Kommt Ihnen der neue James Bond trotz aller Modernisierung nicht auch schrecklich altbacken vor? Heute braucht es andere Bedrohungen, andere böse Mächte und andere Helden.
Ein Weckruf an Hollywood von Rainer Sigl.
Geht’s Ihnen auch so? Man geht ins Kino, erwartet sich was Großartiges – und dann: Nix. Derselbe alte Müll, ich sag Ihnen, ich war so enttäuscht vom neuen James Bond, also wenn’s nach mir ginge, dann würd’s da anders zugehen! Wie? Na, etwa so: Zuerst einmal brauchen wir einen neuen Hauptdarsteller. Der neue Bond kein so ein kalter Krieger sein, nein, ein charmanter Vifzack, ein sympathischer Leistungsträger – ich hätt da schon die Idealbesetzung im Auge, ich sag nur so viel: ja, ein Österreicher, ein schneidiger Bursch, tolle Haare, eine supersüße Kristallprinzessin als Frau, viel Tagesfreizeit – Idealbesetzung, oder? Jedenfalls, neuer Bond, neuer Einsatz, kurze Vorgeschichte: Bond haut alles hin, nachdem der alte Q ungerecht davongejagt wurde, der neue Chef ist ein dauergrinsender Apparatschik, Bond wird mit absurden Anschuldigungen überhäuft, so was hat er nicht nötig, kurzum: Er zieht sich in die Privatwirtschaft zurück – doch die Welt braucht ihn!
Nach Jahren des Geheimagententums macht unser neuer Bond Urlaub, vielleicht bei Freunden, vielleicht – na, wieso nicht? – in Kärnten, doch da passiert’s: Ein feiges Attentat auf einen erfolgreichen Politiker, das aussieht wie ein Autounfall, die Libyer sind verwickelt, der Mossad, ein Doppelgänger Saddams wird im Solarium am Wörthersee erwürgt aufgefunden, anscheinend ist eine kleine, sympathische Karawankenbank mit hervorragenden Verbindungen auf den Balkan und nach Bayern darin verwickelt – aber Bond durchschaut das Ablenkungsmanöver: Die Kärntner Bank ist unschuldig wie nur was! Vielmehr ist es eine internationale Verschwörung, die mit fiesen Finanzinstrumenten die Welt in eine nie dagewesene Krise stürzen will, um Regierungen in der ganzen Welt auf einen verhängnisvollen Steinzeitkommunismuskurs zu drängen!
Dann geht’s auf zu einem exotischen Ziel, was weiß ich, auf die Seychellen, soll ja schön sein dort, Bond trifft eine faszinierende Schönheit, die als Consulterin bei einem verdächtigen Finanzinstitut arbeitet, es gibt ein paar Szenen in der Badehose, Schießereien, eine Romanze, und bald steht fest: Bond muss hart durchgreifen! Inzwischen hat die Wirtschaftskrise die ganze Welt erfasst, ehrliche Bankiers laufen weinend und verstört durch die Gärten ihrer nicht abbezahlten Villen, der wankelmütige Pöbel wendet sich hetzerischen Kommunistenführern zu, kurzum: Das totale Chaos droht, der wirtschaftliche Super-GAU, und als Sündenböcke stehen unschuldig-treuherzige Fondsmanager und erfolgreiche Geschäftsmänner wie Opferlämmer am Pranger!
Das kann unser neuer Bond nicht zulassen, nicht wahr, er hat Geschäfts- und Gerechtigkeitssinn, und so verfolgt er die Spur der hinterhältigen Drahtzieher, zuerst auf die Kanalinsel Jersey, doch falscher Alarm, denn die Spur führt weiter nach Nordkorea. Da trifft Bond eine faszinierende Schönheit, eine Undercoveragentin des CIA in Pjöngjang, es gibt noch ein paar Szenen in der Badehose, Schießereien, eine Romanze, doch bald steht fest: Das böse Mastermind ist auch nicht in Nordkorea, nein, sondern auf Island, in einem zur Schaltzentrale des Bösen ausgebauten Vulkan!
Bond fliegt mit der exotischen nordkoreanischen Geheimagentin nach Island, trifft sich dort mit ehemaligen Kollegen vom MI6, der Waffenspezialist M stattet ihn mit innovativen Finanzprüfungsprodukten aus, und Bond schleust sich undercover, als Hedgefondsmanager getarnt, in die Festung im Eyjafjallajökull. In einem grandiosen Showdown schafft er es, zum Bösewicht vorzudringen, es gibt eine Schießerei, Bond wird gefangen, der Bösewicht, so ein linkslinker Weltverbesserungsgutmenschenveganer, erklärt ihm, warum er das alles tut, weil er das Vertrauen in den siegreichen Kapitalismus erschüttern will, er will eine Welt, in der sich Leistung nicht mehr lohnt, nicht wahr, und am Höhepunkt wirft Bond den Schurken mitsamt allen seinen gefälschten Bilanzen in den brodelnden Vulkan, es gibt einen Ausbruch, alles geht in einer riesigen Aschenwolke auf und Bond fährt mit seiner exotischen Nordkoreanerin im Schlauchboot in den Sonnenuntergang.
Na – geben Sie’s zu, das würden Sie auch gern sehen, oder? Und einen Titel hätt ich auch schon. »James Bond – es gilt die Unschuldsvermutung«. DAS wär mal ein Film!