Dienstag, November 26, 2024
Besser durch die Krise

Das 26. qualityaustria Forum fand am 17. März unter besonderen Umständen als Online-Event statt. Mehr als 900 Fach- und Führungskräfte holten sich fundierten Input, wie Unternehmen in Zeiten stetigen Wandels agil und erfolgreich sein können.

Mit mehr als 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmern verzeichnete die digitale Fachveranstaltung heuer einen neuen Rekord. Die rege Beteiligung aus dem In- und Ausland zeigt den hohen Informationsbedarf in dieser unsicheren Zeit. Wie schnell sich alles ändern kann, hat die Welt im Vorjahr erlebt.

Auch wenn sich jede und jeder von uns nach Konstanten im Leben sehnt, sind heute rasche Entscheidungen gefragt. Organisationen werden immer stärker zu Getriebenen und in weiterer Folge zu Improvisationskünstlern. Doch wie schafft man es, nicht »blind« zu reagieren, sondern aktiv und vorausschauend zu agieren?

Bild oben: Mister Quality. Konrad Scheiber begrüßte online mehr als 900
Teilnehmer.

»Derzeit sind viele Unternehmen dazu gezwungen, von ihren ursprünglichen Plänen abzuweichen. Der Wert der dokumentierten Informationen wird dabei noch immer von vielen unterschätzt«, verwies Konrad Scheiber, Geschäftsführer der Quality Austria, gleich in seinem Eröffnungsstatement auf die Bedeutung von wissens- und faktenbasierten Entscheidungen gerade in Stresssituationen.

Bild oben: Reise ins All. Laura Winterling gab Einblicke ins Recruiting von Astronauten

Wie die internen Statistiken seit der Gründung der Quality Austria im Jahr 2004 zeigen, gab es unter den zertifizierten Unternehmen kaum Insolvenzen: »Zertifizierte Organisationen können sich auch in Krisenzeiten behaupten und Gewinne schreiben, weil sie nicht von situationsgetriebenen Ängsten verfolgt werden«, betonte Scheiber.

Das Thema Qualität müsse freilich von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verinnerlicht und mitgetragen werden – im Gegensatz zu reiner Pflichterfüllung. Diesbezüglich habe sich in den Organisationen bereits viel zum Positiven gewandelt. Während vor zehn Jahren niemand einen Fehler eingestanden hätte, sei der offene Umgang damit inzwischen Teil der Unternehmenskultur. Voraussetzung dafür sei Vertrauen – früher auch oftmals sichtbar besiegelt durch einen Handschlag, auf den coronabedingt nun verzichtet werden muss, wie »Mister Quality« Konrad Scheiber bedauerte: »Mir persönlich geht diese Handschlagqualität ab, das gebe ich zu.«

Kundenversprechen

Bild oben: Kriminalist Leo Martin ließ das Publikum in die Welt der Geheimagenten eintauchen, wo – wie im Geschäftsleben – gute Menschenkenntnis gefragt ist.   

Eckehard Bauer, Business Developer für Sicherheitsmanagement, Business Continuity, Risiko, Security, Compliance und Transport bei Quality Austria, verwies in seinem Beitrag auf die einzige Konstante, die auch in Krisenzeiten Bestand hat: das Versprechen an Kundinnen und Kunden, Qualität und Verfügbarkeit präzise einzuhalten.

Das gelinge nicht durch Improvisation, sondern durch kontrolliertes Vorgehen, wie der Sicherheitsexperte ausführte: »Der sinnvollste Ansatz, um die sich ändernden Umstände zu beherrschen, ist der systemische Ansatz gestützt auf Managementnormen.« Darin sind die Menschen in einer Organisation das zentrale Thema – kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in ihrem Bereich eigenständig Entscheidungen treffen können.

Bild oben: Anni Koubek, Prokuristin Innovation bei Quality Austria, präsentierte die Ergebnisse der Studie »Qualität 2030«.

Axel Dick, Business Developer für Umwelt und Energie sowie CSR der Quality Austria, erinnerte an die großen Herausforderungen der Klimakrise, die angesichts der Pandemie zuletzt in den Hintergrund gerückt war: »Österreich geht es wirtschaftlich gut. Wir leben aber mittel- bis langfristig auf Kosten unserer Umwelt.« Die politischen Vorgaben auf globaler, europäischer und nationaler Ebene werden immer anspruchsvoller. Unterstützung bekommen Unternehmen durch die zunehmende Anzahl von Umwelt- und CSR-Normen.

Mit den Wellen gehen

»Unternehmen, die in das Wohlbefinden und die Energie ihrer Mitarbeiter investieren, erzielen letztlich viermal höhere Gewinne und können besser mit Störungen des Geschäftsmodells umgehen«, spannte Franz Peter Walder, Netzwerkpartner der Quality Austria, den Bogen von der digitalen Transformation zur aktuellen Situation durch Covid-19. Gerade die Pandemie habe gezeigt, wie rasch viele Unternehmen wichtige Änderungen umsetzen konnten, die vor der Krise fast unmöglich schienen.

Den Balanceakt der Transformation zwischen den beiden Polen »starr« und »flüssig« verglich Walder mit einem Surfer, der fest auf dem Board steht und dennoch flexibel agieren muss: »Ohne Beweglichkeit wird man nicht mit den Wellen mitgehen können.« Viel Potenzial bleibt liegen, indem Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keine Eigenverantwortung zugestanden wird.

Bild oben: Axel Dick, Business Developer für Umwelt und Energie, erinnerte an die bevorstehenden Herausforderungen der Klimakrise. 

Anni Koubek, Business Developerin für Qualität und Innovation bei Quality Austria, präsentierte anschließend die Ergebnisse der Studie »Qualität 2030«, die vom Institut für Integrierte Qualitätsgestaltung der Johannes Kepler Universität Linz durchgeführt wurde. An der von Quality Austria in Auftrag gegebenen Studie hatten sich zehn Unternehmen, darunter Lenzing, BWT, Infineon Austria und AVL List, beteiligt.

Dabei wurden acht Trends identifiziert, die nahezu alle Unternehmen unabhängig von ihrer Größe und Branche betreffen (siehe Kasten). »Es wird zwar noch einige Jahre dauern, bis diese Erkenntnisse in den Anforderungsnormen aufgenommen werden, jedoch werden wichtige Trends wie Digitalisierung oder Nachhaltigkeit sich als De-facto-Standards etablieren bzw. über die Gesetzgebung vorgeschrieben werden«, prognostizierte
Koubek.

Die 007-Formel

Bild oben: Fehlende Kontrolle. Sicherheitsexperte Eckehard Bauer warnte vor Improvisation.

Kriminalist Leo Martin ließ das Publikum danach in die Welt der Geheimagenten eintauchen, wo gute Menschenkenntnis essenziell ist. Besonders unter Stress erfolgen Reaktionen impulsgesteuert, ohne darüber nachzudenken: »Es ist ein Irrtum, dass wir jeden Tag tausende reflektierte Entscheidungen treffen. Tatsächlich folgen wir nur unseren Gewohnheiten.«

Seine Strategie, Kontakte zu Personen im Milieu der organisierten Kriminalität zu knüpfen und Vertrauen aufzubauen, lässt sich auch auf den Geschäftsalltag übertragen. Martin sieht Vertrauen als Basis für Sicherheit und Anerkennung: »Vertrauen kann man nicht kaufen, es entsteht über Erfahrungen. Man muss bereit sein, ohne Bedingungen in Vorleistung zu gehen.« Bei Unbehagen wird das Gegenüber alle Vorschläge kritisch hinterfragen. Fühlt sich der andere jedoch wohl und ernst genommen, ist die Stimmung deutlich positiver und die Zustimmung größer.

Das Gegenteil von Perfektion

Bild oben: Franz Peter Walder, Netzwerkpartner der Quality Austria, beschrieb anschaulich den Balanceakt zwischen den beiden Polen »starr« und »flüssig« – Beweglichkeit ist gefragt. 

Zum Abschluss bot die Physikerin Laura Winterling, ehemalige Trainerin der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), spannende Einblicke in die Auswahl künftiger Astronautinnen und Astronauten. Die internationale Raumstation ISS funktioniert wie eine komplexe Maschine mit genau geregelten Abläufen, Zeitplänen und anderen Vorgaben.

Dennoch hält man anhand von kognitiven Persönlichkeitstests nicht nach Perfektion Ausschau. »Den Kandidatinnen und Kandidaten werden bei den Aufnahmetests mehr Aufgaben gegeben, als sie in der vorgegebenen Zeit bewältigen können. Durch den Druck passieren zwangsläufig Fehler und wir beobachten, ob sie ihren alten Fehlern nachhängen oder ob sie in der Lage sind, sich sofort wieder neuen Aufgaben zu widmen«, schilderte Winterling das Prozedere. »Nach Perfektion strebende Menschen blockieren sich zumeist selbst.«

Es brauche einen Perspektivenwechsel: »Qualität finden wir nur in Exzellenz – und das ist das Gegenteil von Perfektion.« Das World Economic Forum reiht im Report »The Future of Jobs« Kreativität unter den wichtigsten »Hard Skills« inzwischen auf Platz 3 – völlig zu Recht, wie Winterling meint. Ihr Credo lautet deshalb: »Lasst uns zielorientiert eine Lösung finden!«


Acht Qualitätstrends

1. Digitalisierung: Ähnlich wie beim autonomen Fahren könnten Unternehmensentscheidungen künftig auf Big Data basieren. Das gesamte Qualitätsmanagementsystem sollte deshalb in den Transformationsprozess eingebunden sein.

2. Nachhaltigkeit: Der Trend geht klar in Richtung Kreislaufwirtschaft. Produkte müssen bei der Entwicklung so gestaltet werden, dass sie aufgerüstet, repariert und am Ende des Lebenszyklus in möglichst hoher Qualität rückgewinnbar und recycelbar sind.

3. Sinnhaftigkeit: Unternehmen müssen ihre Werte leben. Greenwashing wird schwieriger, da Konzerne mit einem Boykott der Konsumentinnen und Konsumenten rechnen müssen.

4. Einfachheit: Kundinnen und Kunden bevorzugen einfache Systeme. Im Onlinegeschäft ist der Mitbewerb nur einen Mausklick entfernt. Auch Handlungsanleitungen müssen klar und zielgerichtet formuliert sein.

5. Widersprüche: Produkte kommen in immer kürzeren Abständen auf den Markt – auch wenn sie noch nicht ganz ausgereift oder fehlerfrei sind. Unter diesem Qualitäts-Widerspruch leidet das Kundenversprechen und letztlich auch das Vertrauen.

6. Individualisierung: Standardisierte Massenware weicht dem Wunsch nach maßgeschneiderten Produkten und Dienstleistungen. Unternehmen müssen sich stärker an den individuellen Bedürfnissen ihrer Kundinnen und Kunden orientieren.

7. Agilität: Um in der schnelllebigen Zeit zu bestehen, müssen Unternehmen agiler werden. Viele Betriebe haben bereits hierarchische Strukturen abgeschafft und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freie Handlungsspielräume zugewiesen.

8. Zertifizierung: Konsumentinnen und Konsumenten werden zunehmend kritischer gegenüber Influencern und Bewertungsportalen. Eine akkreditierte Institution, die unabhängig prüft und die Qualität mittels Zertifikat bestätigt, genießt mehr Vertrauen denn je. Allerdings wächst auch die Anzahl der unterschiedlichen Standards – eine Durchforstung des Zertifizierungsdschungels wäre notwendig.

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