Sonntag, Dezember 22, 2024
Labling feiert fröhlich
»Es ist schon sehr speziell, wenn man Zertifizierungen verlangt für die es keine Zertifizierer gibt«, meint Dr. Andreas Pfeiler. (Fotocredit: FV Steine-Keramik/Lukas Lorenz)

Folgt man den derzeitigen Trends, scheint man wahrlich den Eindruck zu gewinnen, man könne mit dem richtigen Labeling den Klimawandel tatsächlich stoppen. Allein die Vielfalt der Gebäudezertifizierungssysteme zeigt die Krux und man versteht irgendwann, dass man doch nichts verstanden hat. 

Ein Kommentar von Dr. Andreas Pfeiler, Geschäftsführer Fachverband Steine-Keramik.

Nicht nur die vielen Ökozertifikate, Umweltprodukterklärungen (EPD) oder der Produkt-Umwelt-Fußabdruck (PEF) beziehungsweise was es sonst noch alles am Markt gibt, lassen viele nur noch den Kopf schütteln. Es scheint einen Wettlauf des Dienstleistungssektors um die produzierende Kundschaft zu geben. Sehr speziell wird es allerdings, wenn man Zertifikate verlangt und es dafür gar keine Zertifizierer gibt.

Alles für das Label

Der Gebäudesektor an sich entwickelt sich ja bereits seit geraumer Zeit zu einem attraktiven Labelingbusiness. Aber Hand aufs Herz, was ändert das an den Produkten, die wir seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden verwenden? Abgesehen davon, dass die Produzenten mit administrativen Aufgaben überhäuft werden und deren Produkte teurer werden. Mit der Idealvorstellung eines besseren und klimafreundlicheren Gebäudesektors hat das wahrlich nichts zu tun. Die Stilblüten werden daher mehr. Biogene Stoffe sollen nun der Retter des Klimawandels sein. Beigemischt in Beton sollen sie CO2 binden. Die Theorie sieht unbestritten hervorragend aus, vergessen werden dabei allerdings die technischen Anforderungen an die Festigkeit und Dauerhaftigkeit. Wenn man gleichzeitig ressourcenschonender bauen soll, befinden wir uns mit diesem genannten Weg eher im Rückwärtsgang. Aber keine Sorge, das Label passt dafür!

Was ändert ein Label an den Produkten, die wir seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden verwenden? (Grafik: iStock)


Interessant wird es aber auch im Bereich der erneuerbaren Energie. Die Rede ist von der Zertifizierung der Nachhaltigkeit von Biomasse-Brennstoffen gemäß der Erneuerbaren Richtlinie der EU RED II. Ohne Zertifikat wären diese fossil und nicht CO2-neutral. Das bedeutet für Anlagen des Emissionshandels (ETS), dass zusätzliche Emissionszertifikate fällig wären. Die im April erlassene Verordnung sieht vor, dass Biomasse spätestens Ende 2023 zu zertifizieren ist – schön! Zertifizierer standen aber keine zur Verfügung. Erst im Oktober gab man dem Druck der Wirtschaft nach und listete offiziell zugelassene Zertifizierer. Die dürfen sich über eine neue Einnahmequelle freuen, ob sie bis Jahresende alle Zertifikate ausstellen werden, ist angesichts des zeitlichen Rahmens unwahrscheinlich. Pech gehabt schallt es aus dem Off, denn die EU RED II sieht keinerlei Kulanz und Fristverlängerung vor.

Der Amtsschimmel wiehert

Und wenn man in sich geht und siniert, dann kann man ihn hören - den berühmten Amtsschimmel. Keiner hat ihn je gesehen, aber alle schon gehört. Wenn wir uns aus der Umklammerung überbordernder Bürokratie nicht lösen, dürfen wir uns irgendwann alle miteinander gegenseitig zertifizieren. Wer das dann bezahlt, ist ungewiss, aber vielleicht ist der Amtsschmimmel dann vermögend, um uns auszuhalten.

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