Technisch läuft die Arbeitswelt wie geschmiert. Nur die Menschen, die haben unterwegs etwas verloren. Der Enthusiasmus zur Büro-Rückkehr ist verhalten, weltweit ist von Resignation die Rede. Dabei sind die Innovationsprojekte spannender denn je! Ein guter Moment, über Arbeit und Gemeinschaft nachzudenken. Ein Gastkommentar von Iris-Sabine Bergmann, Director of Employee Engagement bei Nagarro.
Leute ins Office zurückzubeordern, ist ein guter Weg, sich unbeliebt zu machen. Mitarbeiter*innen weltweit und quer durch die Branchen signalisieren Unverständnis und bringen ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck. »The Great Resignation« stellt Arbeit- geber*innen vor eine komplexe Aufgabe. Diese Transformation ist mehr als eine Frage des Bürostandortes. Persönlich schätze ich eine Reihe von Entwicklungen äußerst positiv ein. Endlich rücken soziale Ziele in den Fokus, werden persönliche Förderung und Anerkennung eingefordert! Seit vielen Jahren tausche ich mich mit Kolleg*innen über Modelle für mehr Agilität und individuelle Coaching-Formate aus und bin dankbar, diese bei Nagarro umsetzen zu können.
Arbeit als Gemeinschaftsprojekt
Andere Denkmuster sind aus meiner Sicht kniffliger. Dazu zählt die Idee der restlosen Eigenverantwortung im Homeoffice. Warum? Weil es bei der Zusammenarbeit in Präsenz um andere Aspekte als um Leistung geht. Tatsächlich geben die Leute alles im Homeoffice! Über mangelnde Leistung im Remote-Modus beklagen sich meist weder Arbeitgeber noch Kunden. Die digitale Rundumversorgung macht,s möglich. Mein Punkt ist ein anderer: Wo bleibt in dieser Arbeitsform der Beitrag für die Gemeinschaft? Vor allem die Millennials sagen, dass sie für Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung eintreten wollen.
Ich frage mich, wie wir sie dabei unterstützen, wenn sie die Verantwortung nicht live erlernen? Menschen lernen immer aus Erfahrung, durch ausprobieren. Eingliederung, Inklusion, Rollen und Verantwortung werden im direkten Austausch und durch Role-Models erprobt. Eltern und Lehrer*innen legen den Grundstein, aber Arbeit ist eine andere Umgebung. Sich als Teammitglied zu spüren, als Teil des Organisationssystems wahrzunehmen, mit einem Kunden zu verhandeln, das kann man nicht »besprechen«, man muss es erleben.
Menschen verlieren ihre Emotion
Kultur- und Werte sind in der Theorie interessant, müssen aber in der Praxis vermittelt werden. Viele Menschen verlieren ihre Emotion zum Unternehmen. Früher fand Emotionalität in der Begegnung statt, beim Mittagessen, im Auto auf der gemeinsamen Fahrt zum Kunden. Heute brauchen wir neue Formate, denn es wird keine Rückentwicklung geben.
Wie kann das vonstattengehen? Es braucht sicherlich neue Anreizsysteme, die modern, ohne Druck, mit Spaß und Wertschätzung arbeiten. Warum werden Start-ups so positiv konnotiert? Sie stellen ihre Mission in den Vordergrund. Die Menschen bekommen, selbst wenn sie viele Stunden arbeiten, vermittelt: Hier siehst Du die Früchte Deines Einsatzes, Du bist an der Wertschöpfungskette beteiligt und weißt, wo Dein Beitrag landet. Im Prozess- und Organisationskonvolut gewachsener Unternehmen scheint dieses unmittelbare Erleben zu schwinden.
Dagegen gehen wir bei Nagarro aktiv vor. Jede*r Nagarrian hat einen People-Partner zur Seite, der/die als Coach holistisch für Dich da ist, und zwar vertraulich und ohne, dass eine Führungskraft dazwischengeschaltet ist. Nagarro gibt die Zeit, den Raum und unterstützende Tools für den persönlichen Austausch. Außerdem suchen wir nach neuen Wegen für Entlohnung, die mehr als das klassische Gehalt sind. Im Vorfeld gab es eine Mitarbeiter*innenbefragung, um die Wünsche zu den Gehaltsbestandteilen zu erfahren. Jetzt schauen wir uns an, was auf Basis dessen für den*die Einzelne*n individuell möglich ist.
Meiner Meinung nach ist es unsere gesellschaftliche Pflicht, den Menschen das Erfahren von Gemeinschaft schmackhaft zu machen. Das Aufeinander-Achten sehe ich als Verantwortung, die wir auch in der Arbeit unterstützen müssen. Denn, was nicht da ist, gerät in Vergessenheit.