Die Umsetzung der »Falsified Medicines Directive« (FMD) in Europa hat Pharmaherstellern einen enormen Aufwand beschert. Die Hürden für Fälschungen sind jedoch gestiegen. Damit die FMD voll wirksam werden kann, müssen Konsument*innen offen in die digitale Kommunikation eingebunden werden.
Ein Kommentar von Marietta Ulrich Horn, Geschäftsführende Gesellschafterin Securikett.
Die EU-Direktive 2011/62/EU wurde im Jahr 2015 zur delegierten Rechtsakte und anschließend europaweit umgesetzt. Sie gilt für alle rezeptpflichtigen Medikamente, die in der EU in Verkehr gebracht werden. Eckpunkte sind die Kennzeichnung jeder Verpackung mit einem einmaligen 2D-Code und der manipulationsnachweisende Verschluss. Diese Maßnahmen sollten zu einer Art Sicherheitsverpackung führen, zu prüfen durch den Apotheker oder die ausgebende Stelle. Die Patient*innen bleiben dabei jedoch außen vor. Weder haben sie einen Zugang zum digitalen Verifikationssystem noch gibt man sich Mühe, ihnen den manipulationssicheren Verschluss zu erklären.
Dass hier häufig Verklebungen und Etiketten verwendet werden, die gar nicht sicher sind, weil jeder Fälscher sie problemlos nachmachen kann, ist kritisch zu sehen. So war es im Ursprungstext der FMD auch nicht gemeint. Immerhin wäre in der Direktive von »Safety Features« die Rede gewesen, die im Idealfall risikobasiert gewählt werden und die Verifikation der Authentizität und Identität von Medizinprodukten gewährleisten hätten sollen.
Unmündige Patient*innen?
An eine direkte Involvierung der Patient*innen wollte man jedenfalls weder bei den Pharmaherstellern noch in der EU Kommission denken. Konsument*innen haben keine Möglichkeit, die 2D-Codes zu prüfen und die physischen Safety Features sind nicht oder kaum vorhanden. Will ein Patient aber schnell und anonym zu gewissen Medikamenten gelangen, ist er schutzlos. Tatsächlich wird kolportiert, dass 90 Prozent aller im Internethandel vertriebenen Medikamente gefälscht oder nicht in Ordnung sind. Das ist bekannt, doch die Regulierung geht daran zielstrebig vorbei. Nach dem Motto: »Wer illegal einkauft, soll bestraft werden.«
Dabei wäre die Prüfung durch die Patient*innen ganz einfach möglich. Der einmalige »Unique Identifier« (UID), der als 2D-Code auf jede Verpackung gedruckt wird, kann durch zwei verschiedene Cloud-Systeme ausgelesen werden: Einmal wird der UID durch das für die prüfenden Apotheken bestimmte EU »Pharma-Hub« geprüft, welches die Apotheken benützen. Und zweitens steht derselbe UID für eine davon unabhängige Cloud-Applikation zur Verfügung, die für Patient*innen die jeweils passenden Informationen bereithält. Dazu gehört klarerweise auch die Echtheitsprüfung und die Erklärung der Safety Features der jeweiligen Verpackung.
Solche unabhängigen Cloud-Services sind vielfach im Einsatz. Man findet sie immer da, wo Hersteller selbst aktiv werden im Kampf gegen Produktbetrug. Oder wo Hersteller eine direkte Kommunikationsschiene zu Verbrauchern aufbauen wollen. Cloud-Services zur Produktidentifikation unterliegen strengen Sicherheitsrichtlinien. Zahlreiche internationale Standards beschäftigen sich damit. Der Integration von unabhängigen Cloud-Services in einen EU-regulierten 2D-Code steht daher längst nichts mehr im Wege.
Spätestens bei der Umsetzung des elektronischen Beipackzettels e-Leaflet, der mehrsprachig sein kann oder vorgelesen wird, muss ein Umdenken stattfinden. Auch dafür könnte der 2D-Code verwendet werden, ohne weiteren Druck- und Verpackungsaufwand zu betreiben. In der EU gibt es bereits Vorgaben, dass bei elektronischen Anwendungen immer auf das bereits Vorhandene zurückgegriffen werden soll. Dafür bietet sich die multiple UID-Nutzung an – durch den »EU Pharmahub« mit innovativen und sicheren Cloud-Services, welche die Patient*innen einbeziehen. Wer eine Onlinebestellung tätigen kann, wird auch eine Onlineprüfung durchführen können.