Donnerstag, November 28, 2024
Umfangreicher Umbau
Foto: Thinkstock

Die Energienetze befinden sich im Wandel und stehen damit vor neuen Herausforderungen. Diesen kann mit innovativen Technologien begegnet werden.

Globale Energiesysteme verändern sich in einem bisher noch nie erlebten Ausmaß. Gesprochen wird von »3D«: Dekarbonisierung, Dezentralisierung, Digitalisierung. Dieses Trio schafft neben neuen Herausforderungen am Markt eine Vielzahl an Möglichkeiten und Perspektiven für eine neue Energiewelt. »Es geht vor allem um die Integration der Erneuerbaren ins Energiesystem, um neue Speichertechnologien und smarte Netze«, erklärt Armin Schnettler, Leiter der weltweiten Energieforschung bei Siemens im Rahmen der Siemens-Veranstaltung »The Future of Energy«, die im Juli in Wien stattgefunden hat.

Auch Peter Traupmann, Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur, sieht die Notwendigkeit für mehr Intelligenz im Energiesystem. Das Netz darf nicht überlas­tet werden, Überschussstrom soll auch in Zeiten des geringen Energieverbrauchs genutzt werden. Um Versorgungssicherheit zu gewährleisten, braucht es außerdem Flexibilität: Dafür kommen sowohl flexibel einsetzbare Kraftwerke als auch Speichertechnologien und Demand-Side-Management zur Steuerung elektrischer Lasten und Verbräuche in Frage. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die Sektorkopplung: Die Sektoren Strom, Wärme und Mobilität dürfen nicht länger separat betrachtet werden.

Bild oben: Peter Traupmann, Energieagentur: »Es braucht Intelligenz im Energiesystem.«

 

Angebot und Nachfrage

Besonders im Bereich Wärme ist großes Einsparpotenzial vorhanden. Denn mit Wärmedämmung und Sanierung kann der Energiebedarf von Gebäuden deutlich gesenkt werden. »Bei Gebäuden mit geringem Wärmebedarf punkten hocheffiziente Heizsysteme, wie etwa Wärmepumpen«, sagt Traupmann. Dadurch komme es aber zu vermehrtem Einsatz von elektrischer Energie in einem Bereich, in dem diese derzeit eine geringe Rolle spielt. Zukunftsweisend sei Traupmann zufolge auch der »Greening the Gas«-Ansatz, da dabei die bestehende Infrastruktur verwendet werden könne. Das grüne Gas ist entweder Biogas aus Gärungsprozessen, Gas aus fester Biomasse oder aber Gas, das mit Power-to-Gas-Technologien mit Überschussstrom aus Erneuerbaren hergestellt wird.

»Verbrauch und Angebot müssen aufeinander abgestimmt, das System als Ganzes gesehen werden«, betont Jürgen Schneider vom Umweltbundesamt. Er ist seit Juli interimistischer Leiter der Sektion Klima im BMNT. Jeden Sektor für sich zu optimieren und maximieren bringe wenig.

Bild oben: Die weltweite Energiewende hin zu 100 % erneuerbaren Energien soll 36 Millionen Arbeitsplätze bis 2050 bringen, im Vergleich zu 19 Millionen im Stromsektor im Jahr 2015.

 

»Einzeloptimieren hat ein Limit«, ergänzt Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds. Man hätte dann vielleicht eine sehr leistungsstarke Photovoltaik auf den Dächern, die das Netz aber nicht entlastet. Das intelligente Netzmanagement kann eine Art Autopilot sein oder auch der vollautomatisierte Betrieb der Stromsys­teme. Mit Speichern gilt es, einer Dunkel-Flaute etwa bei Schwachwind oder Dunkelheit entgegenzuwirken. Im dezentralen, lokalen Bereich trägt der Batteriespeicher, üblicherweise ausgelegt auf zwei bis acht Stunden, zur Netzstabilisierung bei. Als Großspeicher wiederum fungieren vor allem Power-to-X-Technologien, insbesondere die Wasserstoffbereitstellung über Elektrolyse. Vogel verweist diesbezüglich auf die SET-Plan Konferenz Ende November in Wien, auf der eine leistbare und zugleich zukunftsverträgliche Energieversorgung auf europäischer Ebene diskutiert wird.

Der Smart-Meter-Rollout in den EU-Staaten ermöglicht eine erste Abschätzung des Energieverbrauchs. In Österreich müssen bis Ende 2020 mindestens 80 %, bis Ende 2022 wenigstens 95 % aller österreichischen Stromkunden mit einem intelligenten Messgerät ausgestattet werden. Siemens bietet dazu die Lösung MindSphere, ein cloud-basiertes Betriebssystem für das Internet of Things. Energieversorgern werden damit skalierbare Applikationen für verbesserte Transparenz von Energieanlagen, Datenanalytik und optimierte energiewirtschaftliche Geschäftsprozesse zur Verfügung gestellt.

Know-how gefragt

Die Transformation des Energiemarktes beruht auf Digitalisierung – und damit auf Hightech. Der Elektronikmarkt wird vom asiatischen Raum dominiert, Software ist – insbesondere im Consumer-Bereich – US-lastig. Doch gerade im Bereich Industrie 4.0 braucht es besonderes Know-how. »Wir haben auch in Österreich Industriebetriebe, die im internationalen Geschehen mitmischen können«, beurteilt Peter Traupmann die aktuelle Situation und nennt als typisches Beispiel Infineon, das mit seinen Halbleiter- und Systemlösungen weltweit agiert.

Bild oben: Armin Schnettler, Siemens: »Integration der Erneuerbaren ins Energiesystem, neue Speichertechnologien und smarte Netze.« (c) Siemens

 

Traditionell großes Know-how hat Österreich im Bereich Pumpspeicher, wobei Siemens erfolgreich mit dem Konzept Small Hydro am Markt vertreten ist.

Große Erfahrung gibt es laut Klima- und Energiefonds auch bei Smart Grids, die die einzelnen Akteure des Energiesystems über ein Kommunikationsnetzwerk verbinden, bei Smart-City-Lösungsansätzen, Wärmespeichern, Wasserstoffspeicherung, Brennstoffzelle und Photovoltaik. Vogel: »Mit innovativen Technologien kann der Kontinent bei der Energiewende global punkten.«


Sub-Pakete in Verhandlung

Am Ende der bulgarischen Ratspräsidentschaft konnten wichtige politische Einigungen zu drei Dossiers des »Clean Energy Package« erreicht werden. Der Anteil erneuerbarer Energien am gesamten EU-Energiebedarf – Energiewirtschaft, Verkehr, Gebäude – soll bis 2030 auf mindestens 32 % steigen. Das EU-2030-Ziel zur Energieeffizienz wurde auf 32,5 % festgelegt. Integrierte nationale Energie- und Klimaschutzpläne müssen erarbeitet und mit der EU-Kommission abgestimmt werden. Nun liegt die Federführung in österreichischer Hand. Auf der To-do-Liste stehen ein Marktdesign für erneuerbare Energien mit einem Umbau der bislang zentralen Strommärkte sowie ein Einspeisevorrang für Erneuerbare und der prioritäre Netzzugang, die Erstellung eines mehrjährigen EU-Budgets mit einem Ende der Förderungen an fossile und nukleare Kraftwerke sowie die Festsetzung einer CO2-Bepreisung.

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