Dienstag, November 19, 2024
Gute Schalldämmung lohnt sich

Geräusche aus anderen Wohnungen sind oft Zündstoff für Zwistigkeiten in der Nachbarschaft. Mitunter kann dies zu langwierigen und teuren Auseinandersetzungen vor den Gerichten führen. Ein kürzlich vom Obersten Gerichtshof entschiedener Fall zeigt sehr eindrucksvoll den Spielraum auf, den eine Schalldämmung verschaffen kann.
Ein Kommentar von Dr. Marcus Bachmayr-Heyda und Dr. Peter N. Csoklich.

In dem angesprochenen Verfahren ging es um zwei Pianistinnen, die in einer ausgebauten Dachgeschoßwohnung tagsüber jeweils bis zu sechs Stunden Klavier spielen. Der darunter lebende Nachbar fühlte sich gestört und klagte die Musikerfamilie auf Unterlassung des über 1,5 Stunden am Tag hinausgehenden Klavierspiels.

Ein im Verfahren eingeholtes Sachverständigengutachten ergab nach genauen Schallpegelmessungen unter Berücksichtigung der einschlägigen ÖAL-Richtlinien und ÖNORMEN, dass der Dauerschallpegel im Schlafzimmer des Nachbarn tagsüber bei geschlossenem Fenster bei rund 20 dB liegt. Spielen die Pianistinnen leise Klavierstücke, dann wird dieser Dauerschallpegel bei geschlossenem Fenster um ca. 5 dB überschritten. Laut gespielte Klavierstücke führen demgegenüber zu einer Überschreitung des Dauerschallpegels um 10 bis 13 dB, wobei das Öffnen des Flügels zu einer Pegelerhöhung von ca. 1 dB führt.

In weiterer Folge führte der Sachverständige eine über den Tag verteilte Mittelung des Dauerschallpegels durch. Diese Mittelung ergab, dass sich der Dauerschallpegel in der Wohnung des Nachbarn nicht um mehr als 10 dB erhöhen würde, wenn die Pianistinnen pro Tag 364 Minuten bei offenem Flügel und geschlossenem Fenster laut Klavier spielen.

Davon ausgehend gelangten das Landesgericht für ZRS Wien und der Oberste Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die Pianistinnen täglich bis zu sechs Stunden Klavier spielen dürfen, dies allerdings außerhalb üblicher Ruhezeiten (werktags zwischen 08:00 Uhr bis 12:00 Uhr sowie 14:00 Uhr bis 20:00 Uhr sowie samstags, sonn- und feiertags zwischen 10:00 Uhr und 12:00 Uhr sowie 14:00 Uhr und 18:00 Uhr).



Dr. Marcus Bachmayr-Heyda (re.) ist Rechtsanwalt und Partner bei Hule Bachmayr-Heyda Nordberg, Dr. Peter N. Csoklich (li.) arbeitet als Rechtsanwalt in der Kanzlei.

Ausgezeichnete Dämmung

Dieses Ergebnis ist insofern bemerkenswert, als nach bislang herrschender Auffassung Klavierspiel nur im Ausmaß von ein bis zwei Stunden für zulässig erachtet wurde. Dass der Oberste Gerichtshof so viel Verständnis für die Pianistinnen zeigte, ist aber keineswegs erstaunlich. Hält man sich die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens vor Augen, dann erkennt man, dass die lokalen Verhältnisse vor Ort von einer ausgezeichneten Schalldämmung gekennzeichnet waren.

Die Spitzen(beurteilungs-)pegel betrugen bei laut gespielten Klavierstücken und geöffnetem Flügel in der unteren Wohnung lediglich 33 dB. Wir sprechen hier also im »schlimmsten Fall« von einer Lautstärke, die zwischen Flüstern bzw. einem ruhigen Garten und dem Geräuschpegel einer Bibliothek angesiedelt ist. Tatsächlich hatten die Pianistinnen keine Kosten und Mühe gescheut, um eine exzellente Schalldämmung zu erzielen.

Im Boden befand sich eine Stahlbetondecke. Auf dem Boden lag ein Teppich. Über dem Teppich lagen elastische Auflagen. Auf die elastischen Auflagen waren schallentkoppelnde Klangschalen gestellt, in denen schließlich die Klavierfüße ruhten. Darüber hinaus waren an den Wänden Akustikplatten angebracht. All dies führte zu einer deutlichen und messbaren Schallreduktion in der Nachbarwohnung. Die Investitionen haben sich gelohnt, die Pianistinnen dürfen nun täglich sechs Stunden Klavier spielen. 

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