Wie die kommerziellen Rahmenbedingungen in agilen Verträgen geschaffen werden können – und auch kommuniziert werden sollten.
Ein Kommentar von Rechtsanwältin Katharina Bisset.
Agile Methoden finden sich heutzutage nicht mehr nur in der Softwareentwicklung. Je öfter agil gearbeitet wird, desto mehr werden Verträge benötigt, die diese Arbeitsweisen berücksichtigen. Darüber hinaus muss eine Balance zwischen den Bedürfnissen von Kund*innen und Dienstleistern im Vertrag geschaffen werden. So wäre ein Projekt-Festpreis oft für den Lieferanten ein großes Risiko und umgekehrt kann der Kunde bei »Time and Material« (T&M) die tatsächlichen Kosten vorab nicht abschätzen.
Je genauer die Inhalte eines Projekts definiert werden können, umso leichter ist es, einen Fixpreis zu vereinbaren. Bei variablen Inhalten ist eine Verrechnung nach Aufwand (T&M) einfacher. Da in agilen Verträgen Änderungen ein normaler Teil des Projekts sind, muss man diese kommerziellen Risiken in Verträgen berücksichtigen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie die kommerziellen Rahmenbedingungen in agilen Verträgen geschaffen werden können:
- Festpreis pro Iteration – bei gleichbleibenden Iterationen, wie zum Beispiel Sprints.
- Festpreis pro (Story-)Point – nur der gelieferte Umfang wird bezahlt.
- Kostenlose Änderungen – Funktionen können kostenlos ausgetauscht werden.
- Geteiltes Leid und geteilter Gewinn – nach einer initialen Schätzung werden Über- und Unterschreitungen zu gleichen Teilen von Kunden und Lieferant geteilt.
- Mehrstufige Vertragsmodelle – fixe Preise und T&M können in verschiedenen Phasen des Projekts unterschiedlich angewandt werden, je nachdem wie konkret Arbeitspakete definiert werden können.
- Höchstpreis – mit einer Preisobergrenze in T&M kann dem Kundenrisiko entgegengewirkt werden, es muss jedoch definiert werden, wie viele Iterationen in diesem Budget enthalten werden sollen.
- Agiler Festpreis – im von Andreas Opelt eingeführten System wird mit Rahmenbedingungen zur Kollaboration sowie Kooperation und Einführung von Checkpoints von einem »indikativen Festpreis« den Risiken Rechnung getragen.
Zusätzlich zu den kommerziellen Punkten sollten in jedem agilen Vertrag die Zusammenarbeit und organisatorischen Rahmenbedingungen definiert werden. Folgende Inhalte sollten im Vertrag ebenso besprochen und festgehalten werden:
- Was ist die Vision, was ist das Ziel des Projekts?
- Wie wird mit Änderungen umgegangen, mit Themen wie Freigaben und Change-Prozessen?
- Wer trägt die Risiken, wenn beispielsweise Aufgaben nicht in einem vereinbarten Sprint gelöst werden können? Gibt es Bonussysteme?
- Sollen Checkpoints eingeführt werden, an denen ein Projekt während der Laufzeit beendet werden kann?
- Wie werden »User Stories« definiert und geschätzt?
- Welche Meetings gibt es und wie oft, zum Beispiel »Daily Scrums«?
Fazit
Im Sinne von agilen Projekten, ist eine offene Kommunikation und vertrauensvolle Zusammenarbeit zentral. Das bedeutet aber nicht, dass die Rahmenbedingungen, wie diese Themen in der täglichen Zusammenarbeit behandelt werden, keinen Platz in einem Vertrag finden können. In der Praxis werden agile Methoden auch hybrid – das heißt gemeinsam mit klassischen Projektmanagementmethoden – angewendet. Dies kann ebenso im Vertrag und insbesondere in den kommerziellen Bedingungen abgebildet werden. Leistungen, die konkret geschätzt und definiert werden können, werden als Fixpreis vereinbart, und solche, wo die Anforderungen noch nicht klar sind, können agiler kalkuliert werden. Das wichtigste ist, dass diese Punkte vor Projektbeginn bereits offen angesprochen und vereinbart werden, um Risiken und mögliche Enttäuschungen möglichst zu verhindern.
Die Autorin
Katharina Bisset ist Rechtsanwältin und Co-Founder von Nerds of Law und NetzBeweis. Sie hat sich auf Gebiete mit technischem Hintergrund spezialisiert, wie IT-, E-Commerce, IP, Datenschutz- und Medienrecht.