Sonntag, Dezember 22, 2024
Entsendungen nach Österreich

Theoretisch Rechtsgleichheit, in der Praxis viel Missbrauch. Probleme gibt es vor allem beim Taggeldanspruch, der Sozialversicherungspflicht und der Rechtsdurchsetzung.

Aährlich werden 300.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Österreich entsandt. Allein 130.000 dieser Entsendungen betreffen die Bauwirtschaft. Damit ist Österreich der Empfangsstaat bei Entsendungen Nummer eins in Europa. Dies hat neben der günstigen geografischen Lage mit Sicherheit auch mit dem hohen Lohnniveau in Österreich zu tun. Ein Bauarbeiter in Slowenien hat beispielsweise Anspruch auf einen Stundenlohn von sechs Euro brutto, in Österreich von 14 Euro. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen: Einerseits sind österreichische Facharbeiter teurer als slowenische, zweitens ist es daher für Unternehmen aus dem EU-Ausland attraktiv, ihre Dienstleistungen in Österreich anzubieten. Denn allzu oft können sie dies billiger als österreichische Unternehmen tun.

Diese Tatsachen sind seit dem EU-Beitritt Österreichs bekannt und sorgen seit Jahrzehnten für großen Unmut sowohl bei österreichischen Unternehmen als auch bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmern. Tatsächlich hat die Zahl entsandter Bauarbeiter in den letzten Jahren drastisch zugenommen. Waren in der BUAK vor fünf Jahren noch 80.000 Entsendungen registriert, waren es 2017 schon mehr als 130.000. Arbeitsrechtlich ist es das erklärte gewerkschaftspolitische Ziel, Entsendungen heimischen Arbeitsverhältnissen gleichzustellen. Das ist durch Urteile des EuGH in den letzten Jahren weitgehend gelungen. Entsandten Arbeitnehmern gebühren alle Ansprüche, die der Bau-KV vorsieht.

Auch Taggeld gebührt bei Entsendungen

Seit dem Urteil Sähköälojen gebührt entsandten Arbeitnehmern auch das pauschalierte Taggeld nach Bau-KV. Bis jetzt scheint sich diese Tatsache auf Österreichs Baustellen noch nicht wirklich herumgesprochen zu haben. Bei unserer fremdsprachlichen Beratung zeigt sich immer wieder, dass kein Taggeld ausbezahlt wird. Erstmals hat die Gewerkschaft Bau-Holz deshalb für einen entsandten Bauarbeiter den Taggeldanspruch eingeklagt. Das Verfahren läuft.

Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass entsandten Arbeitnehmern nun im Wesentlichen die gleichen arbeitsrechtlichen Ansprüche zustehen wie Arbeitnehmern von in Österreich ansässigen Unternehmen. Gravierend bleiben die Unterschiede in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht. Da die durchschnittliche Entsendung rund 74 Tage dauert, besteht in den seltensten Fällen eine Sozialversicherungspflicht in Österreich.
 

Hauptproblem Rechtsdurchsetzung

Die größte Herausforderung in arbeitsrechtlicher Sicht bleibt die Rechtsdurchsetzung von Ansprüchen bei Entsendungen. Allzu oft bleibt Unterentlohnung im Dunkeln, selbst ausfindig gemachte, Lohn- und Sozialdumping betreibende Firmen kommen oft ungeschoren davon. Bei Kontrollen werden bei mehr als der Hälfte von aus dem EU-Ausland entsendenden Unternehmen Unregelmäßigkeiten festgestellt. Die grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung funktioniert nicht und bedarf einer grundlegenden Reform. Auch die neue Entsenderichtlinie hat hier keine Abhilfe geschaffen. Umso bedauerlicher ist es, dass die von der Europäischen Kommission angedachte Europäische Arbeitsbehörde wohl eher ein zahnloser Tiger ohne Kompetenz und Prüfmöglichkeit bleiben dürfte.

Die verbesserte, grenzüberschreitende Anspruchssicherung bei Entsendungen für entsandte Arbeitnehmer ist und bleibt daher die zentrale Herausforderung für die Zukunft!n

Buchtipp:

»Entsendungen – Arbeitsrechtliche Darstellung von Entsendungen nach Österreich mit Schwerpunkt Bauwirtschaft«, Albert Scheiblauer, Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, Wien 2018, ISBN 978-3-99046-400-7, ist in der Fachbuchhandlung des ÖGB und online (http://www.arbeit-recht-soziales.at/scheiblauer-albert-entsendungen) um 24,90 Euro erhältlich.

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