Sonntag, Dezember 22, 2024
»Gebäude können künftig als Ausgleichsmasse herhalten«

Georg Pammer, Geschäftsführer der ASCR, forscht in der Seestadt Aspern in den Bereichen intelligente Gebäude und Netzinfrastruktur.

Report: Welcher Fragestellung sind Sie in Aspern nachgegangen?

Georg Pammer: Die relativ aufwendige Ausstattung der Gebäude entspricht einer künftigen Welt der Einbindung und Vernetzung von erneuerbaren Energien im urbanen Raum. Die Technik wurde dazu nicht neu entwickelt – alle Komponenten sind aktuell am Markt erhältlich. Wir möchten nun wissen, wie diese Ausstattung möglichst effizient eingesetzt werden kann. Es geht um die Nutzung unterschiedlichster Daten – meteorologische Informationen, Verbrauchsverläufe bei den Nutzern – für ein konkretes Ziel: möglichst wenig Strom aus dem Stromnetz zu ziehen. Das Stromnetz ist noch die einzige Verbindung nach außen. Alles andere wie etwa die Wärmeproduktion erfolgt vor Ort.

Report: Was sind die größten Herausforderungen bei dem Projekt?

Pammer: Zunächst sind das triviale Problemstellungen, wie sie jeder Häusl­bauer kennt – etwa mechanische oder hydraulische Installateursthemen, die sich in unserem Fall aber auf die Steuerungsautomatisierung durchschlagen. Dann hatten wir Lerneffekte bei den Datenverbindungen oder Sensoren, die mitunter fehleranfällig waren. Jetzt läuft das »Building Energy Management System« in den Gebäuden einigermaßen rund. Mit dem System sollen Gebäude aber nicht nur effizient betrieben werden. Um die volatilen Lastspitzen aus der Erzeugung mit Erneuerbaren abzufedern, könnten neben den Pumpspeicherkraftwerken künftig auch Gebäude als Ausgleichsmassen herhalten. Auch unsere Objekte könnten künftig am Energie- und Flexibilitätsmarkt teilnehmen. In den nächsten Monaten wollen wir die Teilnahme auch von komplexeren Gebäudesystemen mit elektrischer und thermischer Erzeugung und Speicherung schaffen, und die weitgehende Automatisierung dieser Abläufe.

Report: Wenn Sie von Automatisierung sprechen: Wie viel ist den Nutzern zumutbar?

Pammer: Das ist ein Missverständnis – wir intervenierten nicht bei den Usern. Wir greifen keinesfalls in die Wohnung ein, um etwa die Waschmaschine zu steuern. Aber wir wollen verstehen, zu welchen Zeitpunkten in den Gebäuden Lastspitzen zu erwarten sind, um diese abzufedern. Zeitvariable Tarife bewirken keine großen Verhaltensänderungen, flexible Tarifmodelle können aber bei großen Verbrauchern wie einer Schnellladestation für E-Mobilität interessant sein – und das wollen wir auch testen. Ein denkbares Tarifmodell könnte eine garantierte Lademenge bis zu einem gewissen Grad liefern, in Ergänzung zu einem wesentlich günstigeren Strompreis, wenn im Netz Überschuss herrscht.

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