Freitag, Jänner 10, 2025

Eine Übernahme kann auch eine Win-win-Situation für beide Seiten sein, meint Elisabeth Leyser, geschäftsführende Gesellschafterin von Hill International.

(+) plus: Warum scheitern viele Fusionen?

Elisabeth Leyser: Das Thema Mitarbeiter und Kultur wird zu wenig beachtet. Merger stehen oft unter sehr großem Zeitdruck, vieles ist im Detail nicht vorhersehbar. Diese Unsicherheit ist für die Mitarbeiter stark spürbar und – wenn sie nicht offen kommuniziert wird – sehr beunruhigend. In dieser Phase verlassen gute und engagierte Mitarbeiter das Unternehmen. Das Management sollte deshalb sehr klar und deutlich kommunizieren und auch ehrlich sagen, wo noch ungeklärte Bereiche sind.

(+) plus: Nach einem Merger bleibt von der Belegschaft also die zweite Wahl übrig?

Leyser: Das wäre der radikale Umkehrschluss. Ganz so ist es nicht, aber es geht darum, diese Situation zu verhindern. Es gibt ja unterschiedliche Gründe für Merger: Ist das ein Zusammenschluss von zwei gleichwertigen Unternehmen oder übernimmt ein stärkeres ein kleines? Ist das übernommene ein gesundes Unternehmen oder ist es in Schieflage geraten? Hat das kleine Unternehmen ein gutes Know-how und wird vom großen Unternehmen sehr gebraucht? Gerade für High Potentials können sich plötzlich globale Karrieremöglichkeiten auftun.

(+) plus: Trotzdem gibt es oft erhebliche Widerstände unter den Mitarbeitern. Was kann man unternehmen, um diese zu überwinden?

Leyser: Widerstände sind in den meis­ten Fällen durch Angst induziert. Die Ängste kann man nicht zur Gänze nehmen. Das ist ja in vielen Fällen eine realistische Sichtweise: Wo es zu Überlappungen in der Besetzung kommt, werden einige Personen ihren Job verlieren oder in einen anderen Bereich des Unternehmens versetzt. Veränderung macht Angst und wenn Veränderung auch  noch schlecht kommuniziert wird, gibt das Raum für schreckliche Fantasien.

(+) plus: Wie kann ein Gemeinschaftsgefühl entstehen?

Leyser: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Kultur des kleinen Unternehmens die große »sticht«, ist sehr gering. Hier ist ein sehr klares, stringentes und auch strenges Auftreten gefragt. Üblicherweise wird in diesem Fall die gesamte Corporate Identity – Visitenkarten, Homepage usw. – von einem Tag auf den anderen umgestellt. Man sollte überlegen, welche Teile der großen Kultur nicht diskutierbar sind, also gelebt werden müssen, und ob ein kleiner lokaler »Spirit« zugelassen wird.

(+) plus: Vom früheren Betrieb bleibt oft nicht einmal der Name übrig. Wie verhindert man, dass sich die Mitarbeiter des »unterlegenen« Unternehmens benachtei­ligt fühlen?

Leyser: Das Ziel ist, so zu kommunizieren, dass sie sich eben nicht unterlegen fühlen. Auch in dieser schwierigen Situation ist es möglich, mit den Betroffenen wertschätzend umzugehen. Eine Übernahme kann auch für beide Seiten eine Win-win-Situation sein: Das kleine Unternehmen bekommt wesentlich mehr Möglichkeiten, indem es in eine große Struktur eingegliedert wird, das große Unternehmen hat ein weiteres Asset an Bord.

(+) plus: Wie ist die Situation bei zwei gleich starken Unternehmen?

Leyser: Hier wird man nicht umhinkommen, eine gemeinsame neue Kultur zu schaffen, wenn man erfolgreich sein will. Es ist sicher nicht nur mit Kommunikation getan, auch nicht mit überzeugendem Vorleben durch das Management. Man muss schon tiefer ansetzen, nämlich mit der Frage: Was ist unter diesen neuen Gesichtspunkten unsere gemeinsame Bestimmung? Was ist unsere Einzigartigkeit am Markt? Der englische Begriff »purpose« trifft es genauer. Dieser Prozess dauert einige Zeit. Aber wenn man bereit ist, sich auf innovative Ansätze einzulassen, kann etwas völlig Neues entstehen und entsprechend groß kann das den Wettbewerbsvorteil des Unternehmens heben.

(+) plus: Wie sollten die Führungskräfte agieren?

Leyser: Nicht allen Führungskräften ist bewusst, dass jedes ihrer Worte oder Signale auf die Waagschale gelegt wird. Wenn Menschen Orientierung suchen, sind schon die kleinsten Botschaften wichtig. Das ist eine der Situationen, wo sich besonders klar zeigt, ob jemand als Führungskraft gut geeignet ist. Da geht sonst sehr viel an Möglichkeiten, aber auch an Kraft und Energie verloren.

(+) plus: Bringen Fusionen tatsächlich die gewünschten Synergieeffekte?

Leyser: Was oft überschätzt wird, sind jene Synergien, die man nicht aus Einsparungen von Doppelbesetzungen und einfachen logistischen Lösungen erzielt, sondern sich aus gemeinsamen neuen Marktmöglichkeiten erhofft. Die Verkäufer stehen plötzlich mit einem anderen Kapperl beim Kunden und sollen erklären, warum die Firma jetzt noch besser ist als vorher. Wenn ich diesen Leuten keine klaren Argumente in die Hand gebe, ist das eigentlich ein verlorener Synergieeffekt. Dazu muss die Information aber schon sehr weit unten in der Hierarchie gut und konkret angekommen sein.

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