Freitag, November 22, 2024

Die Renovierungsverordnung kommt! Noch sind die europäischen Rahmenbedingungen nicht fixiert und die nationale Umsetzung wird noch etwas auf sich warten lassen (nicht vor Sommer 2024), aber die Zielrichtung steht. Ab 2030 müssen alle Neubauten emissionsfrei sein, bis 2050 der gesamte europäische Gebäudebestand. Ein Kommentar von Clemens Häusler, Inhaber von bauphysik.at.

Bis 2025 müssen die Klassen im Energieausweis angepasst werden: die höchste Klasse A repräsentiert emissionsfreie Gebäude, die niedrigste Klasse G umfasst die 15 Prozent der Gebäude mit schlechtester Energieeffizienz, die verbleibenden Klassen sind gleichmäßig zu verteilen. Die Renovierung der Bestandsgebäude startet mit den schlechtesten 15 Prozent (geringste Energieeffizienz), sollte es gelingen, alle drei Jahre die schlechtesten 15 Prozent zu renovieren, dann wäre der europäische »Green Deal« bis 2050 vollzogen.

Die Renovierung muss nicht in einem Schritt erfolgen, der Plan zum Nullemissionsstandard kann auch sukzessiv erfolgen. Beispielsweise kann zu Beginn ein Fenstertausch, der das Gebäude in die nächsthöhere Klasse hebt, durchgeführt werden und die weitere verpflichtende Renovierung wird folglich um ein paar Jahre verschoben. Setzt sich diese »Salamitaktik« durch, dann muss in der letzten heißen Phase vor 2050 der Großteil der Bestandsgebäude zeitgleich von Klasse B zu Klasse A verbessert werden.

Abseits der vielen finanziellen und rechtlichen Fragen (Investitionskosten, Mieterhöhung, Innendämmung und Heizungstausch bewohnter Wohnungen, Wärmedämmung auf öffentlichem oder benachbartem Grund) gibt es auch eine Fülle an technischen Details:

  • Wie wird »emissionsfrei« definiert?
  • Was muss die Gebäudehülle leisten (HWB Neubau OIB 2007, OIB 2019)?
  • Müssen historische Fassaden innen gedämmt werden?
  • Sind denkmalgeschützte Gebäude (wie bisher) ausgenommen?
  • Muss die Energieerzeugung am Gebäude erfolgen?
  • Muss ein neuer Estrich (Flächenheizung) den Schallschutz Neubau erfüllen?
  • Welche Anforderung wird an den Feuchteschutz (Schimmelrisiko) gestellt?

Die energetische Verbesserung der Gebäudehülle ist planerisch die einfachste aller bauphysikalischen Aufgaben: Die flächige Wärmedämmung entscheidet, zweidimensionale Wärmebrücken werden pauschal abgegolten, dreidimensionale Wärmebrücken (Außenecken) wirken sich energetisch nicht aus. Im Gegensatz zum Neubau ist eine durchgehende Außendämmung im Bestand unrealistisch, zu teuer sind nachträgliche thermische Trennungen, unausführbar der nahtlose Übergang Fassade- zu Dachdämmung, praktisch unmöglich eine Sockeldämmung bis ein Meter unter Gelände.

Neue Lüftungslösungen notwendig

In alten Bestandsobjekten erfolgt der Luftaustausch über undichte Fenster. Nach einem Fenstertausch reduziert sich dieser »natürliche« Luftwechsel, die Luftfeuchte nimmt zu und das Schimmelrisiko steigt. Neue Fenster beenden das ursprüngliche Lüftungskonzept (Fugenlüftung), ein neues Lüftungskonzept ist zwingend erforderlich, ansonsten ist Schimmel die logische Konsequenz.

Gelüftet werden kann manuell (Fenster), mechanisch (Lüftungsanlage) bzw. mit einer Kombination aus beidem, Lösungen bietet die Industrie reichlich (keine ohne Nachteile). Da der Mensch Luftfeuchte im relevanten Bereich nicht wahrnehmen kann, muss die Luftfeuchte angezeigt werden. Gleichzeitig muss ein zulässiger Grenzwert definiert werden, eine Luftfeuchte wie im Neubau ist unrealistisch, Vorgaben explizit für Renovierungen gibt es nicht. Parallel zur Renovierungsverordnung ist vor allem im Feuchteschutz noch normative Zuarbeit erforderlich.


Über den Autor

Der Bauphysiker Clemens Häusler ist Inhaber des Bauphysikbüros bauphysik.at, das sich auf die Kernbereiche Akustik-Schall-Wärme-Feuchte konzentriert. Im Fokus steht die Renovierung von Bestandsobjekten sowie die Planung komplexer (Nichtwohn-)Gebäude. 

(Titelbild: privat)

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