Die am 10. Mai 2023 erlassene EU-Richtlinie 2023/970 (»EU Pay Transparency Directive«) zielt darauf ab, das bestehende Entgeltgefälle zwischen Männern und Frauen zu verringern und verpflichtet Arbeitgeber*innen Maßnahmen zu mehr Transparenz in ihrer Vergütungspolitik zu setzen. Die Richtlinie muss bis 7. Juni 2026 in Österreich umgesetzt sein. Unternehmen tun also gut daran, sich bereits jetzt mit den Inhalten auseinanderzusetzen und entsprechende Weichen zu stellen.
Obwohl das Recht von Frauen und Männern auf gleiches Entgelt eines der Grundprinzipien der EU bildet, besteht bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein durchschnittlicher Entgeltunterschied von rund 13 Prozent. Diese Lücke ist das Ergebnis vielfältiger Faktoren, insbesondere aber auch mangelnder Transparenz der Gehaltsgestaltung, die ein Aufgreifen bestehender Ungleichheiten und damit deren Beseitigung erschwert. Die Richtlinie setzt genau hier an, indem sie eine Reihe von verbindlichen Maßnahmen vorsieht, die eine transparente Gehaltsgestaltung für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit gewährleisten sollen und den Arbeitnehmern gleichzeitig ein Werkzeug in die Hand legt, potentielle Diskriminierungen aufzudecken und allfällige Ansprüche daraus leichter geltend zu machen.
Sie normiert einerseits eine Reihe von Informations- und Auskunftsrechten der Arbeitnehmer*innen und verpflichtet die Arbeitgeber*innen andererseits zur transparenten Berichterstattung über die unternehmensinterne Gehaltsstruktur. Dabei überschneidet sich die Richtlinie zwar zum Teil mit in Österreich in diesem Zusammenhang bereits bestehenden Verpflichtungen, erweitert diese aber auch durch ihre detaillierte Ausgestaltung.
Informationsrechte
Die Richtlinie sieht vor, dass künftig sämtliche Stellenbewerber*innen für die ausgeschriebene Position über das auf objektiven, geschlechtsneutralen Kriterien beruhende Einstiegsgehalt sowie über die einschlägigen Kollektivvertragsbestimmungen informiert werden müssen. Diese Informationen sind entweder in der Stellenausschreibung oder vor dem Vorstellungsgespräch zur Verfügung zu stellen. Zudem sind Fragen des Arbeitgebers nach dem aktuellen Entgelt oder der Entgeltentwicklung in früheren Arbeitsverhältnissen zukünftig unzulässig.
Darüber hinaus werden allen Arbeitnehmer*innen zusätzlich Auskunftsrechte über ihre individuelle Entgelthöhe gewährt sowie über die durchschnittliche Entgelthöhe anderer Beschäftigter, die gleiche oder gleichwertige Arbeit leisten. Diese Informationen sind schriftlich, innerhalb angemessener Frist, jedenfalls aber innerhalb von zwei Monaten ab Antragsstellung zu erteilen. Zudem sind betriebliche Systeme zur Arbeitsbewertung zu errichten, um zu beurteilen, welche Arbeitnehmer*innen gleiche oder gleichwertige Arbeit leisten. Arbeitgeber*innen sind verpflichtet, über das Bestehen dieser individuellen Auskunftsrechte jährlich zu informieren.
Gemeinsame Entgeltbewertung
Zeigt der zu erstattende Entgeltbericht geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede von fünf Prozent oder mehr auf, sieht die Richtlinie eine verpflichtende gemeinsame Entgeltbewertung vor. Dabei müssen Arbeitgeber*innen gemeinsam mit den Arbeitnehmervertreter*innen die geschlechtsspezifischen Unterschiede analysieren und Maßnahmen zur Beseitigung derselben festlegen. Wen der österreichische Gesetzgeber im Rahmen der innerstaatlichen Gesetzgebung als Arbeitnehmervertreter*innen qualifiziert, ist derzeit noch unklar. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang die Beiziehung des Betriebsrates oder einer eigens zu diesem Zweck eingerichteten Arbeitnehmervertretung.
Die Verpflichtung entfällt, wenn der Arbeitgeber die Unterschiede durch objektive, geschlechtsneutrale Kriterien rechtfertigen kann oder diese binnen sechs Monaten nach der Berichterstattung korrigiert hat.
Erleichterung der Rechtsdurchsetzung
Entdeckt ein bzw. eine Arbeitnehmer*in aufgrund der gesteigerten Transparenzanforderungen eine potenzielle Entgeltdiskriminierung, kann er bzw. sie einen entsprechenden Schadenersatz fordern. Dieser Anspruch reicht bis zur vollständigen Wiedergutmachung und soll auch immaterielle Schäden und entgangene Chancen umfassen.
Der bzw. die Arbeitnehmer*in muss die Entgeltdiskriminierung dabei nur glaubhaft machen. Kommt das Unternehmen den normierten Auskunfts- und Berichtspflichten nicht oder nur unvollständig nach, kommt es zu einer gänzlichen Beweislastumkehr zu seinen Lasten. Darüber hinaus sollen die staatlichen Gerichte bei Verletzungen der Entgelttransparenzregeln Unterlassung sowie sonstige Maßnahmen zur Erfüllung der Pflichten anordnen können.
Die Richtlinie verlangt zudem »wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen« für Verletzungen der Entgelttransparenzregeln, wobei wahrscheinlich ist, dass der österreichische Gesetzgeber dieser Formulierung durch die Normierung von Verwaltungsstrafen Rechnung tragen wird.
Neu ist eine zumindest dreijährige Verjährungsfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen, wobei die Verjährungsfrist frühestens ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, ab dem der bzw. die Kläger*in von der Verletzung Kenntnis erlangt hat oder diese Kenntnis vernünftigerweise zu erwarten war.
Fazit und Ausblick
Die EU-Entgelttransparenz-Richtlinie birgt ein großes Potenzial für Unternehmen, durch transparente Gehaltsstrukturen nachhaltig ihre Arbeitnehmerbeziehungen zu stärken und am Markt als attraktiver Arbeitgeber aufzufallen. Jedoch bedarf es eines besonderen Einsatzes, den detaillierten Vorgaben zu entsprechen und möglicherweise bestehende geschlechtsspezifische Gehaltsunterschiede aufzugreifen und zu beseitigen. Darüber hinaus wird den Arbeitgeber*innen auch ein gewisses Maß an Flexibilität abverlangt, hat sich der österreichische Gesetzgeber mit Vorschlägen zur Umsetzung doch bisher zurückgehalten, sodass die konkrete innerstaatliche Ausgestaltung aktuell noch ungewiss ist.
Nur wenn sich Arbeitgeber*innen der Chancen bewusst sind und bereit sind, nachhaltige Lösungen zu finden, kann das Potenzial der detaillierten Regelungen ausgeschöpft werden – und die Richtlinie bedeutet keine Bürde.
Hintergrund: Transparenzbestimmungen und Berichterstattungspflicht
Wesentliches Kernelement der Richtlinie ist die Verpflichtung der Arbeitgeber*innen, über die Kriterien für die Festlegung, Erhöhung und Entwicklung des Entgelts zu informieren. Entsprechende Kriterien müssen objektiv und geschlechtsneutral sein. In diesem Zusammenhang sind konkrete Berichterstattungspflichten vorgesehen. Abhängig von der Arbeitnehmeranzahl sind Arbeitgeber*innen verpflichtet, in regelmäßigen Abständen Berichte zum geschlechtsspezifischen Entgeltgefälle zur Verfügung zu stellen.
- Unternehmen mit 250 oder mehr Beschäftigten treffen ab 7. Juni 2027 uneingeschränkt allgemeine jährliche Berichtspflichten bezogen auf das vorangegangene Kalenderjahr.
- Unternehmen mit 150 oder mehr Beschäftigten müssen diese Pflicht ab 7. Juni 2027 alle drei Jahre erfüllen.
- Für Unternehmen mit 100 oder mehr Beschäftigten besteht diese Pflicht erst ab 7. Juni 2031, ebenfalls im Abstand von drei Jahren.
Die Einkommensberichte müssen an eine innerstaatlich festzulegende Überwachungsstelle übermittelt werden. Weiters sind die Kerninformationen aus den Berichten den Arbeitnehmer*innen und Arbeitnehmervertreter*innen unmittelbar zu Verfügung zu stellen.
Die Autorin
Friederike Hollmann ist Rechtsanwältin bei Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte | Deloitte Legal. Sie berät und vertritt nationale und internationale Mandant*innen in sämtlichen Bereichen des Arbeitsrechts.