Online-Titanen – oder zumindest ihre Unbenutzbarkeit – und eine Riesenmenge frustrierter Nutzer*innen.
An Google, Amazon, TikTok, Twitter, AirBnB, Uber und vielen anderen Onlineplattformen lasse sich dieser unsympathische Lebenszyklus beobachten, so Doctorow, denn letztlich sei dieser nur ein Ausdruck des in der Online-Ökonomie besonders ausgeprägten Hechelns nach kurzfristigen Gewinnsteigerungen. Um möglichst rasch auch noch den letzten Tropfen Geld aus den Plattformen zu pressen, werden zuerst die Nutzer*innen und danach auch noch die Geschäftskunden bis zu deren jeweiliger Schmerzgrenze und darüber hinaus geschröpft.
Verhindern lasse sich diese Selbstkannibalisierung nicht, allerdings könnte eine digitalpolitische Weichenstellung helfen, den Schaden für Kunden zu verkleinern. Die Plattformen müssten gezwungen werden, ihren Nutzer*innen den Wechsel zur Konkurrenz zu vereinfachen, samt den Daten und Netzwerken, die sie eingebracht und erarbeitet haben. Das wäre ein Morgen, dem man tatsächlich wieder mit Optimismus begegnen könnte.