Sonntag, Dezember 22, 2024
Open-Source-Software und Recht
 »Die Open-Source-Software »infiziert« gleichsam die ­proprietäre Software«, warnt Rechtsanwalt Tobias Tretzmüller. (Fotocredit: Daniela Klemencic)

In diesem Beitrag wird ein besonders kritisches Element vieler Open-Source-Lizenzen behandelt: Der Copyleft-Effekt.

Ein Kommentar von Tobias Tretzmüller, Rechtsanwalt mit Fokus auf allen Bereichen des ­Softwarerechts

Er ist nicht einheitlich definiert, die nachstehende Formulierung beschreibt den Copyleft-Effekt jedoch gut: »Der Copyleft-Effekt ist eine Klausel, die sicherstellt, dass Weiterentwicklungen der Software unter denselben Bedingungen der Lizenz wieder freigegeben werden«. Dahinter steht ein ganz wesentliches Grundprinzip, das dafür sorgen soll, dass geänderte Open-Source-Software innerhalb des Open-Source-Anwendungsbereichs verbleibt und nicht als kommerzielle, proprietäre Software vertrieben werden kann.

Das originelle Wortspiel Copyleft als Gegenstück zum Copyright wird Richard Stallman zugeschrieben. Die Intention solcher Copyleft-Klauseln liegt darin, die freie Nutzbarkeit der Software auch für weiterentwickelte Versionen sicherzustellen. Der Copyleft-Effekt ist insofern problematisch, weil regelmäßig der Quellcode der von Open-Source-Software abgeleiteten Software­elemente offengelegt werden muss. Wird ein Open-Source-Code mit einem kommerziellen Programm vermischt, spricht man von einem »Open-Source-Hybrid«. Die Open-Source-Lizenzbedingungen springen gleichsam auf die proprietäre Software über.

Gefahr der Offenlegung

Man spricht in diesem Zusammenhang anschaulich vom »viralen« oder immunisierenden Effekt. Die Open-Source-Software »infiziert« gleichsam die proprietäre Software. Durch die »Infizierung« bei Einsatz von Open-Source-Software kann sich die Open-Source-Lizenz auf das gesamte Werk erstrecken. Für Entwickler von proprietärer Software besteht diese Gefahr insbesondere dann, wenn Bibliothek-Dateien (Plug-ins) auf Basis von Open-Source-Lizenzen in die proprietäre Software integriert werden. Greift der Copyleft-Effekt, muss daher eventuell der gesamte Quellcode vollständig offengelegt werden.

Je nachdem, wie »aggressiv« der Copyleft-Effekt in den einzelnen Lizenzbestimmungen formuliert wird, wird differenziert zwischen einem »starken Copyleft«, einem (normalen) »Copyleft« und »permissiven Lizenzen«, die als eher liberal qualifiziert werden können. Dazu zwei Beispiele zur besseren Veranschaulichung: Eine weit verbreitete Lizenz ist die GNU General Public License, Version 2. Die GPL ist wiederum als Grundlage bzw. Muster für die anderen in der Praxis verwendeten Open-Source-Software-Lizenzen verwendet worden. Diese formuliert den Copyleft-Effekt sehr streng: »You must cause any work … that in whole or in part contains or is derived from the (Open Source) Program … to be licensed as a whole … under the terms of this License.«

Hingegen sehen die Lizenzen BSD Copyright License und MIT License gar keine diesbezüglichen Verpflichtungen vor (womit sie als Permissive Lizenzen zu qualifizieren sind). Dies macht die Nutzung lizenzrechtlich deutlich unkomplizierter als bei Copyleft-Software. Wenn man nun in Erinnerung ruft, dass 57 Prozent des weltweit programmierten Codes auf Open-Source-Lizenzen beruht und die GNU General Public License, Version 2, eine der am häufigsten eingesetzten Open-Source-Lizenzen ist, wird deutlich, welche »Gefahr« Open-Source-Software für proprietäre Software darstellt.

Die springende Frage im Zusammenhang mit Copyleft-Lizenzen ist in der Regel: Wann liegt ein »derived work« vor? Diese Frage zu beantworten, ist wahrlich kein leichtes Unterfangen, und lässt sich nur auf Basis einer interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Softwareentwicklern und Juristen lösen. Als Auslegungshilfe kann hier auf den Terminus »derivative work« in Titel 17 U.S. Code § 101 (U.S. Copyright Act) verwiesen werden. Anhand dieser Definition ist darunter ein Werk zu verstehen, (i) das auf einem oder mehreren vorbestehenden Werken basiert, oder (ii) jede andere Form, in welcher ein Werk umgestaltet, umgewandelt oder bearbeitet wird.

Info: Dieser Beitrag ist Teil einer Serie zu IT-Recht: Tobias Tretzmüller zu: IT-Recht

 

Log in or Sign up