Frauen verdienen in Österreich im Jahr 2023 noch immer um 18,8 % brutto pro Stunde weniger als Männer. Der Gender-Pay-Gap liegt also weiterhin weit über dem EU-Durchschnitt von 12,7 %. Auch für gleiche Positionen und bei gleicher Qualifikation verdienen Frauen oft weniger als Männer. Von Nicolaus Mels-Colloredo und Ramona Maurer, PHH Rechtsanwält*innen.
Ein besseres Verhandlungsgeschick ist kein Argument für eine unterschiedliche Bezahlung. Das stellte das deutsche Bundesarbeitsgericht heuer in seiner vielbeachteten Equal-Pay-Entscheidung fest. Ein Unternehmen bot einer Frau und ihrem männlichen Kollegen zu Beginn des Arbeitsverhältnisses ein Grundgehalt von 3.500 Euro brutto pro Monat.
Während die Frau akzeptierte, verhandelte ihr Kollege nach und erreichte ein höheres Grundgehalt in Höhe von 4.500 Euro
brutto pro Monat. Für die Frau war das nicht akzeptabel, denn beide arbeiteten im Vertriebsaußendienst, hatten dieselben Verantwortlichkeiten und Befugnisse und vertraten einander gegenseitig, etwa bei einem Krankenstand. Dennoch verdiente die Frau 1.000 Euro brutto pro Monat weniger als ihr männlicher Kollege. Das deutsche Bundesarbeitsgericht gab der Klägerin nun letztinstanzlich im Wesentlichen Recht.
In diesem Grundsatzurteil sprach der Senat des deutschen Höchstgerichts aus: »Besteht ein Entgeltunterschied zwischen den Geschlechtern bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit, muss der Arbeitgeber objektive und diskriminierungsfreie Gründe vortragen, die diesen Unterschied rechtfertigen.« Das »bessere Verhandlungsgeschick« reiche als Begründung für den Entgeltunterschied nicht aus: »denn es hat mit der Arbeitsleistung von Mitarbeitenden nichts zu tun.«
Mit dieser Entscheidung zeigte das deutsche Bundesarbeitsgericht eindeutig: Dem Gender-Pay-Gap soll endgültig der Kampf angesagt werden. Theoretisch gilt die Entgeltgleichheit ja bereits EU-weit. Doch die Umsetzung erweist sich bisher als schwierig. Deshalb hat die EU jetzt nachgeschärft und fordert mit der europäischen Entgelttransparenz-Richtlinie mehr Transparenz bei der Entlohnung von Arbeit und stärkere Durchsetzungsmechanismen. Die Richtlinie ist am 6. Juni 2023 in Kraft getreten und muss in allen Mitgliedsstaaten bis spätestens 7. Juni 2026 umgesetzt sein. Unternehmen sind aber schon jetzt gefordert, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und entsprechend transparente Strukturen vorzubereiten. Schließlich müssen sie nachweisen, dass sie gleiche Arbeit gleich bezahlen.
Mehr Transparenz
Arbeitnehmer*innen haben demnach das Recht, Informationen darüber zu erhalten, nach welchen Kriterien ihr Lohn oder Gehalt festgelegt werden, wobei diese Kriterien nachweisbar objektiv und geschlechtsneutral sein müssen. Dazu müssen Arbeitgeber*innen ihren Mitarbeitenden Informationen über die Entgeltstrukturen innerhalb des Unternehmens zur Verfügung stellen – aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Einsatzbereich. So sollen Arbeitnehmer*innen besser in der Lage sein, mögliche Ungleichbehandlungen zu erkennen.
Generell zielt die Richtlinie darauf ab, dass auch Arbeitnehmer*innen selbst offen über ihr Gehalt sprechen und verbietet explizit Vertragsklauseln, die Arbeitnehmer*innen davon abhalten könnten, ihr Entgelt offenzulegen. Auch Stellenbewerber*innen haben Informationsrechte zur Spanne der Einstiegsgehälter, um transparente Entgeltverhandlungen zu ermöglichen. Die in der Praxis gängige Frage nach dem bisherigen Einkommen ist dann nicht mehr zulässig.
Verpflichtende Berichterstattung
Unternehmen mit mehr als 100 Arbeitnehmer*innen werden zudem zur Entgeltberichterstattung verpflichtet. Die Mitgliedstaaten können diese Pflicht zudem auch auf Unternehmen mit weniger als 100 Arbeitnehmer*innen ausdehnen. Der Bericht muss Informationen über das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle innerhalb des Unternehmens enthalten, um Diskriminierung aufgrund des Geschlechts aufzudecken und zu beseitigen. Die Richtlinie legt hier von der Unternehmensgröße abhängige, bis 2031 gestaffelte Fristen fest, binnen derer der Bericht an eine Überwachungsstelle vorzulegen ist.
Unternehmen, die zur Berichterstattung verpflichtet sind, müssen künftig aktiv daran arbeiten, den Gender-Pay-Gap in ihrem Unternehmen zu verringern. Bei einem geschlechtsspezifischen Entgeltunterschied von mehr als fünf Prozent, muss dieser entweder nach objektiven, geschlechtsneutralen Kriterien argumentierbar sein oder korrigiert werden. Sollte innerhalb von sechs Monaten weder das eine noch das andere erfolgt sein, muss die Unternehmensleitung in Zusammenarbeit mit Arbeitnehmervertretern eine »gemeinsame Entgeltbewertung« durchführen und Maßnahmen beschließen, um diese Unterschiede zu beseitigen.
Arbeitnehmer*innen, deren Recht auf Entgeltgleichheit verletzt wurde, haben nach der Richtlinie einen Schadenersatzanspruch. Dieser hat einerseits die Nachzahlung entgangener Entgelte (auch etwa Boni und Sachbezüge) aber auch den Ersatz für entgangene Chancen sowie allfällige erlittene immateriellen Schäden zu umfassen. Um die Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs zu erleichtern, ist eine Beweislastumkehr vorgesehen, was bedeutet, dass beklagte Unternehmen im Verfahren nachweisen müssen, dass keine unmittelbare oder mittelbare Entgeltdiskriminierung vorliegt.
Der Countdown läuft
Bis 7. Juni 2026 haben die Mitgliedsstaaten Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Es ist für Arbeitgeber*innen dennoch jetzt schon empfehlenswert, sich mit dem Thema der Entgeltgleichheit zu befassen, um allfällige geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede zu korrigieren.
Denn Arbeitnehmer*innen lassen sich bereits jetzt eine diskriminierende Entlohnung immer weniger gefallen. Ein Beispiel ist hier die Stadt Birmingham: Deren Stadtverwaltung war in den letzten Jahren mit einer Klagewelle von Arbeitnehmer*innen konfrontiert, die Entgeltdiskriminierung aufgrund ihres Geschlechts oder anderer diskriminierender Faktoren anprangerten. Die Auswirkungen dieser Klagen waren katastrophal. Die Stadtverwaltung sah sich einer Lawine von Strafen, Schadensersatzzahlungen und Anwaltskosten gegenüber. Die finanzielle Belastung ist inzwischen so erdrückend, dass die Stadt faktisch bankrott ist. Projekte und öffentliche Dienstleistungen wurden drastisch gekürzt und die Zukunft der Stadt ist ungewiss. Es zeigt sich somit deutlich, dass die finanziellen Folgen von Entgeltungleichheit für Unternehmen erheblich sein können.
Worauf sollten Unternehmen achten?
Die Investition in Entgeltgleichheit ist nicht nur ethisch und sozial richtig, sondern jedenfalls mittelfristig auch wirtschaftlich klug. Unternehmen, die auf Entgeltgleichheit setzen, minimieren nicht nur finanzielle Risiken, sondern schaffen auch eine positive Unternehmenskultur und ziehen talentierte Fachkräfte an, die diese Werte teilen.
Wollen Unternehmen individuelle Leistung dennoch finanziell anerkennen, ist ein variables Entgeltsystem ein vernünftiger Weg. Sofern diese Systeme transparent gestaltet und die Voraussetzungen für den Erhalt eines variablen Entgelts, wie beispielsweise einer Prämie, für alle Arbeitnehmer*innen gleichermaßen gelten, stehen diese auch nicht im Konflikt mit dem Prinzip der Entgeltgleichheit.
Die Autor*innen
Nicolaus Mels-Colloredo ist Partner bei PHH Rechtsanwält*innen und Arbeitsrechtsexperte. Ramona Maurer ist Rechtsanwaltsanwärterin mit Spezialgebiet Arbeitsrecht. (Foto: PHH Rechtsanwält*innen)
(Titelbild: iStock)